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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Smyrna.

In und um Smyrna treffen wir auch eine für orientalische Ver-
hältnisse ansehnliche Industrie, die freilich der Hauptsache nach
Handindustrie ist. Maschinenindustrie treffen wir nur in den von Grie-
chen bewohnten Landestheilen. In zwei Artikeln, in Leder, in den
Fabriken Smyrnas erzeugt, und in Teppichen, ist diese Industrie
exportfähig. Diese Teppichfabrication ist der wichtigste Industriezweig
der ganzen Türkei, der in zahlreichen Dörfern bis weit ins Innere
Kleinasiens hinein betrieben wird und Tausenden von Familien Unter-
halt gewährt; die Männer färben die Wolle, Frauen und Mädchen
knüpfen die Teppiche. Man ist in unseren Tagen wieder zu den alten
schönen Mustern zurückgekehrt, welche die Bewunderung aller Kenner
finden; man lässt die geschmacklosen Blumendessins der Europäer
sein. Die verschiedenen Teppichsorten haben ihre Namen von den Er-
zeugungsorten. Früher nahm man zur Herstellung dieser höchst halt-
baren Teppiche nur einheimische Lammwolle, jetzt verwendet man
auch Mohair. In dem Färben der Wolle liegt ein grosser Theil der
Schönheit dieser geknüpften Teppiche, und die Fabriksindustrie wird
diese Hausindustrie nicht wesentlich bedrohen, wenn man den glän-
zend leuchtenden, aber bald verblassenden Anilinfarben Deutschlands
und Englands ferne bleibt und nur Pflanzenfarben und Cochenille ver-
wendet. Der Jahreswerth der Teppichindustrie wird auf 41/2 Millionen
Francs angegeben, 200.000 m2 im Werthe von 4 Millionen Francs werden
jährlich ausgeführt. Man rechnet bei feineren Sorten 25--28 Francs
für 1 m2, 2--21/2 kg schwer. Hauptabnehmer sind England, die Union
und Frankreich, der Verkehr nach Deutschland und Oesterreich-Un-
garn ist zurückgegangen, weil dort die sogenannten türkischen Tep-
piche vielfach und mit grossem Geschick nachgeahmt werden.

Auf die Höhe der Einfuhr haben Einfluss die Baumwollfabriken
von Kassaba und Smyrna und die Mahlmühlen von Smyrna.

Der Einfuhrhandel Smyrnas ist durchaus nicht blühend, denn
die wirtschaftliche Lage der bäuerlichen Bevölkerung ist seit Jahren
eine sehr gedrückte. Die grosse Masse der Bevölkerung, die Osmanlis
sind überdies äusserst genügsam; sie consumiren zumeist nur einzelne
Fabricate der europäischen Metall-, Leder- und Textilindustrie. Ausser
den hier ansässigen Fremden kommen nur die Griechen, welche die
Küstenstädte und die Kleinasien zahlreich vorgelagerten Inseln be-
wohnen, für den Import der Artikel in Betracht, welche der Befriedi-
gung feinerer Lebensbedürfnisse dienen. Die Griechen vermehren auch
ihr Vermögen durch Fleiss und Arbeit.


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Smyrna.

In und um Smyrna treffen wir auch eine für orientalische Ver-
hältnisse ansehnliche Industrie, die freilich der Hauptsache nach
Handindustrie ist. Maschinenindustrie treffen wir nur in den von Grie-
chen bewohnten Landestheilen. In zwei Artikeln, in Leder, in den
Fabriken Smyrnas erzeugt, und in Teppichen, ist diese Industrie
exportfähig. Diese Teppichfabrication ist der wichtigste Industriezweig
der ganzen Türkei, der in zahlreichen Dörfern bis weit ins Innere
Kleinasiens hinein betrieben wird und Tausenden von Familien Unter-
halt gewährt; die Männer färben die Wolle, Frauen und Mädchen
knüpfen die Teppiche. Man ist in unseren Tagen wieder zu den alten
schönen Mustern zurückgekehrt, welche die Bewunderung aller Kenner
finden; man lässt die geschmacklosen Blumendessins der Europäer
sein. Die verschiedenen Teppichsorten haben ihre Namen von den Er-
zeugungsorten. Früher nahm man zur Herstellung dieser höchst halt-
baren Teppiche nur einheimische Lammwolle, jetzt verwendet man
auch Mohair. In dem Färben der Wolle liegt ein grosser Theil der
Schönheit dieser geknüpften Teppiche, und die Fabriksindustrie wird
diese Hausindustrie nicht wesentlich bedrohen, wenn man den glän-
zend leuchtenden, aber bald verblassenden Anilinfarben Deutschlands
und Englands ferne bleibt und nur Pflanzenfarben und Cochenille ver-
wendet. Der Jahreswerth der Teppichindustrie wird auf 4½ Millionen
Francs angegeben, 200.000 m2 im Werthe von 4 Millionen Francs werden
jährlich ausgeführt. Man rechnet bei feineren Sorten 25—28 Francs
für 1 m2, 2—2½ kg schwer. Hauptabnehmer sind England, die Union
und Frankreich, der Verkehr nach Deutschland und Oesterreich-Un-
garn ist zurückgegangen, weil dort die sogenannten türkischen Tep-
piche vielfach und mit grossem Geschick nachgeahmt werden.

Auf die Höhe der Einfuhr haben Einfluss die Baumwollfabriken
von Kassaba und Smyrna und die Mahlmühlen von Smyrna.

Der Einfuhrhandel Smyrnas ist durchaus nicht blühend, denn
die wirtschaftliche Lage der bäuerlichen Bevölkerung ist seit Jahren
eine sehr gedrückte. Die grosse Masse der Bevölkerung, die Osmanlis
sind überdies äusserst genügsam; sie consumiren zumeist nur einzelne
Fabricate der europäischen Metall-, Leder- und Textilindustrie. Ausser
den hier ansässigen Fremden kommen nur die Griechen, welche die
Küstenstädte und die Kleinasien zahlreich vorgelagerten Inseln be-
wohnen, für den Import der Artikel in Betracht, welche der Befriedi-
gung feinerer Lebensbedürfnisse dienen. Die Griechen vermehren auch
ihr Vermögen durch Fleiss und Arbeit.


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[211/0231] Smyrna. In und um Smyrna treffen wir auch eine für orientalische Ver- hältnisse ansehnliche Industrie, die freilich der Hauptsache nach Handindustrie ist. Maschinenindustrie treffen wir nur in den von Grie- chen bewohnten Landestheilen. In zwei Artikeln, in Leder, in den Fabriken Smyrnas erzeugt, und in Teppichen, ist diese Industrie exportfähig. Diese Teppichfabrication ist der wichtigste Industriezweig der ganzen Türkei, der in zahlreichen Dörfern bis weit ins Innere Kleinasiens hinein betrieben wird und Tausenden von Familien Unter- halt gewährt; die Männer färben die Wolle, Frauen und Mädchen knüpfen die Teppiche. Man ist in unseren Tagen wieder zu den alten schönen Mustern zurückgekehrt, welche die Bewunderung aller Kenner finden; man lässt die geschmacklosen Blumendessins der Europäer sein. Die verschiedenen Teppichsorten haben ihre Namen von den Er- zeugungsorten. Früher nahm man zur Herstellung dieser höchst halt- baren Teppiche nur einheimische Lammwolle, jetzt verwendet man auch Mohair. In dem Färben der Wolle liegt ein grosser Theil der Schönheit dieser geknüpften Teppiche, und die Fabriksindustrie wird diese Hausindustrie nicht wesentlich bedrohen, wenn man den glän- zend leuchtenden, aber bald verblassenden Anilinfarben Deutschlands und Englands ferne bleibt und nur Pflanzenfarben und Cochenille ver- wendet. Der Jahreswerth der Teppichindustrie wird auf 4½ Millionen Francs angegeben, 200.000 m2 im Werthe von 4 Millionen Francs werden jährlich ausgeführt. Man rechnet bei feineren Sorten 25—28 Francs für 1 m2, 2—2½ kg schwer. Hauptabnehmer sind England, die Union und Frankreich, der Verkehr nach Deutschland und Oesterreich-Un- garn ist zurückgegangen, weil dort die sogenannten türkischen Tep- piche vielfach und mit grossem Geschick nachgeahmt werden. Auf die Höhe der Einfuhr haben Einfluss die Baumwollfabriken von Kassaba und Smyrna und die Mahlmühlen von Smyrna. Der Einfuhrhandel Smyrnas ist durchaus nicht blühend, denn die wirtschaftliche Lage der bäuerlichen Bevölkerung ist seit Jahren eine sehr gedrückte. Die grosse Masse der Bevölkerung, die Osmanlis sind überdies äusserst genügsam; sie consumiren zumeist nur einzelne Fabricate der europäischen Metall-, Leder- und Textilindustrie. Ausser den hier ansässigen Fremden kommen nur die Griechen, welche die Küstenstädte und die Kleinasien zahlreich vorgelagerten Inseln be- wohnen, für den Import der Artikel in Betracht, welche der Befriedi- gung feinerer Lebensbedürfnisse dienen. Die Griechen vermehren auch ihr Vermögen durch Fleiss und Arbeit. 27*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/231>, abgerufen am 24.11.2024.