groß sind nunmehr Schmerz und Wuth, ihn hingerichtet zu sehen. Sie verflucht die Eilfer- tigkeit, mit der man ihren Befehl vollzogen: und Blanca mag zittern! --
So schließt sich dieses Stück, bey welchem ich meine Leser vielleicht zu lange aufgehalten habe. Villeicht auch nicht. Wir sind mit den dramatischen Werken der Spanier so wenig be- kannt; ich wüßte kein einziges, welches man uns übersetzt, oder auch nur Auszugsweise mitgetheilet hätte. Denn die Virgina des Au- gustino de Montiano y Luyando ist zwar spa- nisch geschrieben; aber kein spanisches Stück: ein bloßer Versuch in der correcten Manier der Franzosen, regelmäßig aber frostig. Jch be- kenne sehr gern, daß ich bey weiten so vortheil- haft nicht mehr davon denke, als ich wohl ehe- dem muß gedacht haben. (*) Wenn das zweyte Stück des nehmlichen Verfassers nicht besser gerathen ist; wenn die neueren Dichter der Nation, welche eben diesen Weg betreten wol- len, ihn nicht glücklicher betreten haben: so mögen sie mir es nicht übel nehmen, wenn ich noch immer lieber nach ihrem alten Lope und Cal- deron greife, als nach ihnen.
Die
(*) Theatralische Bibliothek, erstes Stück, S. 117.
groß ſind nunmehr Schmerz und Wuth, ihn hingerichtet zu ſehen. Sie verflucht die Eilfer- tigkeit, mit der man ihren Befehl vollzogen: und Blanca mag zittern! —
So ſchließt ſich dieſes Stück, bey welchem ich meine Leſer vielleicht zu lange aufgehalten habe. Villeicht auch nicht. Wir ſind mit den dramatiſchen Werken der Spanier ſo wenig be- kannt; ich wüßte kein einziges, welches man uns überſetzt, oder auch nur Auszugsweiſe mitgetheilet hätte. Denn die Virgina des Au- guſtino de Montiano y Luyando iſt zwar ſpa- niſch geſchrieben; aber kein ſpaniſches Stück: ein bloßer Verſuch in der correcten Manier der Franzoſen, regelmäßig aber froſtig. Jch be- kenne ſehr gern, daß ich bey weiten ſo vortheil- haft nicht mehr davon denke, als ich wohl ehe- dem muß gedacht haben. (*) Wenn das zweyte Stück des nehmlichen Verfaſſers nicht beſſer gerathen iſt; wenn die neueren Dichter der Nation, welche eben dieſen Weg betreten wol- len, ihn nicht glücklicher betreten haben: ſo mögen ſie mir es nicht übel nehmen, wenn ich noch immer lieber nach ihrem alten Lope und Cal- deron greife, als nach ihnen.
Die
(*) Theatraliſche Bibliothek, erſtes Stück, S. 117.
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groß ſind nunmehr Schmerz und Wuth, ihn
hingerichtet zu ſehen. Sie verflucht die Eilfer-
tigkeit, mit der man ihren Befehl vollzogen:
und Blanca mag zittern! —
So ſchließt ſich dieſes Stück, bey welchem
ich meine Leſer vielleicht zu lange aufgehalten
habe. Villeicht auch nicht. Wir ſind mit den
dramatiſchen Werken der Spanier ſo wenig be-
kannt; ich wüßte kein einziges, welches man
uns überſetzt, oder auch nur Auszugsweiſe
mitgetheilet hätte. Denn die Virgina des Au-
guſtino de Montiano y Luyando iſt zwar ſpa-
niſch geſchrieben; aber kein ſpaniſches Stück:
ein bloßer Verſuch in der correcten Manier der
Franzoſen, regelmäßig aber froſtig. Jch be-
kenne ſehr gern, daß ich bey weiten ſo vortheil-
haft nicht mehr davon denke, als ich wohl ehe-
dem muß gedacht haben. (*) Wenn das zweyte
Stück des nehmlichen Verfaſſers nicht beſſer
gerathen iſt; wenn die neueren Dichter der
Nation, welche eben dieſen Weg betreten wol-
len, ihn nicht glücklicher betreten haben: ſo
mögen ſie mir es nicht übel nehmen, wenn ich
noch immer lieber nach ihrem alten Lope und Cal-
deron greife, als nach ihnen.
Die
(*) Theatraliſche Bibliothek, erſtes Stück, S.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/132>, abgerufen am 24.11.2024.
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