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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.
betritt. Die Strassen, zwar breit und gerade, sind schmutzig und
ungepflastert, die Canalisation lässt Alles zu wünschen übrig. Zahl-
reiche Ruinen von einst prachtvollen Herrenhäusern geben Zeugniss
von der vandalischen Zerstörungswuth, mit welcher hier im Namen
der Freiheit gehaust wurde, und von der kläglichen Unfähigkeit und
Indolenz der nachgekommenen Geschlechter. Mit Ausnahme des Senats-
hauses, eines massigen, aber unschönen Baues, des seinerzeit von den
Engländern erbauten Palastes des Präsidenten hinter dem Marsfelde
(Place d'armes) und der Statue Petion's auf diesem Platze, dann der
Wasserleitung fällt keine der Baulichkeiten besonders auf. Die meisten
Häuser sind ein-, höchstens zweistöckig und wegen der häufig vor-
kommenden Erdbeben zumeist aus Holz gebaut. Erwähnenswerth
sind nur noch die katholische Kirche, das Arsenal, das Gefängniss
und das Militärspital, letztere beide vielleicht auch wegen der wahr-
haft horrenden Zustände, welche in ihnen herrschen.

Port au Prince besitzt wenige schöne mit Bäumen bepflanzte
Plätze. Auf der bereits erwähnten Place d'armes sollte eine Ruhmes-
halle erbaut werden; der Bau kam aber nicht über den Sockel hinaus
und ist nun der Verwitterung preisgegeben.

Port au Prince ist der Sitz der Centralbehörden der Republik,
eines Handelstribunales, eines Bischofs und einer Hauptfiliale der "Bank
von Haiti", welche ihren Sitz in Paris hat und die Aufgabe über-
nommen hat, die trostlos zerrütteten Finanzen des Staates zu regeln.

Die Stadt, deren Einwohnerzahl mit 61.000 angegeben wird,
besitzt überdies mehrere Unterrichtsanstalten, deren Leistungen aller-
dings einen europäischen Massstab nicht vertragen.

Die gewerbliche Thätigkeit ist unbedeutend; der Handel, zwar
noch immer lebhaft, ist nur mehr ein Schatten des früheren.

Das ist natürlich, denn 1790 hatte die Gesammtausfuhr Haitis einen
Werth von 74 Millionen Gourdes, 1888/89 von 12 Millionen Gourdes, 1887/88 von
13·2 Millionen Gourdes.

Davon entfielen 1887/88 auf Port au Prince 4,277.108 Gourdes, während
sich die Einfuhr auf 2,905.729 Gourdes belief.

Der Stapelartikel Haitis ist noch immer Kaffee; von diesem wurden
1887/88 über unseren Hafen 92.377 q meist nach Havre und mindere Sorten direct
nach Hamburg ausgeführt.

Der zweite Ausfuhrartikel Haitis ist Blauholz, in welchem aber Port au
Prince keine Rolle spielt. Zu nennen ist noch Cacao 1887/88 mit 155.131 kg.

Der Schiffsverkehr umfasste 1889 282 Dampfer mit 483.242 t und
102 Segelschiffe mit 28.380 t, zusammen 384 Schiffe mit 511.622 t, 1888 484 Schiffe
mit 563.808 t.


Die atlantische Küste von Amerika.
betritt. Die Strassen, zwar breit und gerade, sind schmutzig und
ungepflastert, die Canalisation lässt Alles zu wünschen übrig. Zahl-
reiche Ruinen von einst prachtvollen Herrenhäusern geben Zeugniss
von der vandalischen Zerstörungswuth, mit welcher hier im Namen
der Freiheit gehaust wurde, und von der kläglichen Unfähigkeit und
Indolenz der nachgekommenen Geschlechter. Mit Ausnahme des Senats-
hauses, eines massigen, aber unschönen Baues, des seinerzeit von den
Engländern erbauten Palastes des Präsidenten hinter dem Marsfelde
(Place d’armes) und der Statue Pétion’s auf diesem Platze, dann der
Wasserleitung fällt keine der Baulichkeiten besonders auf. Die meisten
Häuser sind ein-, höchstens zweistöckig und wegen der häufig vor-
kommenden Erdbeben zumeist aus Holz gebaut. Erwähnenswerth
sind nur noch die katholische Kirche, das Arsenal, das Gefängniss
und das Militärspital, letztere beide vielleicht auch wegen der wahr-
haft horrenden Zustände, welche in ihnen herrschen.

Port au Prince besitzt wenige schöne mit Bäumen bepflanzte
Plätze. Auf der bereits erwähnten Place d’armes sollte eine Ruhmes-
halle erbaut werden; der Bau kam aber nicht über den Sockel hinaus
und ist nun der Verwitterung preisgegeben.

Port au Prince ist der Sitz der Centralbehörden der Republik,
eines Handelstribunales, eines Bischofs und einer Hauptfiliale der „Bank
von Haïti“, welche ihren Sitz in Paris hat und die Aufgabe über-
nommen hat, die trostlos zerrütteten Finanzen des Staates zu regeln.

Die Stadt, deren Einwohnerzahl mit 61.000 angegeben wird,
besitzt überdies mehrere Unterrichtsanstalten, deren Leistungen aller-
dings einen europäischen Massstab nicht vertragen.

Die gewerbliche Thätigkeit ist unbedeutend; der Handel, zwar
noch immer lebhaft, ist nur mehr ein Schatten des früheren.

Das ist natürlich, denn 1790 hatte die Gesammtausfuhr Haïtis einen
Werth von 74 Millionen Gourdes, 1888/89 von 12 Millionen Gourdes, 1887/88 von
13·2 Millionen Gourdes.

Davon entfielen 1887/88 auf Port au Prince 4,277.108 Gourdes, während
sich die Einfuhr auf 2,905.729 Gourdes belief.

Der Stapelartikel Haïtis ist noch immer Kaffee; von diesem wurden
1887/88 über unseren Hafen 92.377 q meist nach Hâvre und mindere Sorten direct
nach Hamburg ausgeführt.

Der zweite Ausfuhrartikel Haïtis ist Blauholz, in welchem aber Port au
Prince keine Rolle spielt. Zu nennen ist noch Cacao 1887/88 mit 155.131 kg.

Der Schiffsverkehr umfasste 1889 282 Dampfer mit 483.242 t und
102 Segelschiffe mit 28.380 t, zusammen 384 Schiffe mit 511.622 t, 1888 484 Schiffe
mit 563.808 t.


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[198/0214] Die atlantische Küste von Amerika. betritt. Die Strassen, zwar breit und gerade, sind schmutzig und ungepflastert, die Canalisation lässt Alles zu wünschen übrig. Zahl- reiche Ruinen von einst prachtvollen Herrenhäusern geben Zeugniss von der vandalischen Zerstörungswuth, mit welcher hier im Namen der Freiheit gehaust wurde, und von der kläglichen Unfähigkeit und Indolenz der nachgekommenen Geschlechter. Mit Ausnahme des Senats- hauses, eines massigen, aber unschönen Baues, des seinerzeit von den Engländern erbauten Palastes des Präsidenten hinter dem Marsfelde (Place d’armes) und der Statue Pétion’s auf diesem Platze, dann der Wasserleitung fällt keine der Baulichkeiten besonders auf. Die meisten Häuser sind ein-, höchstens zweistöckig und wegen der häufig vor- kommenden Erdbeben zumeist aus Holz gebaut. Erwähnenswerth sind nur noch die katholische Kirche, das Arsenal, das Gefängniss und das Militärspital, letztere beide vielleicht auch wegen der wahr- haft horrenden Zustände, welche in ihnen herrschen. Port au Prince besitzt wenige schöne mit Bäumen bepflanzte Plätze. Auf der bereits erwähnten Place d’armes sollte eine Ruhmes- halle erbaut werden; der Bau kam aber nicht über den Sockel hinaus und ist nun der Verwitterung preisgegeben. Port au Prince ist der Sitz der Centralbehörden der Republik, eines Handelstribunales, eines Bischofs und einer Hauptfiliale der „Bank von Haïti“, welche ihren Sitz in Paris hat und die Aufgabe über- nommen hat, die trostlos zerrütteten Finanzen des Staates zu regeln. Die Stadt, deren Einwohnerzahl mit 61.000 angegeben wird, besitzt überdies mehrere Unterrichtsanstalten, deren Leistungen aller- dings einen europäischen Massstab nicht vertragen. Die gewerbliche Thätigkeit ist unbedeutend; der Handel, zwar noch immer lebhaft, ist nur mehr ein Schatten des früheren. Das ist natürlich, denn 1790 hatte die Gesammtausfuhr Haïtis einen Werth von 74 Millionen Gourdes, 1888/89 von 12 Millionen Gourdes, 1887/88 von 13·2 Millionen Gourdes. Davon entfielen 1887/88 auf Port au Prince 4,277.108 Gourdes, während sich die Einfuhr auf 2,905.729 Gourdes belief. Der Stapelartikel Haïtis ist noch immer Kaffee; von diesem wurden 1887/88 über unseren Hafen 92.377 q meist nach Hâvre und mindere Sorten direct nach Hamburg ausgeführt. Der zweite Ausfuhrartikel Haïtis ist Blauholz, in welchem aber Port au Prince keine Rolle spielt. Zu nennen ist noch Cacao 1887/88 mit 155.131 kg. Der Schiffsverkehr umfasste 1889 282 Dampfer mit 483.242 t und 102 Segelschiffe mit 28.380 t, zusammen 384 Schiffe mit 511.622 t, 1888 484 Schiffe mit 563.808 t.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/214>, abgerufen am 30.04.2024.