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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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Ein Polyphont sollte diese Betrachtung wohl
machen; aber er macht sie nie. Noch weniger
wird er sie in dem Augenblicke machen, da er
sich zu neuen Verbrechen aufmuntert:

Eh bien, encore ce crime! -- --

Wie unbesonnen, und in den Tag hinein, er
gegen Meropen handelt, habe ich schon berührt.
Sein Betragen gegen den Aegisth sieht einem
eben so verschlagenen als entschlossenen Manne,
wie ihn uns der Dichter von Anfange schildert,
noch weniger ähnlich. Aegisth hätte bey dem
Opfer gerade nicht erscheinen müssen. Was
soll er da? Ihm Gehorsam schwören? In den
Augen des Volks? Unter dem Geschrey seiner
verzweifelnden Mutter? Wird da nicht unfehl-
bar geschehen, was er zuvor selbst besorgte? (*)

Er
Giovan servate, e transgredite. Udrai
Correr minaccia ognor di guerra esterna;
Ond' io n'andro su l'atterita plebe
Sempre crescendo i pesi, e peregrine
Milizie introdurro. ---- ----
(*) Acte I. Sc. 4.
Si ce fils, tant pleure, dans Messene est
produit,
De quinze ans de travaux j'ai perdu tout
le fruit.

Croi-

Ein Polyphont ſollte dieſe Betrachtung wohl
machen; aber er macht ſie nie. Noch weniger
wird er ſie in dem Augenblicke machen, da er
ſich zu neuen Verbrechen aufmuntert:

Eh bien, encore ce crime! — —

Wie unbeſonnen, und in den Tag hinein, er
gegen Meropen handelt, habe ich ſchon beruͤhrt.
Sein Betragen gegen den Aegisth ſieht einem
eben ſo verſchlagenen als entſchloſſenen Manne,
wie ihn uns der Dichter von Anfange ſchildert,
noch weniger aͤhnlich. Aegisth haͤtte bey dem
Opfer gerade nicht erſcheinen muͤſſen. Was
ſoll er da? Ihm Gehorſam ſchwoͤren? In den
Augen des Volks? Unter dem Geſchrey ſeiner
verzweifelnden Mutter? Wird da nicht unfehl-
bar geſchehen, was er zuvor ſelbſt beſorgte? (*)

Er
Giovan ſervate, e transgredite. Udrai
Correr minaccia ognor di guerra eſterna;
Ond’ io n’andrò ſu l’atterita plebe
Sempre creſcendo i peſi, e peregrine
Milizie introdurrò. —— ——
(*) Acte I. Sc. 4.
Si ce fils, tant pleuré, dans Meſſene eſt
produit,
De quinze ans de travaux j’ai perdu tout
le fruit.

Croi-
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[366/0380] Ein Polyphont ſollte dieſe Betrachtung wohl machen; aber er macht ſie nie. Noch weniger wird er ſie in dem Augenblicke machen, da er ſich zu neuen Verbrechen aufmuntert: Eh bien, encore ce crime! — — Wie unbeſonnen, und in den Tag hinein, er gegen Meropen handelt, habe ich ſchon beruͤhrt. Sein Betragen gegen den Aegisth ſieht einem eben ſo verſchlagenen als entſchloſſenen Manne, wie ihn uns der Dichter von Anfange ſchildert, noch weniger aͤhnlich. Aegisth haͤtte bey dem Opfer gerade nicht erſcheinen muͤſſen. Was ſoll er da? Ihm Gehorſam ſchwoͤren? In den Augen des Volks? Unter dem Geſchrey ſeiner verzweifelnden Mutter? Wird da nicht unfehl- bar geſchehen, was er zuvor ſelbſt beſorgte? (*) Er (*) (*) Acte I. Sc. 4. Si ce fils, tant pleuré, dans Meſſene eſt produit, De quinze ans de travaux j’ai perdu tout le fruit. Croi- (*) Giovan ſervate, e transgredite. Udrai Correr minaccia ognor di guerra eſterna; Ond’ io n’andrò ſu l’atterita plebe Sempre creſcendo i peſi, e peregrine Milizie introdurrò. —— ——

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/380>, abgerufen am 19.05.2024.