Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.viel gesagt, und, wenn mir diese chymische Metapher erlaubt ist, man darf nur von je- dem einige Tropfen in die Solution thun, um zu sehen, welches Acidum das stärkere ist und das andere zum Recipienten heraus- jagt. Doch da es Geschöpfe und Leser von allen Arten giebt, so müssen auch Schrift- steller -- aber Signor Conte, daß Sie als ein so aufgeklärter Kunstrichter: il nostro Poeta ha fatto quel uso di Shakespeare che Vir- gilio faceva di Ennio -- quo nunc se proripit ille? Virg. Noch ein Paar Worte übern Aristoteles. Die Schauspiele der Alten waren alle sehr rech- Anm. üb. Theat. D
viel geſagt, und, wenn mir dieſe chymiſche Metapher erlaubt iſt, man darf nur von je- dem einige Tropfen in die Solution thun, um zu ſehen, welches Acidum das ſtaͤrkere iſt und das andere zum Recipienten heraus- jagt. Doch da es Geſchoͤpfe und Leſer von allen Arten giebt, ſo muͤſſen auch Schrift- ſteller — aber Signor Conte, daß Sie als ein ſo aufgeklaͤrter Kunſtrichter: il noſtro Poeta ha fatto quel uſo di Shakeſpeare che Vir- gilio faceva di Ennio — quo nunc ſe proripit ille? Virg. Noch ein Paar Worte uͤbern Ariſtoteles. Die Schauſpiele der Alten waren alle ſehr rech- Anm. uͤb. Theat. D
<TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0055" n="49"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> viel geſagt, und, wenn mir dieſe chymiſche<lb/> Metapher erlaubt iſt, man darf nur von je-<lb/> dem einige Tropfen in die Solution thun,<lb/> um zu ſehen, welches Acidum das ſtaͤrkere<lb/> iſt und das andere zum Recipienten heraus-<lb/> jagt. Doch da es Geſchoͤpfe und Leſer von<lb/> allen Arten giebt, ſo muͤſſen auch Schrift-<lb/> ſteller — aber <hi rendition="#aq">Signor Conte,</hi> daß Sie als<lb/> ein ſo aufgeklaͤrter Kunſtrichter: <hi rendition="#aq">il noſtro<lb/> Poeta ha fatto quel uſo di Shakeſpeare che Vir-<lb/> gilio faceva di Ennio — quo nunc ſe proripit<lb/> ille?</hi></p><lb/> <closer> <signed> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#i">Virg.</hi> </hi> </signed> </closer> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div> <p><hi rendition="#in">N</hi>och ein Paar Worte uͤbern Ariſtoteles.<lb/> Daß er grade im Trauerſpiele, wo auf<lb/> die handelnden Perſonen alles ankommt, das<lb/> die Epopee dramatiſirt, heißen koͤnnte, den<lb/> Charakteren ſo wenig giebt, wundert mich,<lb/> koͤnnt’ ich nicht reimen, wenn ich nicht den<lb/> Grund davon tiefer faͤnde, in nichts weni-<lb/> ger als dem ἢϑος der Schauſpiele.</p><lb/> <p>Die Schauſpiele der Alten waren alle ſehr<lb/> religioͤs, und war dies wohl ein Wunder,<lb/> da ihr Urſprung Gottesdienſt war. Da<lb/> nun <hi rendition="#aq">fatum</hi> bey ihnen alles war, ſo glaub-<lb/> ten ſie eine Ruchloſigkeit zu begehen, wenn<lb/> ſie Begebenheiten aus den Charakteren be-<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Anm. uͤb. Theat.</hi> D</fw><fw place="bottom" type="catch">rech-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0055]
viel geſagt, und, wenn mir dieſe chymiſche
Metapher erlaubt iſt, man darf nur von je-
dem einige Tropfen in die Solution thun,
um zu ſehen, welches Acidum das ſtaͤrkere
iſt und das andere zum Recipienten heraus-
jagt. Doch da es Geſchoͤpfe und Leſer von
allen Arten giebt, ſo muͤſſen auch Schrift-
ſteller — aber Signor Conte, daß Sie als
ein ſo aufgeklaͤrter Kunſtrichter: il noſtro
Poeta ha fatto quel uſo di Shakeſpeare che Vir-
gilio faceva di Ennio — quo nunc ſe proripit
ille?
Virg.
Noch ein Paar Worte uͤbern Ariſtoteles.
Daß er grade im Trauerſpiele, wo auf
die handelnden Perſonen alles ankommt, das
die Epopee dramatiſirt, heißen koͤnnte, den
Charakteren ſo wenig giebt, wundert mich,
koͤnnt’ ich nicht reimen, wenn ich nicht den
Grund davon tiefer faͤnde, in nichts weni-
ger als dem ἢϑος der Schauſpiele.
Die Schauſpiele der Alten waren alle ſehr
religioͤs, und war dies wohl ein Wunder,
da ihr Urſprung Gottesdienſt war. Da
nun fatum bey ihnen alles war, ſo glaub-
ten ſie eine Ruchloſigkeit zu begehen, wenn
ſie Begebenheiten aus den Charakteren be-
rech-
Anm. uͤb. Theat. D
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |