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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.
Hebung des Verkehrs sehr viel beitrugen. Das dieserwegen eifersüchtige England
entsendete 1694 eine Flotte von 24 Linienschiffen, 12 Fregatten und 13 Bom-
bardieren und versuchte sich der Stadt zu bemächtigen. 800 Bomben wurden
in die Stadt geworfen, viele Gebäude zerstört, aber die vorzügliche Haltung der
Bevölkerung zwang die Engländer zum Abzug.

Hundert Jahre vorher, während der Religionskriege (1562), waren die
Engländer, von den Protestanten gerufen, in Havre erschienen, aber der Conne-
table Montmorency, Brissac und andere Heerführer zwangen sie im folgenden
Jahre zur Capitulation.

Der unglückliche Ludwig XVI. war der Stadt sehr zugeneigt und trug auch
viel zu ihrer Hebung bei, allein die Revolution unterbrach plötzlich die damals
wieder aufgegriffenen Erweiterungsarbeiten des Hafens und der Befestigungen.

Gegenwärtig zählt Havre bereits 120.000 Einwohner und ist
Sitz eines Civiltribunals und eines Handelstribunals, einer Handels-
kammer und einer höheren Handelslehranstalt.

Wenn wir einen Blick auf unseren Plan werfen, so sehen wir
die weitläufige Verzweigung der 10 Hafenbassins, welche unter-
einander und mit dem der Ebbe und Flut ausgesetzten Vorhafen
durch 13 kunstvolle Schleussen verbunden sind. Die Flut erreicht
hier eine Höhe von 6·15 bis 7·85 m (Springflut), wodurch das Ein-
laufen in den bei Ebbe sehr seichten Einfahrtscanal selbst für die
grössten Schiffe ermöglicht wird. Selbstverständlich werden die ange-
kommenen Schiffe sogleich in die Bassins aufgenommen und es
müssen noch vor dem Beginne der Ebbe die Schleussen geschlossen
werden. Die ankommenden und die zur Abfahrt bereiten Schiffe
sind deshalb genöthigt, den Eintritt des Hochwassers abzuwarten,
welcher Umstand natürlich den eigentlichen Schiffsverkehr immer auf
einige Stunden der Hochfluthen zusammendrängt.

Die grossen prächtigen Dampfer der Cie. Generale Transatlantique
landen im Bassin de L'Eure, an dessen Ostseite drei gewaltige Trocken-
docks für Reparaturen u. dgl. erbaut wurden. Drei andere Docks be-
finden sich im Bassin de la Citadelle, welches die Mitte des Hafen-
systems einnimmt.

Grossartig sind die Waarendepots (Magasins generaux) nächst
dem Bassin Vauban und Bassin Dock, deren Baulichkeiten eine
Fläche von 23 ha einnehmen und Raum für die Unterbringung von
130.000 t Handelsgüter bieten.

Seinen inneren Einrichtungen nach gehört Havre heute zu den
ersten Häfen Europas, wo der Seemann wie der Kaufmann jede
mögliche Bequemlichkeit findet. Doch diese Sicherheit und Bequem-
lichkeit müssen sich die Schiffe mühsam erkämpfen. Die ungünstigen
Tiefenverhältnisse an der Seinemündung sind natürlich dem An-

Der atlantische Ocean.
Hebung des Verkehrs sehr viel beitrugen. Das dieserwegen eifersüchtige England
entsendete 1694 eine Flotte von 24 Linienschiffen, 12 Fregatten und 13 Bom-
bardièren und versuchte sich der Stadt zu bemächtigen. 800 Bomben wurden
in die Stadt geworfen, viele Gebäude zerstört, aber die vorzügliche Haltung der
Bevölkerung zwang die Engländer zum Abzug.

Hundert Jahre vorher, während der Religionskriege (1562), waren die
Engländer, von den Protestanten gerufen, in Hâvre erschienen, aber der Conne-
table Montmorency, Brissac und andere Heerführer zwangen sie im folgenden
Jahre zur Capitulation.

Der unglückliche Ludwig XVI. war der Stadt sehr zugeneigt und trug auch
viel zu ihrer Hebung bei, allein die Revolution unterbrach plötzlich die damals
wieder aufgegriffenen Erweiterungsarbeiten des Hafens und der Befestigungen.

Gegenwärtig zählt Hâvre bereits 120.000 Einwohner und ist
Sitz eines Civiltribunals und eines Handelstribunals, einer Handels-
kammer und einer höheren Handelslehranstalt.

Wenn wir einen Blick auf unseren Plan werfen, so sehen wir
die weitläufige Verzweigung der 10 Hafenbassins, welche unter-
einander und mit dem der Ebbe und Flut ausgesetzten Vorhafen
durch 13 kunstvolle Schleussen verbunden sind. Die Flut erreicht
hier eine Höhe von 6·15 bis 7·85 m (Springflut), wodurch das Ein-
laufen in den bei Ebbe sehr seichten Einfahrtscanal selbst für die
grössten Schiffe ermöglicht wird. Selbstverständlich werden die ange-
kommenen Schiffe sogleich in die Bassins aufgenommen und es
müssen noch vor dem Beginne der Ebbe die Schleussen geschlossen
werden. Die ankommenden und die zur Abfahrt bereiten Schiffe
sind deshalb genöthigt, den Eintritt des Hochwassers abzuwarten,
welcher Umstand natürlich den eigentlichen Schiffsverkehr immer auf
einige Stunden der Hochfluthen zusammendrängt.

Die grossen prächtigen Dampfer der Cie. Générale Transatlantique
landen im Bassin de L’Eure, an dessen Ostseite drei gewaltige Trocken-
docks für Reparaturen u. dgl. erbaut wurden. Drei andere Docks be-
finden sich im Bassin de la Citadelle, welches die Mitte des Hafen-
systems einnimmt.

Grossartig sind die Waarendépôts (Magasins généraux) nächst
dem Bassin Vauban und Bassin Dock, deren Baulichkeiten eine
Fläche von 23 ha einnehmen und Raum für die Unterbringung von
130.000 t Handelsgüter bieten.

Seinen inneren Einrichtungen nach gehört Hâvre heute zu den
ersten Häfen Europas, wo der Seemann wie der Kaufmann jede
mögliche Bequemlichkeit findet. Doch diese Sicherheit und Bequem-
lichkeit müssen sich die Schiffe mühsam erkämpfen. Die ungünstigen
Tiefenverhältnisse an der Seinemündung sind natürlich dem An-

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[608/0628] Der atlantische Ocean. Hebung des Verkehrs sehr viel beitrugen. Das dieserwegen eifersüchtige England entsendete 1694 eine Flotte von 24 Linienschiffen, 12 Fregatten und 13 Bom- bardièren und versuchte sich der Stadt zu bemächtigen. 800 Bomben wurden in die Stadt geworfen, viele Gebäude zerstört, aber die vorzügliche Haltung der Bevölkerung zwang die Engländer zum Abzug. Hundert Jahre vorher, während der Religionskriege (1562), waren die Engländer, von den Protestanten gerufen, in Hâvre erschienen, aber der Conne- table Montmorency, Brissac und andere Heerführer zwangen sie im folgenden Jahre zur Capitulation. Der unglückliche Ludwig XVI. war der Stadt sehr zugeneigt und trug auch viel zu ihrer Hebung bei, allein die Revolution unterbrach plötzlich die damals wieder aufgegriffenen Erweiterungsarbeiten des Hafens und der Befestigungen. Gegenwärtig zählt Hâvre bereits 120.000 Einwohner und ist Sitz eines Civiltribunals und eines Handelstribunals, einer Handels- kammer und einer höheren Handelslehranstalt. Wenn wir einen Blick auf unseren Plan werfen, so sehen wir die weitläufige Verzweigung der 10 Hafenbassins, welche unter- einander und mit dem der Ebbe und Flut ausgesetzten Vorhafen durch 13 kunstvolle Schleussen verbunden sind. Die Flut erreicht hier eine Höhe von 6·15 bis 7·85 m (Springflut), wodurch das Ein- laufen in den bei Ebbe sehr seichten Einfahrtscanal selbst für die grössten Schiffe ermöglicht wird. Selbstverständlich werden die ange- kommenen Schiffe sogleich in die Bassins aufgenommen und es müssen noch vor dem Beginne der Ebbe die Schleussen geschlossen werden. Die ankommenden und die zur Abfahrt bereiten Schiffe sind deshalb genöthigt, den Eintritt des Hochwassers abzuwarten, welcher Umstand natürlich den eigentlichen Schiffsverkehr immer auf einige Stunden der Hochfluthen zusammendrängt. Die grossen prächtigen Dampfer der Cie. Générale Transatlantique landen im Bassin de L’Eure, an dessen Ostseite drei gewaltige Trocken- docks für Reparaturen u. dgl. erbaut wurden. Drei andere Docks be- finden sich im Bassin de la Citadelle, welches die Mitte des Hafen- systems einnimmt. Grossartig sind die Waarendépôts (Magasins généraux) nächst dem Bassin Vauban und Bassin Dock, deren Baulichkeiten eine Fläche von 23 ha einnehmen und Raum für die Unterbringung von 130.000 t Handelsgüter bieten. Seinen inneren Einrichtungen nach gehört Hâvre heute zu den ersten Häfen Europas, wo der Seemann wie der Kaufmann jede mögliche Bequemlichkeit findet. Doch diese Sicherheit und Bequem- lichkeit müssen sich die Schiffe mühsam erkämpfen. Die ungünstigen Tiefenverhältnisse an der Seinemündung sind natürlich dem An-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/628>, abgerufen am 23.11.2024.