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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.
nehmen, und durch Canäle sollte der Abfluss dieser Wassermassen in
einer Weise, welche dem Panama-Canale nicht mehr gefährlich ge-
wesen wäre, geregelt werden. Das Materiale für diesen Riesendamm
wollte man aus den Durchstichen im Gebirge gewinnen. Allein bald
erkannte man die Unmöglichkeit der praktischen Durchführung und
musste sich entschliessen, alle Gewässer in eigens zu erbauenden
Abflüssen, also in neu zu grabenden Canälen von dem Schiffahrts-
canale fern zu halten.

Die weiteren schwierigen Objecte bilden die Hafenanlagen in
Panama und Aspinwall. Die Küste ist sowohl am Atlantischen wie
am Grossen Oceane eine äusserst flache, seichte Mangroveküste,
welche Hafenanlagen von vorneherein ausschliesst. Deshalb hat man
schon Aspinwall seinerzeit auf der Insel Manzanillo angelegt, und hat
auch Lesseps auf der Südseite, also in Panama, die 7 km dem Fest-
lande vorgelagerte Insel Flamenco als Hafenstation in Aussicht ge-
nommen.

An beiden Plätzen müssen indes noch grossartige Baggerungen
und Hafenanlagen ausgeführt werden, sollen diese Häfen imstande
sein, dem Weltverkehre zu dienen. In Aspinwall soll ein grosser
Wellenbrecher, in Panama eine sogenannte Flutdocke gebaut werden.
Diese Flutdocke stellte sich aus physikalisch-geographischen Gründen
als dringende Nothwendigkeit heraus.

Die Flutbewegung ist nämlich in den beiden Meeren eine höchst
verschiedene. Im Grossen Oceane bei Panama erreicht sie eine Höhe
von 5--6 m, im Atlantischen nur die Höhe von 1/2 m, ausserdem tritt
sie bei Aspinwall um neun Stunden später ein als in Panama. Auf
diese Weise würde im Canale eine Strömung entstehen, welche dem
Bauwerke selbst gefährlich werden müsste. Zu dem Behufe plante
man eben an der Südseite besagte Flutdocke, d. i. ein grosses Bassin
mit drei Schleussenthoren (eines für die einfahrenden, eines für die
ausfahrenden Schiffe und eines für die Reserve), welches das Ein-
dringen der Flut in den Canal verhindern und das Niveau des Wassers
stets in gleicher Höhe erhalten würde. Lesseps berechnet diese An-
lagen bei Panama allein auf 20 Millionen Francs.

Es genügen wohl diese kurzen Angaben, um sich vollständig
klar zu sein, welche Riesenaufgaben dem Ingenieure hier gestellt
sind.

Lesseps schätzte die zu bewegenden und auszuhebenden Erd-
massen auf 73 Millionen Cubikmeter. Davon entfallen ober der
Erde:


Die atlantische Küste von Amerika.
nehmen, und durch Canäle sollte der Abfluss dieser Wassermassen in
einer Weise, welche dem Panama-Canale nicht mehr gefährlich ge-
wesen wäre, geregelt werden. Das Materiale für diesen Riesendamm
wollte man aus den Durchstichen im Gebirge gewinnen. Allein bald
erkannte man die Unmöglichkeit der praktischen Durchführung und
musste sich entschliessen, alle Gewässer in eigens zu erbauenden
Abflüssen, also in neu zu grabenden Canälen von dem Schiffahrts-
canale fern zu halten.

Die weiteren schwierigen Objecte bilden die Hafenanlagen in
Panama und Aspinwall. Die Küste ist sowohl am Atlantischen wie
am Grossen Oceane eine äusserst flache, seichte Mangroveküste,
welche Hafenanlagen von vorneherein ausschliesst. Deshalb hat man
schon Aspinwall seinerzeit auf der Insel Manzanillo angelegt, und hat
auch Lesseps auf der Südseite, also in Panama, die 7 km dem Fest-
lande vorgelagerte Insel Flamenco als Hafenstation in Aussicht ge-
nommen.

An beiden Plätzen müssen indes noch grossartige Baggerungen
und Hafenanlagen ausgeführt werden, sollen diese Häfen imstande
sein, dem Weltverkehre zu dienen. In Aspinwall soll ein grosser
Wellenbrecher, in Panama eine sogenannte Flutdocke gebaut werden.
Diese Flutdocke stellte sich aus physikalisch-geographischen Gründen
als dringende Nothwendigkeit heraus.

Die Flutbewegung ist nämlich in den beiden Meeren eine höchst
verschiedene. Im Grossen Oceane bei Panama erreicht sie eine Höhe
von 5—6 m, im Atlantischen nur die Höhe von ½ m, ausserdem tritt
sie bei Aspinwall um neun Stunden später ein als in Panama. Auf
diese Weise würde im Canale eine Strömung entstehen, welche dem
Bauwerke selbst gefährlich werden müsste. Zu dem Behufe plante
man eben an der Südseite besagte Flutdocke, d. i. ein grosses Bassin
mit drei Schleussenthoren (eines für die einfahrenden, eines für die
ausfahrenden Schiffe und eines für die Reserve), welches das Ein-
dringen der Flut in den Canal verhindern und das Niveau des Wassers
stets in gleicher Höhe erhalten würde. Lesseps berechnet diese An-
lagen bei Panama allein auf 20 Millionen Francs.

Es genügen wohl diese kurzen Angaben, um sich vollständig
klar zu sein, welche Riesenaufgaben dem Ingenieure hier gestellt
sind.

Lesseps schätzte die zu bewegenden und auszuhebenden Erd-
massen auf 73 Millionen Cubikmeter. Davon entfallen ober der
Erde:


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[226/0242] Die atlantische Küste von Amerika. nehmen, und durch Canäle sollte der Abfluss dieser Wassermassen in einer Weise, welche dem Panama-Canale nicht mehr gefährlich ge- wesen wäre, geregelt werden. Das Materiale für diesen Riesendamm wollte man aus den Durchstichen im Gebirge gewinnen. Allein bald erkannte man die Unmöglichkeit der praktischen Durchführung und musste sich entschliessen, alle Gewässer in eigens zu erbauenden Abflüssen, also in neu zu grabenden Canälen von dem Schiffahrts- canale fern zu halten. Die weiteren schwierigen Objecte bilden die Hafenanlagen in Panama und Aspinwall. Die Küste ist sowohl am Atlantischen wie am Grossen Oceane eine äusserst flache, seichte Mangroveküste, welche Hafenanlagen von vorneherein ausschliesst. Deshalb hat man schon Aspinwall seinerzeit auf der Insel Manzanillo angelegt, und hat auch Lesseps auf der Südseite, also in Panama, die 7 km dem Fest- lande vorgelagerte Insel Flamenco als Hafenstation in Aussicht ge- nommen. An beiden Plätzen müssen indes noch grossartige Baggerungen und Hafenanlagen ausgeführt werden, sollen diese Häfen imstande sein, dem Weltverkehre zu dienen. In Aspinwall soll ein grosser Wellenbrecher, in Panama eine sogenannte Flutdocke gebaut werden. Diese Flutdocke stellte sich aus physikalisch-geographischen Gründen als dringende Nothwendigkeit heraus. Die Flutbewegung ist nämlich in den beiden Meeren eine höchst verschiedene. Im Grossen Oceane bei Panama erreicht sie eine Höhe von 5—6 m, im Atlantischen nur die Höhe von ½ m, ausserdem tritt sie bei Aspinwall um neun Stunden später ein als in Panama. Auf diese Weise würde im Canale eine Strömung entstehen, welche dem Bauwerke selbst gefährlich werden müsste. Zu dem Behufe plante man eben an der Südseite besagte Flutdocke, d. i. ein grosses Bassin mit drei Schleussenthoren (eines für die einfahrenden, eines für die ausfahrenden Schiffe und eines für die Reserve), welches das Ein- dringen der Flut in den Canal verhindern und das Niveau des Wassers stets in gleicher Höhe erhalten würde. Lesseps berechnet diese An- lagen bei Panama allein auf 20 Millionen Francs. Es genügen wohl diese kurzen Angaben, um sich vollständig klar zu sein, welche Riesenaufgaben dem Ingenieure hier gestellt sind. Lesseps schätzte die zu bewegenden und auszuhebenden Erd- massen auf 73 Millionen Cubikmeter. Davon entfallen ober der Erde:

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/242>, abgerufen am 30.04.2024.