Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehmann, Johann Gottlob: Versuch einer Geschichte von Flötz-Gebürgen. Berlin, 1756.

Bild:
<< vorherige Seite

des Schöpfers auch im geringsten nichts be-
nehmen, wenn man auch vor wahr annimmt,
daß die Materie, aus welcher in denen an-
geführten sechs Tagewercken, die Theile der
Welt hervorgebracht worden, schon vorher
geschaffen gewesen. Wie dieser neuerschaf-
ne Erdboden ausgesehen habe, ist nun zwar
nicht möglich genau zu bestimmen, es schei-
net aber doch, daß man aus denen, in der
Folge der Zeit an denselben geschehenen Ver-
änderungen mit Wahrscheinlichkeit schlüssen
könne, wie er ohngefehr ausgesehen. Wir
wollen uns nicht besonders in die Meinungen
verschiedener alter und neuer Naturkündiger
einlassen, als welche so mancherley sind, daß
man an denen meisten gleich am ersten Anse-
hen wahrnimmt, wie starck eine lebhafte Ein-
bildung bey deren Erfindung in dem Gehirne
derer Versasser gewürcket habe. Die Chine-
ser halten davor, die Erde sey anfänglich
schwammig und locker gewesen, daher solche
auch ohne Arbeit alle Früchte und Gewächse
hervorgebracht habe. Noch andere meinen,
der Erdboden sey Anfangs eben und ohne alle
Berge gewesen, als welche erst durch die all-
gemeine grosse Ueberschwemmung, oder auch
durch andere Veränderungen entstanden
wären. Allein diese Meinung ist gantz un-
gegründet, weil solchergestalt erstlich gantz
neue Theile des Erdbodens entstanden wären,
welche Anfangs gemangelt, folglich die erst

erschaf-
A 5

des Schoͤpfers auch im geringſten nichts be-
nehmen, wenn man auch vor wahr annimmt,
daß die Materie, aus welcher in denen an-
gefuͤhrten ſechs Tagewercken, die Theile der
Welt hervorgebracht worden, ſchon vorher
geſchaffen geweſen. Wie dieſer neuerſchaf-
ne Erdboden ausgeſehen habe, iſt nun zwar
nicht moͤglich genau zu beſtimmen, es ſchei-
net aber doch, daß man aus denen, in der
Folge der Zeit an denſelben geſchehenen Ver-
aͤnderungen mit Wahrſcheinlichkeit ſchluͤſſen
koͤnne, wie er ohngefehr ausgeſehen. Wir
wollen uns nicht beſonders in die Meinungen
verſchiedener alter und neuer Naturkuͤndiger
einlaſſen, als welche ſo mancherley ſind, daß
man an denen meiſten gleich am erſten Anſe-
hen wahrnimmt, wie ſtarck eine lebhafte Ein-
bildung bey deren Erfindung in dem Gehirne
derer Verſaſſer gewuͤrcket habe. Die Chine-
ſer halten davor, die Erde ſey anfaͤnglich
ſchwammig und locker geweſen, daher ſolche
auch ohne Arbeit alle Fruͤchte und Gewaͤchſe
hervorgebracht habe. Noch andere meinen,
der Erdboden ſey Anfangs eben und ohne alle
Berge geweſen, als welche erſt durch die all-
gemeine groſſe Ueberſchwemmung, oder auch
durch andere Veraͤnderungen entſtanden
waͤren. Allein dieſe Meinung iſt gantz un-
gegruͤndet, weil ſolchergeſtalt erſtlich gantz
neue Theile des Erdbodens entſtanden waͤren,
welche Anfangs gemangelt, folglich die erſt

erſchaf-
A 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="9"/>
des Scho&#x0364;pfers auch im gering&#x017F;ten nichts be-<lb/>
nehmen, wenn man auch vor wahr annimmt,<lb/>
daß die Materie, aus welcher in denen an-<lb/>
gefu&#x0364;hrten &#x017F;echs Tagewercken, die Theile der<lb/>
Welt hervorgebracht worden, &#x017F;chon vorher<lb/>
ge&#x017F;chaffen gewe&#x017F;en. Wie die&#x017F;er neuer&#x017F;chaf-<lb/>
ne Erdboden ausge&#x017F;ehen habe, i&#x017F;t nun zwar<lb/>
nicht mo&#x0364;glich genau zu be&#x017F;timmen, es &#x017F;chei-<lb/>
net aber doch, daß man aus denen, in der<lb/>
Folge der Zeit an den&#x017F;elben ge&#x017F;chehenen Ver-<lb/>
a&#x0364;nderungen mit Wahr&#x017F;cheinlichkeit &#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ko&#x0364;nne, wie er ohngefehr ausge&#x017F;ehen. Wir<lb/>
wollen uns nicht be&#x017F;onders in die Meinungen<lb/>
ver&#x017F;chiedener alter und neuer Naturku&#x0364;ndiger<lb/>
einla&#x017F;&#x017F;en, als welche &#x017F;o mancherley &#x017F;ind, daß<lb/>
man an denen mei&#x017F;ten gleich am er&#x017F;ten An&#x017F;e-<lb/>
hen wahrnimmt, wie &#x017F;tarck eine lebhafte Ein-<lb/>
bildung bey deren Erfindung in dem Gehirne<lb/>
derer Ver&#x017F;a&#x017F;&#x017F;er gewu&#x0364;rcket habe. Die Chine-<lb/>
&#x017F;er halten davor, die Erde &#x017F;ey anfa&#x0364;nglich<lb/>
&#x017F;chwammig und locker gewe&#x017F;en, daher &#x017F;olche<lb/>
auch ohne Arbeit alle Fru&#x0364;chte und Gewa&#x0364;ch&#x017F;e<lb/>
hervorgebracht habe. Noch andere meinen,<lb/>
der Erdboden &#x017F;ey Anfangs eben und ohne alle<lb/>
Berge gewe&#x017F;en, als welche er&#x017F;t durch die all-<lb/>
gemeine gro&#x017F;&#x017F;e Ueber&#x017F;chwemmung, oder auch<lb/>
durch andere Vera&#x0364;nderungen ent&#x017F;tanden<lb/>
wa&#x0364;ren. Allein die&#x017F;e Meinung i&#x017F;t gantz un-<lb/>
gegru&#x0364;ndet, weil &#x017F;olcherge&#x017F;talt er&#x017F;tlich gantz<lb/>
neue Theile des Erdbodens ent&#x017F;tanden wa&#x0364;ren,<lb/>
welche Anfangs gemangelt, folglich die er&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 5</fw><fw place="bottom" type="catch">er&#x017F;chaf-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0087] des Schoͤpfers auch im geringſten nichts be- nehmen, wenn man auch vor wahr annimmt, daß die Materie, aus welcher in denen an- gefuͤhrten ſechs Tagewercken, die Theile der Welt hervorgebracht worden, ſchon vorher geſchaffen geweſen. Wie dieſer neuerſchaf- ne Erdboden ausgeſehen habe, iſt nun zwar nicht moͤglich genau zu beſtimmen, es ſchei- net aber doch, daß man aus denen, in der Folge der Zeit an denſelben geſchehenen Ver- aͤnderungen mit Wahrſcheinlichkeit ſchluͤſſen koͤnne, wie er ohngefehr ausgeſehen. Wir wollen uns nicht beſonders in die Meinungen verſchiedener alter und neuer Naturkuͤndiger einlaſſen, als welche ſo mancherley ſind, daß man an denen meiſten gleich am erſten Anſe- hen wahrnimmt, wie ſtarck eine lebhafte Ein- bildung bey deren Erfindung in dem Gehirne derer Verſaſſer gewuͤrcket habe. Die Chine- ſer halten davor, die Erde ſey anfaͤnglich ſchwammig und locker geweſen, daher ſolche auch ohne Arbeit alle Fruͤchte und Gewaͤchſe hervorgebracht habe. Noch andere meinen, der Erdboden ſey Anfangs eben und ohne alle Berge geweſen, als welche erſt durch die all- gemeine groſſe Ueberſchwemmung, oder auch durch andere Veraͤnderungen entſtanden waͤren. Allein dieſe Meinung iſt gantz un- gegruͤndet, weil ſolchergeſtalt erſtlich gantz neue Theile des Erdbodens entſtanden waͤren, welche Anfangs gemangelt, folglich die erſt erſchaf- A 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_versuch_1756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_versuch_1756/87
Zitationshilfe: Lehmann, Johann Gottlob: Versuch einer Geschichte von Flötz-Gebürgen. Berlin, 1756, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_versuch_1756/87>, abgerufen am 21.11.2024.