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Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884.

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Der Hochofenbetrieb.
untergelegte Steine oder in anderer Weise unterstützt waren und ihre
Oberkante ein wenig tiefer lag als der obere Rand der Oeffnung, und
schob nun über diese Querstange hinweg eine Anzahl langer Eisen-
stangen in das Gestell bis zur Rückwand des Ofens. Zwischen den
einzelnen Stangen liess man soviel Zwischenraum, dass die Asche und
kleineren Kohlenstücke hindurchfallen konnten, die grösseren Stücke
aber nicht. Die Stangen, deren aussen befindliche Enden durch Arbeiter
oder durch irgend eine einfache Vorrichtung festgehalten wurden,
bildeten demnach einen horizontalen Rost, unter welchem nunmehr die
angesammelte Asche mit langen Krücken ausgeräumt wurde. Wegen
der von den glühenden Kohlen ausgestrahlten grossen Hitze war dieses
Rostschlagen eine mühselige Arbeit, musste aber doch mindestens alle
12 Stunden wiederholt werden, so dass bei grösseren Oefen nicht selten
ein 50--60 maliges Rostschlagen erforderlich war.

War der Hochofen in der beschriebenen Weise mit Brennstoff
gefüllt, so begann man schwache Erzgichten zu setzen. Sehr vor-
sichtige Hochofenmeister liessen auch jetzt noch die Verbrennung der
Kohlen lediglich durch den natürlich zutretenden Luftzug bewirken,
bis die erste Schlacke sich zeigte; gewöhnlich jedoch öffnete man,
nachdem die erste Erzgicht gesetzt worden war, die Formen und blies
mit sehr schwacher Pressung Gebläsewind ein. In jedem Falle musste,
so lange noch keine geschmolzene Schlacke sich zeigte, auch jetzt noch
das Rostschlagen fortgesetzt werden, und erst, wenn flüssige Schlacke
vor die Formen trat, wurde der Wallstein eingesetzt, beziehentlich das
Gestell vollständig geschlossen. Der Erzsatz wurde allmählich gesteigert
und nach Verlauf von 4--8 Wochen, vom Beginne des Füllens an
gerechnet, pflegte der Ofen in vollen Betrieb gekommen zu sein.

Noch jetzt wird bei Holzkohlenhochöfen mitunter diese Methode
des Anblasens befolgt. Sie gewährt eine grosse Sicherheit für den
späteren guten Gang des Hochofens, und ihre hauptsächlichsten Nach-
theile -- grosser Kohlenverbrauch und lange Zeitdauer -- fallen um
so unbedeutender aus, je kleiner der Ofen ist.

Umgekehrt aber musste die seit den vierziger Jahren zunehmende
Vergrösserung der mit Koks betriebenen Hochöfen nothwendigerweise
zu einer Vereinfachung jener Methode des Anblasens führen, welche
bei ungeänderter Anwendung für die grossen Oefen der Jetztzeit ausser-
ordentlich grosse Opfer an Kohlen, Arbeitslöhnen und Zeit erheischen
würde. Zuerst kürzte man in England das Verfahren, indem man zu
unterst Holz in den Ofen brachte, darüber Koks; mit dem Erzsatze
begann man, wenn der Ofen bis zu etwa der Hälfte seiner Höhe ge-
füllt war, entzündete alsdann das Holz und füllte nun allmählich den
Ofen, worauf der Wind eingelassen wurde. 1) Durch Lürmann in
Georgs-Marienhütte wurde das Verfahren noch weiter vervollkommnet
und insbesondere das so lästige und zeitraubende Rostschlagen voll-
ständig beseitigt.

Dieses abgekürzte, jetzt bei grossen Hochöfen ganz allgemein

1) Nach Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde (Abth. 2, S. 734), wurde der
erste Ofen in dieser Weise im Jahre 1863 durch Parry zu Ebbw Vale angeblasen.

Der Hochofenbetrieb.
untergelegte Steine oder in anderer Weise unterstützt waren und ihre
Oberkante ein wenig tiefer lag als der obere Rand der Oeffnung, und
schob nun über diese Querstange hinweg eine Anzahl langer Eisen-
stangen in das Gestell bis zur Rückwand des Ofens. Zwischen den
einzelnen Stangen liess man soviel Zwischenraum, dass die Asche und
kleineren Kohlenstücke hindurchfallen konnten, die grösseren Stücke
aber nicht. Die Stangen, deren aussen befindliche Enden durch Arbeiter
oder durch irgend eine einfache Vorrichtung festgehalten wurden,
bildeten demnach einen horizontalen Rost, unter welchem nunmehr die
angesammelte Asche mit langen Krücken ausgeräumt wurde. Wegen
der von den glühenden Kohlen ausgestrahlten grossen Hitze war dieses
Rostschlagen eine mühselige Arbeit, musste aber doch mindestens alle
12 Stunden wiederholt werden, so dass bei grösseren Oefen nicht selten
ein 50—60 maliges Rostschlagen erforderlich war.

War der Hochofen in der beschriebenen Weise mit Brennstoff
gefüllt, so begann man schwache Erzgichten zu setzen. Sehr vor-
sichtige Hochofenmeister liessen auch jetzt noch die Verbrennung der
Kohlen lediglich durch den natürlich zutretenden Luftzug bewirken,
bis die erste Schlacke sich zeigte; gewöhnlich jedoch öffnete man,
nachdem die erste Erzgicht gesetzt worden war, die Formen und blies
mit sehr schwacher Pressung Gebläsewind ein. In jedem Falle musste,
so lange noch keine geschmolzene Schlacke sich zeigte, auch jetzt noch
das Rostschlagen fortgesetzt werden, und erst, wenn flüssige Schlacke
vor die Formen trat, wurde der Wallstein eingesetzt, beziehentlich das
Gestell vollständig geschlossen. Der Erzsatz wurde allmählich gesteigert
und nach Verlauf von 4—8 Wochen, vom Beginne des Füllens an
gerechnet, pflegte der Ofen in vollen Betrieb gekommen zu sein.

Noch jetzt wird bei Holzkohlenhochöfen mitunter diese Methode
des Anblasens befolgt. Sie gewährt eine grosse Sicherheit für den
späteren guten Gang des Hochofens, und ihre hauptsächlichsten Nach-
theile — grosser Kohlenverbrauch und lange Zeitdauer — fallen um
so unbedeutender aus, je kleiner der Ofen ist.

Umgekehrt aber musste die seit den vierziger Jahren zunehmende
Vergrösserung der mit Koks betriebenen Hochöfen nothwendigerweise
zu einer Vereinfachung jener Methode des Anblasens führen, welche
bei ungeänderter Anwendung für die grossen Oefen der Jetztzeit ausser-
ordentlich grosse Opfer an Kohlen, Arbeitslöhnen und Zeit erheischen
würde. Zuerst kürzte man in England das Verfahren, indem man zu
unterst Holz in den Ofen brachte, darüber Koks; mit dem Erzsatze
begann man, wenn der Ofen bis zu etwa der Hälfte seiner Höhe ge-
füllt war, entzündete alsdann das Holz und füllte nun allmählich den
Ofen, worauf der Wind eingelassen wurde. 1) Durch Lürmann in
Georgs-Marienhütte wurde das Verfahren noch weiter vervollkommnet
und insbesondere das so lästige und zeitraubende Rostschlagen voll-
ständig beseitigt.

Dieses abgekürzte, jetzt bei grossen Hochöfen ganz allgemein

1) Nach Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde (Abth. 2, S. 734), wurde der
erste Ofen in dieser Weise im Jahre 1863 durch Parry zu Ebbw Vale angeblasen.
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[506/0566] Der Hochofenbetrieb. untergelegte Steine oder in anderer Weise unterstützt waren und ihre Oberkante ein wenig tiefer lag als der obere Rand der Oeffnung, und schob nun über diese Querstange hinweg eine Anzahl langer Eisen- stangen in das Gestell bis zur Rückwand des Ofens. Zwischen den einzelnen Stangen liess man soviel Zwischenraum, dass die Asche und kleineren Kohlenstücke hindurchfallen konnten, die grösseren Stücke aber nicht. Die Stangen, deren aussen befindliche Enden durch Arbeiter oder durch irgend eine einfache Vorrichtung festgehalten wurden, bildeten demnach einen horizontalen Rost, unter welchem nunmehr die angesammelte Asche mit langen Krücken ausgeräumt wurde. Wegen der von den glühenden Kohlen ausgestrahlten grossen Hitze war dieses Rostschlagen eine mühselige Arbeit, musste aber doch mindestens alle 12 Stunden wiederholt werden, so dass bei grösseren Oefen nicht selten ein 50—60 maliges Rostschlagen erforderlich war. War der Hochofen in der beschriebenen Weise mit Brennstoff gefüllt, so begann man schwache Erzgichten zu setzen. Sehr vor- sichtige Hochofenmeister liessen auch jetzt noch die Verbrennung der Kohlen lediglich durch den natürlich zutretenden Luftzug bewirken, bis die erste Schlacke sich zeigte; gewöhnlich jedoch öffnete man, nachdem die erste Erzgicht gesetzt worden war, die Formen und blies mit sehr schwacher Pressung Gebläsewind ein. In jedem Falle musste, so lange noch keine geschmolzene Schlacke sich zeigte, auch jetzt noch das Rostschlagen fortgesetzt werden, und erst, wenn flüssige Schlacke vor die Formen trat, wurde der Wallstein eingesetzt, beziehentlich das Gestell vollständig geschlossen. Der Erzsatz wurde allmählich gesteigert und nach Verlauf von 4—8 Wochen, vom Beginne des Füllens an gerechnet, pflegte der Ofen in vollen Betrieb gekommen zu sein. Noch jetzt wird bei Holzkohlenhochöfen mitunter diese Methode des Anblasens befolgt. Sie gewährt eine grosse Sicherheit für den späteren guten Gang des Hochofens, und ihre hauptsächlichsten Nach- theile — grosser Kohlenverbrauch und lange Zeitdauer — fallen um so unbedeutender aus, je kleiner der Ofen ist. Umgekehrt aber musste die seit den vierziger Jahren zunehmende Vergrösserung der mit Koks betriebenen Hochöfen nothwendigerweise zu einer Vereinfachung jener Methode des Anblasens führen, welche bei ungeänderter Anwendung für die grossen Oefen der Jetztzeit ausser- ordentlich grosse Opfer an Kohlen, Arbeitslöhnen und Zeit erheischen würde. Zuerst kürzte man in England das Verfahren, indem man zu unterst Holz in den Ofen brachte, darüber Koks; mit dem Erzsatze begann man, wenn der Ofen bis zu etwa der Hälfte seiner Höhe ge- füllt war, entzündete alsdann das Holz und füllte nun allmählich den Ofen, worauf der Wind eingelassen wurde. 1) Durch Lürmann in Georgs-Marienhütte wurde das Verfahren noch weiter vervollkommnet und insbesondere das so lästige und zeitraubende Rostschlagen voll- ständig beseitigt. Dieses abgekürzte, jetzt bei grossen Hochöfen ganz allgemein 1) Nach Percy-Wedding, Eisenhüttenkunde (Abth. 2, S. 734), wurde der erste Ofen in dieser Weise im Jahre 1863 durch Parry zu Ebbw Vale angeblasen.

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Zitationshilfe: Ledebur, Adolf: Handbuch der Eisenhüttenkunde. Leipzig, 1884, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledebur_eisenhuettenkunde_1884/566>, abgerufen am 11.06.2024.