ten werden ihn jederzeit schätzbar machen, ob man ihm schon andere absprechen muß, zu denen er entweder gar keine Anlage hatte, oder die zu ihrer Reife gewisse Jahre erfordern, weit unter welchen er starb. Sein Codrus ward von den Verfassern der Bibliothek der schönen Wissen- schaften gekrönet, aber wahrlich nicht als ein gutes Stück, sondern als das beste von denen, die damals um den Preis stritten. Mein Urtheil nimmt ihm also keine Ehre, die ihm die Kritik damals ertheilet. Wenn Hinkende um die Wette laufen, so bleibt der, welcher von ihnen zuerst an das Ziel kömmt, doch noch ein Hin- kender.
Eine Stelle in dem Epilog ist einer Mißdeu- tung ausgesetzt gewesen, von der sie gerettet zu werden verdienet. Der Dichter sagt:
"Bedenkt, daß unter uns die Kunst nur kaum beginnt, "In welcher tausend Quins, für einen Garrick sind.
Quin, habe ich darwider erinnern hören, ist kein schlechter Schauspieler gewesen. -- Nein, gewiß nicht; er war Thomsons besonderer Freund, und die Freundschaft, in der ein Schauspieler mit einem Dichter, wie Thomson, gestanden, wird bey der Nachwelt immer ein
gu-
ten werden ihn jederzeit ſchaͤtzbar machen, ob man ihm ſchon andere abſprechen muß, zu denen er entweder gar keine Anlage hatte, oder die zu ihrer Reife gewiſſe Jahre erfordern, weit unter welchen er ſtarb. Sein Codrus ward von den Verfaſſern der Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſen- ſchaften gekroͤnet, aber wahrlich nicht als ein gutes Stuͤck, ſondern als das beſte von denen, die damals um den Preis ſtritten. Mein Urtheil nimmt ihm alſo keine Ehre, die ihm die Kritik damals ertheilet. Wenn Hinkende um die Wette laufen, ſo bleibt der, welcher von ihnen zuerſt an das Ziel koͤmmt, doch noch ein Hin- kender.
Eine Stelle in dem Epilog iſt einer Mißdeu- tung ausgeſetzt geweſen, von der ſie gerettet zu werden verdienet. Der Dichter ſagt:
〟Bedenkt, daß unter uns die Kunſt nur kaum beginnt, 〟In welcher tauſend Quins, fuͤr einen Garrick ſind.
Quin, habe ich darwider erinnern hoͤren, iſt kein ſchlechter Schauſpieler geweſen. — Nein, gewiß nicht; er war Thomſons beſonderer Freund, und die Freundſchaft, in der ein Schauſpieler mit einem Dichter, wie Thomſon, geſtanden, wird bey der Nachwelt immer ein
gu-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0066"n="52"/>
ten werden ihn jederzeit ſchaͤtzbar machen, ob<lb/>
man ihm ſchon andere abſprechen muß, zu denen<lb/>
er entweder gar keine Anlage hatte, oder die zu<lb/>
ihrer Reife gewiſſe Jahre erfordern, weit unter<lb/>
welchen er ſtarb. Sein Codrus ward von den<lb/>
Verfaſſern der Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſen-<lb/>ſchaften gekroͤnet, aber wahrlich nicht als ein<lb/>
gutes Stuͤck, ſondern als das beſte von denen,<lb/>
die damals um den Preis ſtritten. Mein Urtheil<lb/>
nimmt ihm alſo keine Ehre, die ihm die Kritik<lb/>
damals ertheilet. Wenn Hinkende um die<lb/>
Wette laufen, ſo bleibt der, welcher von ihnen<lb/>
zuerſt an das Ziel koͤmmt, doch noch ein Hin-<lb/>
kender.</p><lb/><p>Eine Stelle in dem Epilog iſt einer Mißdeu-<lb/>
tung ausgeſetzt geweſen, von der ſie gerettet zu<lb/>
werden verdienet. Der Dichter ſagt:</p><lb/><cit><quote>〟Bedenkt, daß unter uns die Kunſt nur kaum<lb/><hirendition="#et">beginnt,</hi><lb/>〟In welcher tauſend Quins, fuͤr einen Garrick<lb/><hirendition="#et">ſind.</hi></quote></cit><lb/><p>Quin, habe ich darwider erinnern hoͤren, iſt<lb/>
kein ſchlechter Schauſpieler geweſen. — Nein,<lb/>
gewiß nicht; er war Thomſons beſonderer<lb/>
Freund, und die Freundſchaft, in der ein<lb/>
Schauſpieler mit einem Dichter, wie Thomſon,<lb/>
geſtanden, wird bey der Nachwelt immer ein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">gu-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[52/0066]
ten werden ihn jederzeit ſchaͤtzbar machen, ob
man ihm ſchon andere abſprechen muß, zu denen
er entweder gar keine Anlage hatte, oder die zu
ihrer Reife gewiſſe Jahre erfordern, weit unter
welchen er ſtarb. Sein Codrus ward von den
Verfaſſern der Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſen-
ſchaften gekroͤnet, aber wahrlich nicht als ein
gutes Stuͤck, ſondern als das beſte von denen,
die damals um den Preis ſtritten. Mein Urtheil
nimmt ihm alſo keine Ehre, die ihm die Kritik
damals ertheilet. Wenn Hinkende um die
Wette laufen, ſo bleibt der, welcher von ihnen
zuerſt an das Ziel koͤmmt, doch noch ein Hin-
kender.
Eine Stelle in dem Epilog iſt einer Mißdeu-
tung ausgeſetzt geweſen, von der ſie gerettet zu
werden verdienet. Der Dichter ſagt:
〟Bedenkt, daß unter uns die Kunſt nur kaum
beginnt,
〟In welcher tauſend Quins, fuͤr einen Garrick
ſind.
Quin, habe ich darwider erinnern hoͤren, iſt
kein ſchlechter Schauſpieler geweſen. — Nein,
gewiß nicht; er war Thomſons beſonderer
Freund, und die Freundſchaft, in der ein
Schauſpieler mit einem Dichter, wie Thomſon,
geſtanden, wird bey der Nachwelt immer ein
gu-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/66>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.