Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

zu machen, als es hier in meinen Kram die-
net. --

Ein Kayser -- was weiß ich, wo und wel-
cher? -- hatte mit einem gewissen magischen
Ringe gewisse Kleinode so viel häßliches Zeug
schwatzen lassen, daß seine Favoritinn durchaus
nichts mehr davon hören wollte. Sie hätte lie-
ber gar mit ihrem ganzen Geschlechte darüber
brechen mögen; wenigsten nahm sie sich auf die
ersten vierzehn Tage vor, ihren Umgang einzig
auf des Sultans Majestät und ein Paar witzige
Köpfe einzuschränken. Diese waren, Selim
und Riccaric: Selim, ein Hofmann; und Ric-
carie, ein Mitglied der Kayserlichen Akademie,
ein Mann, der das Alterthum studiret hatte und
ein großer Verehrer desselben war, doch ohne Pe-
dant zu seyn. Mit diesen unterhält sich die Fa-
voritinn einsmals, und das Gespräch fällt auf
den elenden Ton der akademischen Reden, über
den sich niemand mehr ereifert als der Sultan
selbst, weil es ihn verdrießt, sich nur immer
auf Unkosten seines Vaters und seiner Vorfah-
ren darinn loben zu hören, und er wohl voraus-
sieht, daß die Akademie eben so auch seinen
Ruhm einmal dem Ruhme seiner Nachfolger
aufopfern werde. Selim, als Hofmann, war
dem Sultan in allem beygefallen: und so spinnt
sich die Unterredung über das Theater an, die
ich meinen Lesern hier ganz mittheile.

"Jch
J i 2

zu machen, als es hier in meinen Kram die-
net. —

Ein Kayſer — was weiß ich, wo und wel-
cher? — hatte mit einem gewiſſen magiſchen
Ringe gewiſſe Kleinode ſo viel häßliches Zeug
ſchwatzen laſſen, daß ſeine Favoritinn durchaus
nichts mehr davon hören wollte. Sie hätte lie-
ber gar mit ihrem ganzen Geſchlechte darüber
brechen mögen; wenigſten nahm ſie ſich auf die
erſten vierzehn Tage vor, ihren Umgang einzig
auf des Sultans Majeſtät und ein Paar witzige
Köpfe einzuſchränken. Dieſe waren, Selim
und Riccaric: Selim, ein Hofmann; und Ric-
carie, ein Mitglied der Kayſerlichen Akademie,
ein Mann, der das Alterthum ſtudiret hatte und
ein großer Verehrer deſſelben war, doch ohne Pe-
dant zu ſeyn. Mit dieſen unterhält ſich die Fa-
voritinn einsmals, und das Geſpräch fällt auf
den elenden Ton der akademiſchen Reden, über
den ſich niemand mehr ereifert als der Sultan
ſelbſt, weil es ihn verdrießt, ſich nur immer
auf Unkoſten ſeines Vaters und ſeiner Vorfah-
ren darinn loben zu hören, und er wohl voraus-
ſieht, daß die Akademie eben ſo auch ſeinen
Ruhm einmal dem Ruhme ſeiner Nachfolger
aufopfern werde. Selim, als Hofmann, war
dem Sultan in allem beygefallen: und ſo ſpinnt
ſich die Unterredung über das Theater an, die
ich meinen Leſern hier ganz mittheile.

„Jch
J i 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0257" n="251"/>
zu machen, als es hier in meinen Kram die-<lb/>
net. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ein Kay&#x017F;er &#x2014; was weiß ich, wo und wel-<lb/>
cher? &#x2014; hatte mit einem gewi&#x017F;&#x017F;en magi&#x017F;chen<lb/>
Ringe gewi&#x017F;&#x017F;e Kleinode &#x017F;o viel häßliches Zeug<lb/>
&#x017F;chwatzen la&#x017F;&#x017F;en, daß &#x017F;eine Favoritinn durchaus<lb/>
nichts mehr davon hören wollte. Sie hätte lie-<lb/>
ber gar mit ihrem ganzen Ge&#x017F;chlechte darüber<lb/>
brechen mögen; wenig&#x017F;ten nahm &#x017F;ie &#x017F;ich auf die<lb/>
er&#x017F;ten vierzehn Tage vor, ihren Umgang einzig<lb/>
auf des Sultans Maje&#x017F;tät und ein Paar witzige<lb/>
Köpfe einzu&#x017F;chränken. Die&#x017F;e waren, Selim<lb/>
und Riccaric: Selim, ein Hofmann; und Ric-<lb/>
carie, ein Mitglied der Kay&#x017F;erlichen Akademie,<lb/>
ein Mann, der das Alterthum &#x017F;tudiret hatte und<lb/>
ein großer Verehrer de&#x017F;&#x017F;elben war, doch ohne Pe-<lb/>
dant zu &#x017F;eyn. Mit die&#x017F;en unterhält &#x017F;ich die Fa-<lb/>
voritinn einsmals, und das Ge&#x017F;präch fällt auf<lb/>
den elenden Ton der akademi&#x017F;chen Reden, über<lb/>
den &#x017F;ich niemand mehr ereifert als der Sultan<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, weil es ihn verdrießt, &#x017F;ich nur immer<lb/>
auf Unko&#x017F;ten &#x017F;eines Vaters und &#x017F;einer Vorfah-<lb/>
ren darinn loben zu hören, und er wohl voraus-<lb/>
&#x017F;ieht, daß die Akademie eben &#x017F;o auch &#x017F;einen<lb/>
Ruhm einmal dem Ruhme &#x017F;einer Nachfolger<lb/>
aufopfern werde. Selim, als Hofmann, war<lb/>
dem Sultan in allem beygefallen: und &#x017F;o &#x017F;pinnt<lb/>
&#x017F;ich die Unterredung über das Theater an, die<lb/>
ich meinen Le&#x017F;ern hier ganz mittheile.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">J i 2</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Jch</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0257] zu machen, als es hier in meinen Kram die- net. — Ein Kayſer — was weiß ich, wo und wel- cher? — hatte mit einem gewiſſen magiſchen Ringe gewiſſe Kleinode ſo viel häßliches Zeug ſchwatzen laſſen, daß ſeine Favoritinn durchaus nichts mehr davon hören wollte. Sie hätte lie- ber gar mit ihrem ganzen Geſchlechte darüber brechen mögen; wenigſten nahm ſie ſich auf die erſten vierzehn Tage vor, ihren Umgang einzig auf des Sultans Majeſtät und ein Paar witzige Köpfe einzuſchränken. Dieſe waren, Selim und Riccaric: Selim, ein Hofmann; und Ric- carie, ein Mitglied der Kayſerlichen Akademie, ein Mann, der das Alterthum ſtudiret hatte und ein großer Verehrer deſſelben war, doch ohne Pe- dant zu ſeyn. Mit dieſen unterhält ſich die Fa- voritinn einsmals, und das Geſpräch fällt auf den elenden Ton der akademiſchen Reden, über den ſich niemand mehr ereifert als der Sultan ſelbſt, weil es ihn verdrießt, ſich nur immer auf Unkoſten ſeines Vaters und ſeiner Vorfah- ren darinn loben zu hören, und er wohl voraus- ſieht, daß die Akademie eben ſo auch ſeinen Ruhm einmal dem Ruhme ſeiner Nachfolger aufopfern werde. Selim, als Hofmann, war dem Sultan in allem beygefallen: und ſo ſpinnt ſich die Unterredung über das Theater an, die ich meinen Leſern hier ganz mittheile. „Jch J i 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/257
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/257>, abgerufen am 28.04.2024.