und es fehlt ihm zu einem vollkommenen Cha- rakter weiter nichts, als daß er seine Leidenschaf- ten nicht besser in seiner Gewalt hat. Burleigh, der erste Minister der Königinn, der auf ihre Ehre sehr eifersüchtig ist, und den Grafen wegen der Gunstbezeigungen beneidet, mit welchen sie ihn überhäuft, bemüht sich unabläßig, ihn ver- dächtig zu machen. Hierinn steht ihm Sir Walter Raleigh, welcher nicht minder des Gra- fen Feind ist, treulich bey; und beide werden von der boshaften Gräfinn von Nottingham noch mehr verhetzt, die den Grafen sonst geliebt hatte, nun aber, weil sie keine Gegenliebe von ihm erhalten können, was sie nicht besitzen kann, zu verderben sucht. Die ungestüme Gemüths- art des Grafen macht ihnen nur allzugutes Spiel, und sie erreichen ihre Absicht auf fol- gende Weise.
Die Königinn hatte den Grafen, als ihren Generalissimus, mit einer sehr ansehnlichen Ar- mee gegen den Tyrone geschickt, welcher in Irr- land einen gefährlichen Aufstand erregt hatte. Nach einigen nicht viel bedeutenden Schar- mützeln sahe sich der Graf genöthiget, mit dem Feinde in Unterhandlung zu treten, weil seine Truppen durch Strabazen und Krankheiten sehr abgemattet waren, Tyrone aber mit seinen Leu- ten sehr vortheilhaft postiret stand. Da diese Unterhandlung zwischen den Anführern münd-
lich
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und es fehlt ihm zu einem vollkommenen Cha- rakter weiter nichts, als daß er ſeine Leidenſchaf- ten nicht beſſer in ſeiner Gewalt hat. Burleigh, der erſte Miniſter der Königinn, der auf ihre Ehre ſehr eiferſüchtig iſt, und den Grafen wegen der Gunſtbezeigungen beneidet, mit welchen ſie ihn überhäuft, bemüht ſich unabläßig, ihn ver- dächtig zu machen. Hierinn ſteht ihm Sir Walter Raleigh, welcher nicht minder des Gra- fen Feind iſt, treulich bey; und beide werden von der boshaften Gräfinn von Nottingham noch mehr verhetzt, die den Grafen ſonſt geliebt hatte, nun aber, weil ſie keine Gegenliebe von ihm erhalten können, was ſie nicht beſitzen kann, zu verderben ſucht. Die ungeſtüme Gemüths- art des Grafen macht ihnen nur allzugutes Spiel, und ſie erreichen ihre Abſicht auf fol- gende Weiſe.
Die Königinn hatte den Grafen, als ihren Generaliſſimus, mit einer ſehr anſehnlichen Ar- mee gegen den Tyrone geſchickt, welcher in Irr- land einen gefährlichen Aufſtand erregt hatte. Nach einigen nicht viel bedeutenden Schar- mützeln ſahe ſich der Graf genöthiget, mit dem Feinde in Unterhandlung zu treten, weil ſeine Truppen durch Strabazen und Krankheiten ſehr abgemattet waren, Tyrone aber mit ſeinen Leu- ten ſehr vortheilhaft poſtiret ſtand. Da dieſe Unterhandlung zwiſchen den Anführern münd-
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[11/0017]
und es fehlt ihm zu einem vollkommenen Cha-
rakter weiter nichts, als daß er ſeine Leidenſchaf-
ten nicht beſſer in ſeiner Gewalt hat. Burleigh,
der erſte Miniſter der Königinn, der auf ihre
Ehre ſehr eiferſüchtig iſt, und den Grafen wegen
der Gunſtbezeigungen beneidet, mit welchen ſie
ihn überhäuft, bemüht ſich unabläßig, ihn ver-
dächtig zu machen. Hierinn ſteht ihm Sir
Walter Raleigh, welcher nicht minder des Gra-
fen Feind iſt, treulich bey; und beide werden
von der boshaften Gräfinn von Nottingham
noch mehr verhetzt, die den Grafen ſonſt geliebt
hatte, nun aber, weil ſie keine Gegenliebe von
ihm erhalten können, was ſie nicht beſitzen kann,
zu verderben ſucht. Die ungeſtüme Gemüths-
art des Grafen macht ihnen nur allzugutes
Spiel, und ſie erreichen ihre Abſicht auf fol-
gende Weiſe.
Die Königinn hatte den Grafen, als ihren
Generaliſſimus, mit einer ſehr anſehnlichen Ar-
mee gegen den Tyrone geſchickt, welcher in Irr-
land einen gefährlichen Aufſtand erregt hatte.
Nach einigen nicht viel bedeutenden Schar-
mützeln ſahe ſich der Graf genöthiget, mit dem
Feinde in Unterhandlung zu treten, weil ſeine
Truppen durch Strabazen und Krankheiten ſehr
abgemattet waren, Tyrone aber mit ſeinen Leu-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/17>, abgerufen am 21.11.2024.
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