fünf Ausweichestellen mit doppelter Breite auf je 1000 m haben. Es sollte ein schleussenfreier, also im Niveau der beiden Meere ange- legter offener Schifffahrtscanal sein.
Die Hauptschwierigkeiten dieser Riesenarbeit waren vom An- fange an vier: die Durchstechung des Scheidegebirges, die Bewälti- gung der Bergwässer, die Anlage guter Häfen in Panama und Aspin- wall und das Klima.
Was den ersten Punkt anbelangt, so genügt es zu sagen, dass ein Durchstich gemacht werden muss, welcher auf die Länge von 1 km über 90 m Tiefe hat und weitere Kilometer lange Durchstiche von einer Höhe zwischen 20--50 m. Dagegen waren die Einschnitte am Suez-Canale, deren tiefster 28 m beträgt, Kinderspiel. Das Ge- stein am Panama-Canale hielt man nach den ersten Untersuchungen, die freilich viel zu flüchtig vorgenommen wurden, für selbsttragend, bestehend aus festen Conglomeraten, Trachyt, aber auch aus Schiefer, so dass spätere Rutschungen nicht wahrscheinlich erschienen. Allein bei dem Fortschritte der Arbeiten zeigte sich, dass das ganze vul- canische Gebirge durch zerfliessende Thone unterbrochen und durch- setzt ist, also vielfach als Rutschterrain behandelt werden müsse, was vor Allem zur Erbauung ganz enorm geneigter Böschungen zwingt.
Die zweite Schwierigkeit, die Bewältigung der Wässer des Rio Chagres, Obsipo und Rio Grande, gilt für die bedeutendste. Diese Flüsse, an sich klein, steigen während der Regenzeit, welche 3000 mm Wasser *) bringt, um 12--13 m.
Diese Hochwässer, und noch mehr die Schuttmassen, welche die Wogen der wilden Bergströme mitwälzen, bilden eine ewige Ge- fahr für die Existenz des Canales, der nun einmal aus dem Profile des Flusses nicht verlegt werden kann. Er wäre jedes Jahr verschlammt, wenn nicht Vorsorge getroffen würde.
Diese sollte auf folgende Weise getroffen werden: Da, wo der Chagres mit dem Obsipo vereinigt das Gebirge verlässt, um in die Küstenebenen einzutreten, bilden Hügel eine kolossale Mulde. Diese Mulde sollte nun durch einen Damm, welcher an der Sohle 1000 m, oben 1600 m lang und 40 m hoch ist, abgemauert werden, so dass ein Bassin, ähnlich wie die Gileppe bei Verviers in Belgien, ent- standen wäre. Dieses Bassin, einigemale so gross als der Genfer-See, sollte 600 Millionen Cubikmeter Wasser und Massen von Schutt auf-
*) Wien hat 574 mm Regen.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 29
Der Panama-Canal.
fünf Ausweichestellen mit doppelter Breite auf je 1000 m haben. Es sollte ein schleussenfreier, also im Niveau der beiden Meere ange- legter offener Schifffahrtscanal sein.
Die Hauptschwierigkeiten dieser Riesenarbeit waren vom An- fange an vier: die Durchstechung des Scheidegebirges, die Bewälti- gung der Bergwässer, die Anlage guter Häfen in Panama und Aspin- wall und das Klima.
Was den ersten Punkt anbelangt, so genügt es zu sagen, dass ein Durchstich gemacht werden muss, welcher auf die Länge von 1 km über 90 m Tiefe hat und weitere Kilometer lange Durchstiche von einer Höhe zwischen 20—50 m. Dagegen waren die Einschnitte am Suez-Canale, deren tiefster 28 m beträgt, Kinderspiel. Das Ge- stein am Panama-Canale hielt man nach den ersten Untersuchungen, die freilich viel zu flüchtig vorgenommen wurden, für selbsttragend, bestehend aus festen Conglomeraten, Trachyt, aber auch aus Schiefer, so dass spätere Rutschungen nicht wahrscheinlich erschienen. Allein bei dem Fortschritte der Arbeiten zeigte sich, dass das ganze vul- canische Gebirge durch zerfliessende Thone unterbrochen und durch- setzt ist, also vielfach als Rutschterrain behandelt werden müsse, was vor Allem zur Erbauung ganz enorm geneigter Böschungen zwingt.
Die zweite Schwierigkeit, die Bewältigung der Wässer des Rio Chagres, Obsipo und Rio Grande, gilt für die bedeutendste. Diese Flüsse, an sich klein, steigen während der Regenzeit, welche 3000 mm Wasser *) bringt, um 12—13 m.
Diese Hochwässer, und noch mehr die Schuttmassen, welche die Wogen der wilden Bergströme mitwälzen, bilden eine ewige Ge- fahr für die Existenz des Canales, der nun einmal aus dem Profile des Flusses nicht verlegt werden kann. Er wäre jedes Jahr verschlammt, wenn nicht Vorsorge getroffen würde.
Diese sollte auf folgende Weise getroffen werden: Da, wo der Chagres mit dem Obsipo vereinigt das Gebirge verlässt, um in die Küstenebenen einzutreten, bilden Hügel eine kolossale Mulde. Diese Mulde sollte nun durch einen Damm, welcher an der Sohle 1000 m, oben 1600 m lang und 40 m hoch ist, abgemauert werden, so dass ein Bassin, ähnlich wie die Gileppe bei Verviers in Belgien, ent- standen wäre. Dieses Bassin, einigemale so gross als der Genfer-See, sollte 600 Millionen Cubikmeter Wasser und Massen von Schutt auf-
*) Wien hat 574 mm Regen.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 29
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Der Panama-Canal.
fünf Ausweichestellen mit doppelter Breite auf je 1000 m haben. Es
sollte ein schleussenfreier, also im Niveau der beiden Meere ange-
legter offener Schifffahrtscanal sein.
Die Hauptschwierigkeiten dieser Riesenarbeit waren vom An-
fange an vier: die Durchstechung des Scheidegebirges, die Bewälti-
gung der Bergwässer, die Anlage guter Häfen in Panama und Aspin-
wall und das Klima.
Was den ersten Punkt anbelangt, so genügt es zu sagen, dass
ein Durchstich gemacht werden muss, welcher auf die Länge von
1 km über 90 m Tiefe hat und weitere Kilometer lange Durchstiche
von einer Höhe zwischen 20—50 m. Dagegen waren die Einschnitte
am Suez-Canale, deren tiefster 28 m beträgt, Kinderspiel. Das Ge-
stein am Panama-Canale hielt man nach den ersten Untersuchungen,
die freilich viel zu flüchtig vorgenommen wurden, für selbsttragend,
bestehend aus festen Conglomeraten, Trachyt, aber auch aus Schiefer,
so dass spätere Rutschungen nicht wahrscheinlich erschienen. Allein
bei dem Fortschritte der Arbeiten zeigte sich, dass das ganze vul-
canische Gebirge durch zerfliessende Thone unterbrochen und durch-
setzt ist, also vielfach als Rutschterrain behandelt werden müsse,
was vor Allem zur Erbauung ganz enorm geneigter Böschungen
zwingt.
Die zweite Schwierigkeit, die Bewältigung der Wässer des
Rio Chagres, Obsipo und Rio Grande, gilt für die bedeutendste. Diese
Flüsse, an sich klein, steigen während der Regenzeit, welche 3000 mm
Wasser *) bringt, um 12—13 m.
Diese Hochwässer, und noch mehr die Schuttmassen, welche
die Wogen der wilden Bergströme mitwälzen, bilden eine ewige Ge-
fahr für die Existenz des Canales, der nun einmal aus dem Profile des
Flusses nicht verlegt werden kann. Er wäre jedes Jahr verschlammt,
wenn nicht Vorsorge getroffen würde.
Diese sollte auf folgende Weise getroffen werden: Da, wo der
Chagres mit dem Obsipo vereinigt das Gebirge verlässt, um in die
Küstenebenen einzutreten, bilden Hügel eine kolossale Mulde. Diese
Mulde sollte nun durch einen Damm, welcher an der Sohle 1000 m,
oben 1600 m lang und 40 m hoch ist, abgemauert werden, so dass
ein Bassin, ähnlich wie die Gileppe bei Verviers in Belgien, ent-
standen wäre. Dieses Bassin, einigemale so gross als der Genfer-See,
sollte 600 Millionen Cubikmeter Wasser und Massen von Schutt auf-
*) Wien hat 574 mm Regen.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. II. Band. 29
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/241>, abgerufen am 24.11.2024.
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