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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Martinprocess.
zu ermöglichen, ist das Einblasen von Wind in das flüssige Metall zur
rascheren Verbrennung von Mangan, Silicium und Kohlenstoff.

Die Lösung dieser Aufgabe ist bereits in verschiedener Weise be-
wirkt worden. Ponsard benutzte auf dem Eisenwerke Thy-le-Chateau
in Belgien einen Pernotofen, durch dessen hohle Drehungsachse Wind
in einen unter dem Boden des drehbaren Tellers befindlichen radial
gerichteten Kanal geleitet wurde, um durch eine am Rande des Tellers
befindliche Düse auf den Herd zu strömen. Wird der Herd so gedreht,
dass die Düse den tiefsten Punkt einnimmt, so muss der Wind durch
das Metallbad aufsteigen. Die Construction des Ofens, welchen Ponsard
als Fornoconvertisseur bezeichnete und im Modelle 1878 auf der
Pariser Ausstellung zur allgemeineren Anschauung brachte, ist, wie
die jedes Drehofens, kostspielig und hat deshalb keine oder nur sehr
vereinzelte Nachahmung gefunden.

Auf dem Eisenwerke Phönix bei Ruhrort leitet man dagegen nach
einem von Würtemberger ausgebildeten Verfahren seit 1879 den
Wind in das Metallbad durch ein oder mehrere Düsenrohre, welche
leicht an eine vor dem Ofen angebrachte Leitung angeschlossen und
ebenso leicht von demselben abgenommen werden können und mit
feuerfester Masse als Schutz gegen das Schmelzen bekleidet sind. 1) Die
Ausströmungsöffnung jedes Rohres ist aus feuerfestem Thon gebrannt
und hat gewöhnlich einen inneren Durchmesser von 20--25 mm.

Der Erfolg dieser Methode ist unleugbar günstig. Man ist im
Stande, aus einem Einsatze, welcher neben 65 Proc. schmiedbaren
Eisens 35 Proc. weissstrahliges Roheisen enthält, Eisen mit 0.1 bis
0.2 Proc. Kohlenstoff ohne Anwendung anderer Oxydationsmittel dar-
zustellen. Die Temperatur des Bades steigt, wie die praktische Be-
obachtung zeigt, durch die rasche Verbrennung von Mangan und
Silicium beträchtlich. Das Blasen währt 15--20 Minuten und man
bedarf dabei, um den Druck des flüssigen Metalles zu überwinden,
einer Windspannung von ca. 0.75 kg per qcm; die eingeblasene Wind-
menge während der angegebenen Blasezeit berechnet Kupelwieser
zu 20.4 cbm. Die Erzeugung jener hohen Windspannung aber ist nicht
ohne ein kräftiges Cylindergebläse zu bewirken; und wo ein solches
nicht etwa für andere Zwecke schon vorhanden ist und für den in
Rede stehenden Zweck nebenbei in Mitbenutzung genommen werden
kann, dürften die Kosten für die Anlage und Unterhaltung desselben
wohl nur selten durch den Nutzen des besprochenen Verfahrens aus-
geglichen werden können. Hierin liegt der Grund, weshalb die An-
wendung auch dieses Verfahrens ziemlich vereinzelt geblieben ist.

Sehr häufig ist dagegen in der Jetztzeit zu dem erwähnten Zwecke
ein theilweiser Zusatz von Erz zu dem Roheisen neben schmied-
barem Eisen. Die meisten englischen und sehr viele festländische Werke
arbeiten in dieser Weise. Man nennt das Verfahren, welches von
Siemens zuerst auf dem Landore-Eisenwerke in England eingeführt
wurde, häufig nach jenem Werke den Landore-Process.

1) Abbildung dieser Vorrichtung: Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen
1882, Taf. X, sowie Patentschrift des D. R. Nr. 13 679.

Der Martinprocess.
zu ermöglichen, ist das Einblasen von Wind in das flüssige Metall zur
rascheren Verbrennung von Mangan, Silicium und Kohlenstoff.

Die Lösung dieser Aufgabe ist bereits in verschiedener Weise be-
wirkt worden. Ponsard benutzte auf dem Eisenwerke Thy-le-Château
in Belgien einen Pernotofen, durch dessen hohle Drehungsachse Wind
in einen unter dem Boden des drehbaren Tellers befindlichen radial
gerichteten Kanal geleitet wurde, um durch eine am Rande des Tellers
befindliche Düse auf den Herd zu strömen. Wird der Herd so gedreht,
dass die Düse den tiefsten Punkt einnimmt, so muss der Wind durch
das Metallbad aufsteigen. Die Construction des Ofens, welchen Ponsard
als Fornoconvertisseur bezeichnete und im Modelle 1878 auf der
Pariser Ausstellung zur allgemeineren Anschauung brachte, ist, wie
die jedes Drehofens, kostspielig und hat deshalb keine oder nur sehr
vereinzelte Nachahmung gefunden.

Auf dem Eisenwerke Phönix bei Ruhrort leitet man dagegen nach
einem von Würtemberger ausgebildeten Verfahren seit 1879 den
Wind in das Metallbad durch ein oder mehrere Düsenrohre, welche
leicht an eine vor dem Ofen angebrachte Leitung angeschlossen und
ebenso leicht von demselben abgenommen werden können und mit
feuerfester Masse als Schutz gegen das Schmelzen bekleidet sind. 1) Die
Ausströmungsöffnung jedes Rohres ist aus feuerfestem Thon gebrannt
und hat gewöhnlich einen inneren Durchmesser von 20—25 mm.

Der Erfolg dieser Methode ist unleugbar günstig. Man ist im
Stande, aus einem Einsatze, welcher neben 65 Proc. schmiedbaren
Eisens 35 Proc. weissstrahliges Roheisen enthält, Eisen mit 0.1 bis
0.2 Proc. Kohlenstoff ohne Anwendung anderer Oxydationsmittel dar-
zustellen. Die Temperatur des Bades steigt, wie die praktische Be-
obachtung zeigt, durch die rasche Verbrennung von Mangan und
Silicium beträchtlich. Das Blasen währt 15—20 Minuten und man
bedarf dabei, um den Druck des flüssigen Metalles zu überwinden,
einer Windspannung von ca. 0.75 kg per qcm; die eingeblasene Wind-
menge während der angegebenen Blasezeit berechnet Kupelwieser
zu 20.4 cbm. Die Erzeugung jener hohen Windspannung aber ist nicht
ohne ein kräftiges Cylindergebläse zu bewirken; und wo ein solches
nicht etwa für andere Zwecke schon vorhanden ist und für den in
Rede stehenden Zweck nebenbei in Mitbenutzung genommen werden
kann, dürften die Kosten für die Anlage und Unterhaltung desselben
wohl nur selten durch den Nutzen des besprochenen Verfahrens aus-
geglichen werden können. Hierin liegt der Grund, weshalb die An-
wendung auch dieses Verfahrens ziemlich vereinzelt geblieben ist.

Sehr häufig ist dagegen in der Jetztzeit zu dem erwähnten Zwecke
ein theilweiser Zusatz von Erz zu dem Roheisen neben schmied-
barem Eisen. Die meisten englischen und sehr viele festländische Werke
arbeiten in dieser Weise. Man nennt das Verfahren, welches von
Siemens zuerst auf dem Landore-Eisenwerke in England eingeführt
wurde, häufig nach jenem Werke den Landore-Process.

1) Abbildung dieser Vorrichtung: Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen
1882, Taf. X, sowie Patentschrift des D. R. Nr. 13 679.
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[867/0951] Der Martinprocess. zu ermöglichen, ist das Einblasen von Wind in das flüssige Metall zur rascheren Verbrennung von Mangan, Silicium und Kohlenstoff. Die Lösung dieser Aufgabe ist bereits in verschiedener Weise be- wirkt worden. Ponsard benutzte auf dem Eisenwerke Thy-le-Château in Belgien einen Pernotofen, durch dessen hohle Drehungsachse Wind in einen unter dem Boden des drehbaren Tellers befindlichen radial gerichteten Kanal geleitet wurde, um durch eine am Rande des Tellers befindliche Düse auf den Herd zu strömen. Wird der Herd so gedreht, dass die Düse den tiefsten Punkt einnimmt, so muss der Wind durch das Metallbad aufsteigen. Die Construction des Ofens, welchen Ponsard als Fornoconvertisseur bezeichnete und im Modelle 1878 auf der Pariser Ausstellung zur allgemeineren Anschauung brachte, ist, wie die jedes Drehofens, kostspielig und hat deshalb keine oder nur sehr vereinzelte Nachahmung gefunden. Auf dem Eisenwerke Phönix bei Ruhrort leitet man dagegen nach einem von Würtemberger ausgebildeten Verfahren seit 1879 den Wind in das Metallbad durch ein oder mehrere Düsenrohre, welche leicht an eine vor dem Ofen angebrachte Leitung angeschlossen und ebenso leicht von demselben abgenommen werden können und mit feuerfester Masse als Schutz gegen das Schmelzen bekleidet sind. 1) Die Ausströmungsöffnung jedes Rohres ist aus feuerfestem Thon gebrannt und hat gewöhnlich einen inneren Durchmesser von 20—25 mm. Der Erfolg dieser Methode ist unleugbar günstig. Man ist im Stande, aus einem Einsatze, welcher neben 65 Proc. schmiedbaren Eisens 35 Proc. weissstrahliges Roheisen enthält, Eisen mit 0.1 bis 0.2 Proc. Kohlenstoff ohne Anwendung anderer Oxydationsmittel dar- zustellen. Die Temperatur des Bades steigt, wie die praktische Be- obachtung zeigt, durch die rasche Verbrennung von Mangan und Silicium beträchtlich. Das Blasen währt 15—20 Minuten und man bedarf dabei, um den Druck des flüssigen Metalles zu überwinden, einer Windspannung von ca. 0.75 kg per qcm; die eingeblasene Wind- menge während der angegebenen Blasezeit berechnet Kupelwieser zu 20.4 cbm. Die Erzeugung jener hohen Windspannung aber ist nicht ohne ein kräftiges Cylindergebläse zu bewirken; und wo ein solches nicht etwa für andere Zwecke schon vorhanden ist und für den in Rede stehenden Zweck nebenbei in Mitbenutzung genommen werden kann, dürften die Kosten für die Anlage und Unterhaltung desselben wohl nur selten durch den Nutzen des besprochenen Verfahrens aus- geglichen werden können. Hierin liegt der Grund, weshalb die An- wendung auch dieses Verfahrens ziemlich vereinzelt geblieben ist. Sehr häufig ist dagegen in der Jetztzeit zu dem erwähnten Zwecke ein theilweiser Zusatz von Erz zu dem Roheisen neben schmied- barem Eisen. Die meisten englischen und sehr viele festländische Werke arbeiten in dieser Weise. Man nennt das Verfahren, welches von Siemens zuerst auf dem Landore-Eisenwerke in England eingeführt wurde, häufig nach jenem Werke den Landore-Process. 1) Abbildung dieser Vorrichtung: Oesterr. Ztschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, Taf. X, sowie Patentschrift des D. R. Nr. 13 679.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 867. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/951>, abgerufen am 18.05.2024.