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Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

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33. Nur wäre zwar freylich hierunter ein grosser Unterscheid zu
machen, mithin was durchgehends in Schrifften und Reden wackerer
Leute üblich, von den Kunst- und Land-Worten, auch fremden und
veralteten zu unterscheiden. Ander Manchfeltigkeiten des gebräuch-
lichen selbst anietzo zu geschweigen, wären derowegen besondere
Wercke nöthig, nehmlich ein eigen Buch vor durchgehende Worte, ein
anders vor Kunst-Worte, und letzlich eines vor alte und Land-Worte,
und solche Dinge, so zu Untersuchung des Ursprungs und Grundes
dienen, deren erstes man Sprachbrauch, auff Lateinisch Lexicon; das
andere Sprach-Schatz oder cornu copiae; das dritte Glossarium oder
Sprachquell nennen möchte.

34. Es ist zwar auch an dem, und verstehet sich von selbsten,
dass die wenigsten derer so an Verbesserung der Sprache arbeiten
wolten, sich des Alt-Fränckischen und des ausser Teutschland in
Norden und Westen gleichsam walfahrenden Teutschen Sprach-Restes,
so wenig als der Wayd-Sprüche der Künstler und Handwercker und
der Landworte des gemeinen Mannes, anzunehmen haben würden. Weil
solches vor eine gewisse Art der Gelehrten und Liebhaber allein gehöret.

35. Alleine es gehöret doch gleichwol dieses alles zur vollkommenen
Ausarbeitung der Sprache, und muss man bekennen, dass die Frantzosen
hierinn glücklich, indem sie mit allen drey oberwehnten Wercken,
so ziemlich in ihrer Sprache nunmehr versehen, indem die so genandte
Frantzösische Academie nicht allein ihr lang versprochenes Haupt-Buch
der läuffigen Worte heraus gegeben, sondern auch was vor die
Künste gehöret, vom Furetiere angefangen, und von einem andern
Glied der Academie fortgesetzet worden. Und ob schon darinn aus
dermassen viel Fehler und Mängel, so ist doch auch sehr viel Gutes
darunter enthalten. Diesem ist das herrliche Werck des hochgelehrten
Menage, wie es nun vermehret, beyzufügen, welcher den Ursprung
der Worte untersucht, und also auch das Veraltete, auch zu Zeiten
das Bäurische, herbey gezogen.

36. Es ist bekandt, dass die Italiänische Sprach-Gesellschafft, die
sich von der Crusca genennet, bald Anfangs auf ein Wörter-Buch
bedacht gewesen. Und als der Cardinal Richelieu, die Frantzösische
Academie aufgerichtet, hat er ihr auch sofort ein solches zur

33. Nur wäre zwar freylich hierunter ein grosser Unterscheid zu
machen, mithin was durchgehends in Schrifften und Reden wackerer
Leute üblich, von den Kunst- und Land-Worten, auch fremden und
veralteten zu unterscheiden. Ander Manchfeltigkeiten des gebräuch-
lichen selbst anietzo zu geschweigen, wären derowegen besondere
Wercke nöthig, nehmlich ein eigen Buch vor durchgehende Worte, ein
anders vor Kunst-Worte, und letzlich eines vor alte und Land-Worte,
und solche Dinge, so zu Untersuchung des Ursprungs und Grundes
dienen, deren erstes man Sprachbrauch, auff Lateinisch Lexicon; das
andere Sprach-Schatz oder cornu copiae; das dritte Glossarium oder
Sprachquell nennen möchte.

34. Es ist zwar auch an dem, und verstehet sich von selbsten,
dass die wenigsten derer so an Verbesserung der Sprache arbeiten
wolten, sich des Alt-Fränckischen und des ausser Teutschland in
Norden und Westen gleichsam walfahrenden Teutschen Sprach-Restes,
so wenig als der Wayd-Sprüche der Künstler und Handwercker und
der Landworte des gemeinen Mannes, anzunehmen haben würden. Weil
solches vor eine gewisse Art der Gelehrten und Liebhaber allein gehöret.

35. Alleine es gehöret doch gleichwol dieses alles zur vollkommenen
Ausarbeitung der Sprache, und muss man bekennen, dass die Frantzosen
hierinn glücklich, indem sie mit allen drey oberwehnten Wercken,
so ziemlich in ihrer Sprache nunmehr versehen, indem die so genandte
Frantzösische Academie nicht allein ihr lang versprochenes Haupt-Buch
der läuffigen Worte heraus gegeben, sondern auch was vor die
Künste gehöret, vom Furetiere angefangen, und von einem andern
Glied der Academie fortgesetzet worden. Und ob schon darinn aus
dermassen viel Fehler und Mängel, so ist doch auch sehr viel Gutes
darunter enthalten. Diesem ist das herrliche Werck des hochgelehrten
Menage, wie es nun vermehret, beyzufügen, welcher den Ursprung
der Worte untersucht, und also auch das Veraltete, auch zu Zeiten
das Bäurische, herbey gezogen.

36. Es ist bekandt, dass die Italiänische Sprach-Gesellschafft, die
sich von der Crusca genennet, bald Anfangs auf ein Wörter-Buch
bedacht gewesen. Und als der Cardinal Richelieu, die Frantzösische
Academie aufgerichtet, hat er ihr auch sofort ein solches zur

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[337/0011] 33. Nur wäre zwar freylich hierunter ein grosser Unterscheid zu machen, mithin was durchgehends in Schrifften und Reden wackerer Leute üblich, von den Kunst- und Land-Worten, auch fremden und veralteten zu unterscheiden. Ander Manchfeltigkeiten des gebräuch- lichen selbst anietzo zu geschweigen, wären derowegen besondere Wercke nöthig, nehmlich ein eigen Buch vor durchgehende Worte, ein anders vor Kunst-Worte, und letzlich eines vor alte und Land-Worte, und solche Dinge, so zu Untersuchung des Ursprungs und Grundes dienen, deren erstes man Sprachbrauch, auff Lateinisch Lexicon; das andere Sprach-Schatz oder cornu copiae; das dritte Glossarium oder Sprachquell nennen möchte. 34. Es ist zwar auch an dem, und verstehet sich von selbsten, dass die wenigsten derer so an Verbesserung der Sprache arbeiten wolten, sich des Alt-Fränckischen und des ausser Teutschland in Norden und Westen gleichsam walfahrenden Teutschen Sprach-Restes, so wenig als der Wayd-Sprüche der Künstler und Handwercker und der Landworte des gemeinen Mannes, anzunehmen haben würden. Weil solches vor eine gewisse Art der Gelehrten und Liebhaber allein gehöret. 35. Alleine es gehöret doch gleichwol dieses alles zur vollkommenen Ausarbeitung der Sprache, und muss man bekennen, dass die Frantzosen hierinn glücklich, indem sie mit allen drey oberwehnten Wercken, so ziemlich in ihrer Sprache nunmehr versehen, indem die so genandte Frantzösische Academie nicht allein ihr lang versprochenes Haupt-Buch der läuffigen Worte heraus gegeben, sondern auch was vor die Künste gehöret, vom Furetiere angefangen, und von einem andern Glied der Academie fortgesetzet worden. Und ob schon darinn aus dermassen viel Fehler und Mängel, so ist doch auch sehr viel Gutes darunter enthalten. Diesem ist das herrliche Werck des hochgelehrten Menage, wie es nun vermehret, beyzufügen, welcher den Ursprung der Worte untersucht, und also auch das Veraltete, auch zu Zeiten das Bäurische, herbey gezogen. 36. Es ist bekandt, dass die Italiänische Sprach-Gesellschafft, die sich von der Crusca genennet, bald Anfangs auf ein Wörter-Buch bedacht gewesen. Und als der Cardinal Richelieu, die Frantzösische Academie aufgerichtet, hat er ihr auch sofort ein solches zur

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-10-05T14:54:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-10-05T14:54:07Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (?): als s transkribiert
  • Vollständigkeit: teilweise erfasst

Die Transkription beruht auf dem Abdruck in Pietsch, Paul (Hg.): Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

Pietsch stützte sich vor allem auf den Druck von 1717, zog für die Textherstellung aber auch die drei Handschriften A, B, C, alle in Hannover,heran. Der abweichende Schluß der ältesten Handschrift A wird unten in den Paragraphen A114 bis A119 wiedergegeben. Digitale Fassung bearbeitet von Thomas Gloning, Stand 22.7.2000. Korrekturhinweis 20.9.2013: hospes korr. zu hostes (freundlicher Hinweis von Dieter Maue). In A118, Z. 2 wurde "uach" zu "auch" korrigiert, in A119,4 "vermitttelst" zu "vermittelst" (Druckfehler).




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Zitationshilfe: Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356, hier S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717/11>, abgerufen am 29.03.2024.