ihr Langeweile; besonders stoßen ihr dann und wann Gesichter auf, gegen welche sie Doran- tens Gesicht so kahl, so unschmackhaft, so eckel findet! Was brauchte es also weiter, um sie ganz von ihm abzubringen, als daß Erast, den ihn ihr Vater bestimmte, ein solches Gesicht ist? Daß sie diesen also nimt, ist so wenig unerwar- tet, daß es vielmehr sehr unerwartet seyn wür- de, wenn sie bey jenem bliebe. Entwicklung hingegen ist ein mehr relatives Wort; und eine unerwartete Entwicklung involviret eine Ver- wicklung, die ohne Folgen bleibt, von der der Dichter auf einmal abspringt, ohne sich um die Verlegenheit zu bekümmern, in der er einen Theil seiner Personen läßt. Und so ist es hier: Peter wird es mit Doranten schon ausmachen; der Dichter empfiehlt sich ihm.
Den acht und vierzigsten Abend (Mittewochs, den 22sten Julius,) ward das Trauerspiel des Herrn Weiß, Richard der Dritte, aufgeführt: zum Beschlusse, Herzog Michel.
Dieses Stück ist ohnstreitig eines von unsern beträchtlichsten Originalen; reich an großen Schönheiten, die genugsam zeigen, daß die Fehler, mit welchen sie verwebt sind, zu ver- meiden, im geringsten nicht über die Kräfte des Dichters gewesen wäre, wenn er sich diese Kräfte nur selbst hätte zutrauen wollen.
Schon
ihr Langeweile; beſonders ſtoßen ihr dann und wann Geſichter auf, gegen welche ſie Doran- tens Geſicht ſo kahl, ſo unſchmackhaft, ſo eckel findet! Was brauchte es alſo weiter, um ſie ganz von ihm abzubringen, als daß Eraſt, den ihn ihr Vater beſtimmte, ein ſolches Geſicht iſt? Daß ſie dieſen alſo nimt, iſt ſo wenig unerwar- tet, daß es vielmehr ſehr unerwartet ſeyn wür- de, wenn ſie bey jenem bliebe. Entwicklung hingegen iſt ein mehr relatives Wort; und eine unerwartete Entwicklung involviret eine Ver- wicklung, die ohne Folgen bleibt, von der der Dichter auf einmal abſpringt, ohne ſich um die Verlegenheit zu bekümmern, in der er einen Theil ſeiner Perſonen läßt. Und ſo iſt es hier: Peter wird es mit Doranten ſchon ausmachen; der Dichter empfiehlt ſich ihm.
Den acht und vierzigſten Abend (Mittewochs, den 22ſten Julius,) ward das Trauerſpiel des Herrn Weiß, Richard der Dritte, aufgeführt: zum Beſchluſſe, Herzog Michel.
Dieſes Stück iſt ohnſtreitig eines von unſern beträchtlichſten Originalen; reich an großen Schönheiten, die genugſam zeigen, daß die Fehler, mit welchen ſie verwebt ſind, zu ver- meiden, im geringſten nicht über die Kräfte des Dichters geweſen wäre, wenn er ſich dieſe Kräfte nur ſelbſt hätte zutrauen wollen.
Schon
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ihr Langeweile; beſonders ſtoßen ihr dann und
wann Geſichter auf, gegen welche ſie Doran-
tens Geſicht ſo kahl, ſo unſchmackhaft, ſo eckel
findet! Was brauchte es alſo weiter, um ſie
ganz von ihm abzubringen, als daß Eraſt, den
ihn ihr Vater beſtimmte, ein ſolches Geſicht iſt?
Daß ſie dieſen alſo nimt, iſt ſo wenig unerwar-
tet, daß es vielmehr ſehr unerwartet ſeyn wür-
de, wenn ſie bey jenem bliebe. Entwicklung
hingegen iſt ein mehr relatives Wort; und eine
unerwartete Entwicklung involviret eine Ver-
wicklung, die ohne Folgen bleibt, von der der
Dichter auf einmal abſpringt, ohne ſich um die
Verlegenheit zu bekümmern, in der er einen
Theil ſeiner Perſonen läßt. Und ſo iſt es hier:
Peter wird es mit Doranten ſchon ausmachen;
der Dichter empfiehlt ſich ihm.
Den acht und vierzigſten Abend (Mittewochs,
den 22ſten Julius,) ward das Trauerſpiel des
Herrn Weiß, Richard der Dritte, aufgeführt:
zum Beſchluſſe, Herzog Michel.
Dieſes Stück iſt ohnſtreitig eines von unſern
beträchtlichſten Originalen; reich an großen
Schönheiten, die genugſam zeigen, daß die
Fehler, mit welchen ſie verwebt ſind, zu ver-
meiden, im geringſten nicht über die Kräfte des
Dichters geweſen wäre, wenn er ſich dieſe Kräfte
nur ſelbſt hätte zutrauen wollen.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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