Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.bewohnten Flecken dieses Planeten einen ge- wissen angebohrnen Sinn für diese Sprache der Götter zu haben. Was sie nun so rei- zend mache, daß zu allen Zeiten -- scheint meinem Bedünken nach nichts anders als die Nachahmung der Natur, das heißt al- ler der Dinge, die wir um uns herum sehen, hören etcetera, die durch die fünf Thore un- srer Seele in dieselbe hineindringen, und nach Maßgabe des Raums stärkere oder schwächere Besatzung von Begriffen hinein- legen, die denn anfangen in dieser Stadt zu leben und zu weben, sich zu einander gesellen, unter gewisse Hauptbegriffe stellen, oder auch Zeitlebens ohne Anführer, Com- mando und Ordnung herumschwärmen, wie solches Bunian in seinem heiligen Kriege gar schön beschrieben hat. Wie besoffene Soldaten oft auf ihrem Posten einschlafen, zu unrechter Zeit wieder aufwachen etcetera, wie man denn Beyspiele davon in allen vier Welttheilen antrift. Doch bald geb ich selbst ein solches ab -- ich finde mich wieder zu- recht, ich machte die Anmerkung, das We- sen der Poesie sey Nachahmung und was dies für Reiz für uns habe -- Wir sind, m. H. oder wollen wenigstens seyn, die erste Sprosse auf der Leiter der freyhandelnden selbstständigen Geschöpfe, und da wir eine Welt hie da um uns sehen, die der Be- weiß
bewohnten Flecken dieſes Planeten einen ge- wiſſen angebohrnen Sinn fuͤr dieſe Sprache der Goͤtter zu haben. Was ſie nun ſo rei- zend mache, daß zu allen Zeiten — ſcheint meinem Beduͤnken nach nichts anders als die Nachahmung der Natur, das heißt al- ler der Dinge, die wir um uns herum ſehen, hoͤren etcetera, die durch die fuͤnf Thore un- ſrer Seele in dieſelbe hineindringen, und nach Maßgabe des Raums ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere Beſatzung von Begriffen hinein- legen, die denn anfangen in dieſer Stadt zu leben und zu weben, ſich zu einander geſellen, unter gewiſſe Hauptbegriffe ſtellen, oder auch Zeitlebens ohne Anfuͤhrer, Com- mando und Ordnung herumſchwaͤrmen, wie ſolches Bunian in ſeinem heiligen Kriege gar ſchoͤn beſchrieben hat. Wie beſoffene Soldaten oft auf ihrem Poſten einſchlafen, zu unrechter Zeit wieder aufwachen etcetera, wie man denn Beyſpiele davon in allen vier Welttheilen antrift. Doch bald geb ich ſelbſt ein ſolches ab — ich finde mich wieder zu- recht, ich machte die Anmerkung, das We- ſen der Poeſie ſey Nachahmung und was dies fuͤr Reiz fuͤr uns habe — Wir ſind, m. H. oder wollen wenigſtens ſeyn, die erſte Sproſſe auf der Leiter der freyhandelnden ſelbſtſtaͤndigen Geſchoͤpfe, und da wir eine Welt hie da um uns ſehen, die der Be- weiß
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bewohnten Flecken dieſes Planeten einen ge-
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der Goͤtter zu haben. Was ſie nun ſo rei-
zend mache, daß zu allen Zeiten — ſcheint
meinem Beduͤnken nach nichts anders als
die Nachahmung der Natur, das heißt al-
ler der Dinge, die wir um uns herum ſehen,
hoͤren etcetera, die durch die fuͤnf Thore un-
ſrer Seele in dieſelbe hineindringen, und
nach Maßgabe des Raums ſtaͤrkere oder
ſchwaͤchere Beſatzung von Begriffen hinein-
legen, die denn anfangen in dieſer Stadt
zu leben und zu weben, ſich zu einander
geſellen, unter gewiſſe Hauptbegriffe ſtellen,
oder auch Zeitlebens ohne Anfuͤhrer, Com-
mando und Ordnung herumſchwaͤrmen, wie
ſolches Bunian in ſeinem heiligen Kriege
gar ſchoͤn beſchrieben hat. Wie beſoffene
Soldaten oft auf ihrem Poſten einſchlafen,
zu unrechter Zeit wieder aufwachen etcetera,
wie man denn Beyſpiele davon in allen vier
Welttheilen antrift. Doch bald geb ich ſelbſt
ein ſolches ab — ich finde mich wieder zu-
recht, ich machte die Anmerkung, das We-
ſen der Poeſie ſey Nachahmung und was
dies fuͤr Reiz fuͤr uns habe — Wir ſind, m.
H. oder wollen wenigſtens ſeyn, die erſte
Sproſſe auf der Leiter der freyhandelnden
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