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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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welches Urtheil morgen des Tages vollzogen wer-
den solle. Der Graf betheuert seine Unschuld.

Der Kanzler. Jhre Unschuld, Mylord,
wollte ich gern glauben: aber so viele Beweise wi-
der Sie! -- Haben Sie den Brief an den Roberto
nicht geschrieben? Jst es nicht Jhr eigenhändiger
Name?
Essex. Allerdings ist er es.
Der Kanzler. Hat der Herzog von Alanzon
Sie, in dem Zimmer der Blanca, nicht ausdrück-
lich den Tod der Königinn beschließen hören?
Essex. Was er gehört hat, hat er freylich ge-
hört.
Der Kanzler. Sahe die Königinn, als sie
erwachte, nicht die Pistole in Jhrer Hand? Gehört
die Pistole, auf der Jhr Name gestochen, nicht
Jhnen?
Essex. Jch kann es nicht leugnen.
Der Kanzler. So sind Sie ja schuldig.
Essex. Das leugne ich.
Der Kanzler. Nun, wie kamen Sie denn
dazu, daß Sie den Brief an den Roberto schrie-
ben?
Essex. Jch weiß nicht.
Der Kanzler. Wie kam es denn, daß der
Herzog den verrätherischen Vorsatz aus Jhrem
eignen Munde vernehmen mußte?
Essex. Weil es der Himmel so wollte.
Der
O 3

welches Urtheil morgen des Tages vollzogen wer-
den ſolle. Der Graf betheuert ſeine Unſchuld.

Der Kanzler. Jhre Unſchuld, Mylord,
wollte ich gern glauben: aber ſo viele Beweiſe wi-
der Sie! — Haben Sie den Brief an den Roberto
nicht geſchrieben? Jſt es nicht Jhr eigenhändiger
Name?
Eſſex. Allerdings iſt er es.
Der Kanzler. Hat der Herzog von Alanzon
Sie, in dem Zimmer der Blanca, nicht ausdrück-
lich den Tod der Königinn beſchließen hören?
Eſſex. Was er gehört hat, hat er freylich ge-
hört.
Der Kanzler. Sahe die Königinn, als ſie
erwachte, nicht die Piſtole in Jhrer Hand? Gehört
die Piſtole, auf der Jhr Name geſtochen, nicht
Jhnen?
Eſſex. Jch kann es nicht leugnen.
Der Kanzler. So ſind Sie ja ſchuldig.
Eſſex. Das leugne ich.
Der Kanzler. Nun, wie kamen Sie denn
dazu, daß Sie den Brief an den Roberto ſchrie-
ben?
Eſſex. Jch weiß nicht.
Der Kanzler. Wie kam es denn, daß der
Herzog den verrätheriſchen Vorſatz aus Jhrem
eignen Munde vernehmen mußte?
Eſſex. Weil es der Himmel ſo wollte.
Der
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[109/0115] welches Urtheil morgen des Tages vollzogen wer- den ſolle. Der Graf betheuert ſeine Unſchuld. Der Kanzler. Jhre Unſchuld, Mylord, wollte ich gern glauben: aber ſo viele Beweiſe wi- der Sie! — Haben Sie den Brief an den Roberto nicht geſchrieben? Jſt es nicht Jhr eigenhändiger Name? Eſſex. Allerdings iſt er es. Der Kanzler. Hat der Herzog von Alanzon Sie, in dem Zimmer der Blanca, nicht ausdrück- lich den Tod der Königinn beſchließen hören? Eſſex. Was er gehört hat, hat er freylich ge- hört. Der Kanzler. Sahe die Königinn, als ſie erwachte, nicht die Piſtole in Jhrer Hand? Gehört die Piſtole, auf der Jhr Name geſtochen, nicht Jhnen? Eſſex. Jch kann es nicht leugnen. Der Kanzler. So ſind Sie ja ſchuldig. Eſſex. Das leugne ich. Der Kanzler. Nun, wie kamen Sie denn dazu, daß Sie den Brief an den Roberto ſchrie- ben? Eſſex. Jch weiß nicht. Der Kanzler. Wie kam es denn, daß der Herzog den verrätheriſchen Vorſatz aus Jhrem eignen Munde vernehmen mußte? Eſſex. Weil es der Himmel ſo wollte. Der O 3

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/115>, abgerufen am 24.04.2024.