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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.

Die Insel Haiti ist sehr gebirgig, alle Ketten streichen von West
nach Ost. Der centrale Gebirgszug erhebt sich in Loma Tina, einem
südlichen Seitenaste, zu 3140 m. Zwischen dieser Kette und der Sierra
Monte Christi an der Nordküste breitet sich die fruchtbare Vega Real
aus. Eine dritte Kette durchzieht die südwestliche Halbinsel. Das
Klima ist in den Ebenen tropisch, heiss und feucht, wird aber durch
die Seebrisen etwas gemildert; auf dem nördlichen Gebirgszuge der
Insel herrscht dagegen ein ewiger Frühling. Vom November bis Ende
März dauert die grosse trockene Saison; April und Mai bilden die
Hauptregenzeit und auf den trockenen Juni und Juli folgt eine zweite
kleinere Regenzeit. Unangenehm sind die zahlreichen Gewitter, ge-
fährlich die Cyklone, von denen auch Haiti manchmal gestreift wird.

Das Klima ist im Allgemeinen für den Europäer erträglich;
thatsächlich kommt das gelbe Fieber auf Haiti seltener vor als auf
den benachbarten Inseln Cuba und Portorico. Aber für den Europäer
ist im Allgemeinen die Arbeit im Freien in der Sonne in der Zeit von
8 Uhr Morgens bis etwa 5 Uhr Nachmittags völlig ausgeschlossen.
Dank der ausserordentlichen Fruchtbarkeit der Insel und der durch
die klimatischen Verhältnisse bedingten grossen Mannigfaltigkeit der
klimatischen Verhältnisse gedeihen auf Haiti bei geringer Mühe nicht
allein tropische und subtropische, sondern auch manche Erzeugnisse
der gemässigten Zone. Während die zahlreichen Ebenen sich für den
Anbau von Zuckerrohr, Cacao und Baumwolle eignen, wachsen in den
Bergen bis zu 1800 m Höhe Kaffee und europäische Gemüse, Aepfel
und Pfirsiche, Fichten und Palmen neben einander. Die Küsten zeigen
eine ausserordentlich reiche Gliederung und bieten dem Handel zahl-
reiche gute Baien und Häfen. Aber die beständigen Unruhen und die
Indolenz der Neger lassen keinen Fortschritt erwarten, während der
Ackerbau in der Dominikanischen Republik in den letzten Jahren einen
bemerkbaren Fortschritt machte.

Und nun gehen wir über zur Betrachtung der wichtigsten Hafen-
plätze der beiden Republiken und der besonderen Grundlage des
Handels.

Port au Prince, jetzt mit seinem officiellen Namen Port Re-
publicain
genannt, ist erst 1745 gegründet worden. Port au Prince
hat eine schöne Rhede und einen kleinen, aber sicheren Hafen mit
8--12 m Tiefe am Nordende der Stadt; die Einfahrt in diesen Hafen
wird durch ein unmittelbar aus dem Wasser ragendes Fort vertheidigt.
Mehrere andere Forts, alle im schlechten Zustande, beherrschen Stadt
und Rhede; unter denselben ist nur Fort Alexandre, im Osten hinter

Die atlantische Küste von Amerika.

Die Insel Haïti ist sehr gebirgig, alle Ketten streichen von West
nach Ost. Der centrale Gebirgszug erhebt sich in Loma Tina, einem
südlichen Seitenaste, zu 3140 m. Zwischen dieser Kette und der Sierra
Monte Christi an der Nordküste breitet sich die fruchtbare Vega Real
aus. Eine dritte Kette durchzieht die südwestliche Halbinsel. Das
Klima ist in den Ebenen tropisch, heiss und feucht, wird aber durch
die Seebrisen etwas gemildert; auf dem nördlichen Gebirgszuge der
Insel herrscht dagegen ein ewiger Frühling. Vom November bis Ende
März dauert die grosse trockene Saison; April und Mai bilden die
Hauptregenzeit und auf den trockenen Juni und Juli folgt eine zweite
kleinere Regenzeit. Unangenehm sind die zahlreichen Gewitter, ge-
fährlich die Cyklone, von denen auch Haïti manchmal gestreift wird.

Das Klima ist im Allgemeinen für den Europäer erträglich;
thatsächlich kommt das gelbe Fieber auf Haïti seltener vor als auf
den benachbarten Inseln Cuba und Portorico. Aber für den Europäer
ist im Allgemeinen die Arbeit im Freien in der Sonne in der Zeit von
8 Uhr Morgens bis etwa 5 Uhr Nachmittags völlig ausgeschlossen.
Dank der ausserordentlichen Fruchtbarkeit der Insel und der durch
die klimatischen Verhältnisse bedingten grossen Mannigfaltigkeit der
klimatischen Verhältnisse gedeihen auf Haïti bei geringer Mühe nicht
allein tropische und subtropische, sondern auch manche Erzeugnisse
der gemässigten Zone. Während die zahlreichen Ebenen sich für den
Anbau von Zuckerrohr, Cacao und Baumwolle eignen, wachsen in den
Bergen bis zu 1800 m Höhe Kaffee und europäische Gemüse, Aepfel
und Pfirsiche, Fichten und Palmen neben einander. Die Küsten zeigen
eine ausserordentlich reiche Gliederung und bieten dem Handel zahl-
reiche gute Baien und Häfen. Aber die beständigen Unruhen und die
Indolenz der Neger lassen keinen Fortschritt erwarten, während der
Ackerbau in der Dominikanischen Republik in den letzten Jahren einen
bemerkbaren Fortschritt machte.

Und nun gehen wir über zur Betrachtung der wichtigsten Hafen-
plätze der beiden Republiken und der besonderen Grundlage des
Handels.

Port au Prince, jetzt mit seinem officiellen Namen Port Re-
publicain
genannt, ist erst 1745 gegründet worden. Port au Prince
hat eine schöne Rhede und einen kleinen, aber sicheren Hafen mit
8—12 m Tiefe am Nordende der Stadt; die Einfahrt in diesen Hafen
wird durch ein unmittelbar aus dem Wasser ragendes Fort vertheidigt.
Mehrere andere Forts, alle im schlechten Zustande, beherrschen Stadt
und Rhede; unter denselben ist nur Fort Alexandre, im Osten hinter

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[196/0212] Die atlantische Küste von Amerika. Die Insel Haïti ist sehr gebirgig, alle Ketten streichen von West nach Ost. Der centrale Gebirgszug erhebt sich in Loma Tina, einem südlichen Seitenaste, zu 3140 m. Zwischen dieser Kette und der Sierra Monte Christi an der Nordküste breitet sich die fruchtbare Vega Real aus. Eine dritte Kette durchzieht die südwestliche Halbinsel. Das Klima ist in den Ebenen tropisch, heiss und feucht, wird aber durch die Seebrisen etwas gemildert; auf dem nördlichen Gebirgszuge der Insel herrscht dagegen ein ewiger Frühling. Vom November bis Ende März dauert die grosse trockene Saison; April und Mai bilden die Hauptregenzeit und auf den trockenen Juni und Juli folgt eine zweite kleinere Regenzeit. Unangenehm sind die zahlreichen Gewitter, ge- fährlich die Cyklone, von denen auch Haïti manchmal gestreift wird. Das Klima ist im Allgemeinen für den Europäer erträglich; thatsächlich kommt das gelbe Fieber auf Haïti seltener vor als auf den benachbarten Inseln Cuba und Portorico. Aber für den Europäer ist im Allgemeinen die Arbeit im Freien in der Sonne in der Zeit von 8 Uhr Morgens bis etwa 5 Uhr Nachmittags völlig ausgeschlossen. Dank der ausserordentlichen Fruchtbarkeit der Insel und der durch die klimatischen Verhältnisse bedingten grossen Mannigfaltigkeit der klimatischen Verhältnisse gedeihen auf Haïti bei geringer Mühe nicht allein tropische und subtropische, sondern auch manche Erzeugnisse der gemässigten Zone. Während die zahlreichen Ebenen sich für den Anbau von Zuckerrohr, Cacao und Baumwolle eignen, wachsen in den Bergen bis zu 1800 m Höhe Kaffee und europäische Gemüse, Aepfel und Pfirsiche, Fichten und Palmen neben einander. Die Küsten zeigen eine ausserordentlich reiche Gliederung und bieten dem Handel zahl- reiche gute Baien und Häfen. Aber die beständigen Unruhen und die Indolenz der Neger lassen keinen Fortschritt erwarten, während der Ackerbau in der Dominikanischen Republik in den letzten Jahren einen bemerkbaren Fortschritt machte. Und nun gehen wir über zur Betrachtung der wichtigsten Hafen- plätze der beiden Republiken und der besonderen Grundlage des Handels. Port au Prince, jetzt mit seinem officiellen Namen Port Re- publicain genannt, ist erst 1745 gegründet worden. Port au Prince hat eine schöne Rhede und einen kleinen, aber sicheren Hafen mit 8—12 m Tiefe am Nordende der Stadt; die Einfahrt in diesen Hafen wird durch ein unmittelbar aus dem Wasser ragendes Fort vertheidigt. Mehrere andere Forts, alle im schlechten Zustande, beherrschen Stadt und Rhede; unter denselben ist nur Fort Alexandre, im Osten hinter

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/212>, abgerufen am 30.04.2024.