Personen, die eine Moschee beraubet haben, zur Strafe ziehen, kömmt das wohl gegen die unselige Raserey, welche das rechtgläubige Eu- ropa entvölkerte, um das ungläubige Asien zu verwüsten? Doch was der Tragicus in seinem Werke sehr unschicklich angebracht hat, das konnte der Dichter des Epilogs gar wohl auf- fassen. Menschlichkeit und Sanftmuth verdie- nen bey jeder Gelegenheit empfohlen zu werden, und kein Anlaß dazu kann so entfernt seyn, den wenigstens unser Herz nicht sehr natürlich und dringend finden sollte.
Uebrigens stimme ich mit Vergnügen dem rüh- renden Lobe bey, welches der Dichter dem seligen Cronegk ertheilet. Aber ich werde mich schwer- lich bereden lassen, daß er mit mir, über den poe- tischen Werth des kritisirten Stückes, nicht eben- falls einig seyn sollte. Ich bin sehr betroffen gewesen, als man mich versichert, daß ich ver- schiedene von meinen Lesern durch mein unver- hohlnes Urtheil unwillig gemacht hätte. Wenn ihnen bescheidene Freyheit, bey der sich durchaus keine Nebenabsichten denken lassen, mißfällt, so laufe ich Gefahr, sie noch oft unwillig zu machen. Ich habe gar nicht die Absicht gehabt, ihnen die Lesung eines Dichters zu verleiden, den unge- künstelter Witz, viel feine Empfindung und die lauterste Moral empfehlen. Diese Eigenschaf-
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Perſonen, die eine Moſchee beraubet haben, zur Strafe ziehen, koͤmmt das wohl gegen die unſelige Raſerey, welche das rechtglaͤubige Eu- ropa entvoͤlkerte, um das unglaͤubige Aſien zu verwuͤſten? Doch was der Tragicus in ſeinem Werke ſehr unſchicklich angebracht hat, das konnte der Dichter des Epilogs gar wohl auf- faſſen. Menſchlichkeit und Sanftmuth verdie- nen bey jeder Gelegenheit empfohlen zu werden, und kein Anlaß dazu kann ſo entfernt ſeyn, den wenigſtens unſer Herz nicht ſehr natuͤrlich und dringend finden ſollte.
Uebrigens ſtimme ich mit Vergnuͤgen dem ruͤh- renden Lobe bey, welches der Dichter dem ſeligen Cronegk ertheilet. Aber ich werde mich ſchwer- lich bereden laſſen, daß er mit mir, uͤber den poe- tiſchen Werth des kritiſirten Stuͤckes, nicht eben- falls einig ſeyn ſollte. Ich bin ſehr betroffen geweſen, als man mich verſichert, daß ich ver- ſchiedene von meinen Leſern durch mein unver- hohlnes Urtheil unwillig gemacht haͤtte. Wenn ihnen beſcheidene Freyheit, bey der ſich durchaus keine Nebenabſichten denken laſſen, mißfaͤllt, ſo laufe ich Gefahr, ſie noch oft unwillig zu machen. Ich habe gar nicht die Abſicht gehabt, ihnen die Leſung eines Dichters zu verleiden, den unge- kuͤnſtelter Witz, viel feine Empfindung und die lauterſte Moral empfehlen. Dieſe Eigenſchaf-
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Perſonen, die eine Moſchee beraubet haben,
zur Strafe ziehen, koͤmmt das wohl gegen die
unſelige Raſerey, welche das rechtglaͤubige Eu-
ropa entvoͤlkerte, um das unglaͤubige Aſien zu
verwuͤſten? Doch was der Tragicus in ſeinem
Werke ſehr unſchicklich angebracht hat, das
konnte der Dichter des Epilogs gar wohl auf-
faſſen. Menſchlichkeit und Sanftmuth verdie-
nen bey jeder Gelegenheit empfohlen zu werden,
und kein Anlaß dazu kann ſo entfernt ſeyn, den
wenigſtens unſer Herz nicht ſehr natuͤrlich und
dringend finden ſollte.
Uebrigens ſtimme ich mit Vergnuͤgen dem ruͤh-
renden Lobe bey, welches der Dichter dem ſeligen
Cronegk ertheilet. Aber ich werde mich ſchwer-
lich bereden laſſen, daß er mit mir, uͤber den poe-
tiſchen Werth des kritiſirten Stuͤckes, nicht eben-
falls einig ſeyn ſollte. Ich bin ſehr betroffen
geweſen, als man mich verſichert, daß ich ver-
ſchiedene von meinen Leſern durch mein unver-
hohlnes Urtheil unwillig gemacht haͤtte. Wenn
ihnen beſcheidene Freyheit, bey der ſich durchaus
keine Nebenabſichten denken laſſen, mißfaͤllt, ſo
laufe ich Gefahr, ſie noch oft unwillig zu machen.
Ich habe gar nicht die Abſicht gehabt, ihnen die
Leſung eines Dichters zu verleiden, den unge-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/65>, abgerufen am 27.11.2024.
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