rathe allen, die unter uns das Theater aus ähn- lichen Erzehlungen bereichern wollen, die Fa- vartsche Ausführung mit dem Marmontelschen Urstoffe zusammen zu halten. Wenn sie die Gabe zu abstrahiren haben, so werden ihnen die geringsten Veränderungen, die dieser gelitten, und zum Theil leiden müssen, lehrreich seyn, und ihre Empfindung wird sie auf manchen Handgriff leiten, der ihrer bloßen Spekulation wohl unentdeckt geblieben wäre, den noch kein Kritikus zur Regel generalisiret hat, ob er es schon verdiente, und der öfters mehr Wahrheit, mehr Leben in ihr Stück bringen wird, als alle die mechanischen Gesetze, mit denen sich kahle Kunstrichter herumschlagen, und deren Beobach- tung sie lieber, dem Genie zum Trotze, zur ein- zigen Quelle der Vollkommenheit eines Drama machen möchten.
Ich will nur bey einer von diesen Verände- rungen stehen bleiben. Aber ich muß vorher das Urtheil anführen, welches Franzosen selbst über das Stück gefällt haben. (*) Anfangs äußern sie ihre Zweifel gegen die Grundlage des Marmontels. "Solimann der Zweyte, sagen sie, war einer von den größten Fürsten seines Jahrhunderts; die Türken haben keinen Kaiser, dessen Andenken ihnen theurer wäre, als dieses Solimanns; seine Siege, seine Talente und
Tu-
(*)Journal Encyclop. Janvier 1762.
rathe allen, die unter uns das Theater aus aͤhn- lichen Erzehlungen bereichern wollen, die Fa- vartſche Ausfuͤhrung mit dem Marmontelſchen Urſtoffe zuſammen zu halten. Wenn ſie die Gabe zu abſtrahiren haben, ſo werden ihnen die geringſten Veraͤnderungen, die dieſer gelitten, und zum Theil leiden muͤſſen, lehrreich ſeyn, und ihre Empfindung wird ſie auf manchen Handgriff leiten, der ihrer bloßen Spekulation wohl unentdeckt geblieben waͤre, den noch kein Kritikus zur Regel generaliſiret hat, ob er es ſchon verdiente, und der oͤfters mehr Wahrheit, mehr Leben in ihr Stuͤck bringen wird, als alle die mechaniſchen Geſetze, mit denen ſich kahle Kunſtrichter herumſchlagen, und deren Beobach- tung ſie lieber, dem Genie zum Trotze, zur ein- zigen Quelle der Vollkommenheit eines Drama machen moͤchten.
Ich will nur bey einer von dieſen Veraͤnde- rungen ſtehen bleiben. Aber ich muß vorher das Urtheil anfuͤhren, welches Franzoſen ſelbſt uͤber das Stuͤck gefaͤllt haben. (*) Anfangs aͤußern ſie ihre Zweifel gegen die Grundlage des Marmontels. 〟Solimann der Zweyte, ſagen ſie, war einer von den groͤßten Fuͤrſten ſeines Jahrhunderts; die Tuͤrken haben keinen Kaiſer, deſſen Andenken ihnen theurer waͤre, als dieſes Solimanns; ſeine Siege, ſeine Talente und
Tu-
(*)Journal Encyclop. Janvier 1762.
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rathe allen, die unter uns das Theater aus aͤhn-
lichen Erzehlungen bereichern wollen, die Fa-
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Urſtoffe zuſammen zu halten. Wenn ſie die
Gabe zu abſtrahiren haben, ſo werden ihnen die
geringſten Veraͤnderungen, die dieſer gelitten,
und zum Theil leiden muͤſſen, lehrreich ſeyn,
und ihre Empfindung wird ſie auf manchen
Handgriff leiten, der ihrer bloßen Spekulation
wohl unentdeckt geblieben waͤre, den noch kein
Kritikus zur Regel generaliſiret hat, ob er es
ſchon verdiente, und der oͤfters mehr Wahrheit,
mehr Leben in ihr Stuͤck bringen wird, als alle
die mechaniſchen Geſetze, mit denen ſich kahle
Kunſtrichter herumſchlagen, und deren Beobach-
tung ſie lieber, dem Genie zum Trotze, zur ein-
zigen Quelle der Vollkommenheit eines Drama
machen moͤchten.
Ich will nur bey einer von dieſen Veraͤnde-
rungen ſtehen bleiben. Aber ich muß vorher
das Urtheil anfuͤhren, welches Franzoſen ſelbſt
uͤber das Stuͤck gefaͤllt haben. (*) Anfangs
aͤußern ſie ihre Zweifel gegen die Grundlage des
Marmontels. 〟Solimann der Zweyte, ſagen
ſie, war einer von den groͤßten Fuͤrſten ſeines
Jahrhunderts; die Tuͤrken haben keinen Kaiſer,
deſſen Andenken ihnen theurer waͤre, als dieſes
Solimanns; ſeine Siege, ſeine Talente und
Tu-
(*) Journal Encyclop. Janvier 1762.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/276>, abgerufen am 25.11.2024.
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