nen bessern geben könne, daß dieser bessere eben der sey, der schon vor Alters befahren worden, so beguügte er sich auf jenem ein Paar Sand- steine aus dem Gleisse zu räumen, über die er meinet, daß sein Vorgänger fast umgeschmissen hätte. Würde er wohl sonst auch dieses von ihm beybehalten haben, daß Aegisth, unbekannt mit sich selbst, von ungefehr nach Messene ge- rathen, und daselbst durch kleine zweydeutige Merkmahle in den Verdacht kommen muß, daß er der Mörder seiner selbst sey? Bey dem Euri- pides kannte sich Aegisth vollkommen, kam in dem ausdrücklichen Vorsatze, sich zu rächen, nach Messene, und gab sich selbst für den Mör- der des Aegisth aus; nur daß er sich seiner Mutter nicht entdeckte, es sey aus Vorsicht, oder aus Mißtrauen, oder aus was sonst für Ursa- che, an der es ihm der Dichter gewiß nicht wird haben mangeln lassen. Ich habe zwar oben (*) dem Maffeini einige Gründe zu allen den Ver- änderungen, die er mit dem Plane des Euripi- des gemacht hat, von meinem Eigenen geliehen. Aber ich bin weit entfernt, die Gründe für wich- tig, und die Veränderungen für glücklich genug auszugeben. Vielmehr behaupte ich, daß jeder Tritt, den er aus den Fußtapfen des Griechen zu thun gewagt, ein Fehltritt geworden. Daß sich Aegisth nicht kennet, daß er von ungefehr
nach
(*) S. 318.
nen beſſern geben koͤnne, daß dieſer beſſere eben der ſey, der ſchon vor Alters befahren worden, ſo beguuͤgte er ſich auf jenem ein Paar Sand- ſteine aus dem Gleiſſe zu raͤumen, uͤber die er meinet, daß ſein Vorgaͤnger faſt umgeſchmiſſen haͤtte. Wuͤrde er wohl ſonſt auch dieſes von ihm beybehalten haben, daß Aegisth, unbekannt mit ſich ſelbſt, von ungefehr nach Meſſene ge- rathen, und daſelbſt durch kleine zweydeutige Merkmahle in den Verdacht kommen muß, daß er der Moͤrder ſeiner ſelbſt ſey? Bey dem Euri- pides kannte ſich Aegisth vollkommen, kam in dem ausdruͤcklichen Vorſatze, ſich zu raͤchen, nach Meſſene, und gab ſich ſelbſt fuͤr den Moͤr- der des Aegisth aus; nur daß er ſich ſeiner Mutter nicht entdeckte, es ſey aus Vorſicht, oder aus Mißtrauen, oder aus was ſonſt fuͤr Urſa- che, an der es ihm der Dichter gewiß nicht wird haben mangeln laſſen. Ich habe zwar oben (*) dem Maffeini einige Gruͤnde zu allen den Ver- aͤnderungen, die er mit dem Plane des Euripi- des gemacht hat, von meinem Eigenen geliehen. Aber ich bin weit entfernt, die Gruͤnde fuͤr wich- tig, und die Veraͤnderungen fuͤr gluͤcklich genug auszugeben. Vielmehr behaupte ich, daß jeder Tritt, den er aus den Fußtapfen des Griechen zu thun gewagt, ein Fehltritt geworden. Daß ſich Aegisth nicht kennet, daß er von ungefehr
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(*) S. 318.
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nen beſſern geben koͤnne, daß dieſer beſſere eben
der ſey, der ſchon vor Alters befahren worden,
ſo beguuͤgte er ſich auf jenem ein Paar Sand-
ſteine aus dem Gleiſſe zu raͤumen, uͤber die er
meinet, daß ſein Vorgaͤnger faſt umgeſchmiſſen
haͤtte. Wuͤrde er wohl ſonſt auch dieſes von
ihm beybehalten haben, daß Aegisth, unbekannt
mit ſich ſelbſt, von ungefehr nach Meſſene ge-
rathen, und daſelbſt durch kleine zweydeutige
Merkmahle in den Verdacht kommen muß, daß
er der Moͤrder ſeiner ſelbſt ſey? Bey dem Euri-
pides kannte ſich Aegisth vollkommen, kam in
dem ausdruͤcklichen Vorſatze, ſich zu raͤchen,
nach Meſſene, und gab ſich ſelbſt fuͤr den Moͤr-
der des Aegisth aus; nur daß er ſich ſeiner
Mutter nicht entdeckte, es ſey aus Vorſicht, oder
aus Mißtrauen, oder aus was ſonſt fuͤr Urſa-
che, an der es ihm der Dichter gewiß nicht wird
haben mangeln laſſen. Ich habe zwar oben (*)
dem Maffeini einige Gruͤnde zu allen den Ver-
aͤnderungen, die er mit dem Plane des Euripi-
des gemacht hat, von meinem Eigenen geliehen.
Aber ich bin weit entfernt, die Gruͤnde fuͤr wich-
tig, und die Veraͤnderungen fuͤr gluͤcklich genug
auszugeben. Vielmehr behaupte ich, daß jeder
Tritt, den er aus den Fußtapfen des Griechen
zu thun gewagt, ein Fehltritt geworden. Daß
ſich Aegisth nicht kennet, daß er von ungefehr
nach
(*) S. 318.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/389>, abgerufen am 26.11.2024.
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