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Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

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gen und zugleich verkehrten Herzens. Laß mich
es doch nicht vergessen, daß dein lieber Sohn alle
Sünden der ganzen Welt, auch alle meine Sünden
getragen habe, daß du nicht ungerecht seyn, und
für einerley Verbrechen zweymal die Strafen auf-
legen könnest; daß du die größten Sünder mit noch
größerer Liebe stets aufgenommen habest, wenn sie
zur Besserung umkehrten; daß Petrus dich verläug-
net, Paulus dich gelästert und verfolgt, David
mit den schweresten Verbrechen ein ganzes Volk
geärgert, und doch Vergebung bey dir gefunden
habe. Laß mich deinen theuren Eid hören, und
ferner nicht zweifeln: So wahr ich lebe, ich will
nicht den Tod des Sünders: sondern daß er sich
bekehre und lebe. Erfülle ihn an mir, diesen hohen
Eid. Um Jesu meines Versöhners willen, tilge
alle meine Sünde, gedenke meiner Missethaten nicht
mehr. Ja! ja! er wird es thun, mein Gott! er ist
nicht ein Mensch, daß er lüge; noch daß ihn etwas
gereue. Das Blut Jesu Christi, des Sohnes
Gottes, das machet mich rein, von allen, von allen
Sünden. Siehe! das ist Gottes Lamm, das der
ganzen Welt, das auch meine Sünden getragen hat.
Befestige diesen Glauben in mir, o du Geist der
Gnaden! der du allein das Herz änderst. Stille
meine Seele: erwecke die erloschene Liebe zu Gott:
daß diese Gewissensangst fernerhin mich nicht quäle;
daß der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle
Vernunft, meinen Geist und meine Sinnen bewah-
re, daß ich mit erneuerten Kräften als dein Kind,
o Gott! in reinem Gewissen dir diene. Mein Le-
benlang will ich gedenken an diese Angst meiner
Seele; stets soll dieser quälende Vorschmack der
Höllen mich von allen Sünden zurück schrecken.
Durch deinen Geist gestärkt, will ich das, was
mein Exempel in andern verderbt hat, so viel ich

nur
E 5

gen und zugleich verkehrten Herzens. Laß mich
es doch nicht vergeſſen, daß dein lieber Sohn alle
Sünden der ganzen Welt, auch alle meine Sünden
getragen habe, daß du nicht ungerecht ſeyn, und
für einerley Verbrechen zweymal die Strafen auf-
legen könneſt; daß du die größten Sünder mit noch
größerer Liebe ſtets aufgenommen habeſt, wenn ſie
zur Beſſerung umkehrten; daß Petrus dich verläug-
net, Paulus dich geläſtert und verfolgt, David
mit den ſchwereſten Verbrechen ein ganzes Volk
geärgert, und doch Vergebung bey dir gefunden
habe. Laß mich deinen theuren Eid hören, und
ferner nicht zweifeln: So wahr ich lebe, ich will
nicht den Tod des Sünders: ſondern daß er ſich
bekehre und lebe. Erfülle ihn an mir, dieſen hohen
Eid. Um Jeſu meines Verſöhners willen, tilge
alle meine Sünde, gedenke meiner Miſſethaten nicht
mehr. Ja! ja! er wird es thun, mein Gott! er iſt
nicht ein Menſch, daß er lüge; noch daß ihn etwas
gereue. Das Blut Jeſu Chriſti, des Sohnes
Gottes, das machet mich rein, von allen, von allen
Sünden. Siehe! das iſt Gottes Lamm, das der
ganzen Welt, das auch meine Sünden getragen hat.
Befeſtige dieſen Glauben in mir, o du Geiſt der
Gnaden! der du allein das Herz änderſt. Stille
meine Seele: erwecke die erloſchene Liebe zu Gott:
daß dieſe Gewiſſensangſt fernerhin mich nicht quäle;
daß der Friede Gottes, welcher höher iſt, denn alle
Vernunft, meinen Geiſt und meine Sinnen bewah-
re, daß ich mit erneuerten Kräften als dein Kind,
o Gott! in reinem Gewiſſen dir diene. Mein Le-
benlang will ich gedenken an dieſe Angſt meiner
Seele; ſtets ſoll dieſer quälende Vorſchmack der
Höllen mich von allen Sünden zurück ſchrecken.
Durch deinen Geiſt geſtärkt, will ich das, was
mein Exempel in andern verderbt hat, ſo viel ich

nur
E 5
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[73/0075] gen und zugleich verkehrten Herzens. Laß mich es doch nicht vergeſſen, daß dein lieber Sohn alle Sünden der ganzen Welt, auch alle meine Sünden getragen habe, daß du nicht ungerecht ſeyn, und für einerley Verbrechen zweymal die Strafen auf- legen könneſt; daß du die größten Sünder mit noch größerer Liebe ſtets aufgenommen habeſt, wenn ſie zur Beſſerung umkehrten; daß Petrus dich verläug- net, Paulus dich geläſtert und verfolgt, David mit den ſchwereſten Verbrechen ein ganzes Volk geärgert, und doch Vergebung bey dir gefunden habe. Laß mich deinen theuren Eid hören, und ferner nicht zweifeln: So wahr ich lebe, ich will nicht den Tod des Sünders: ſondern daß er ſich bekehre und lebe. Erfülle ihn an mir, dieſen hohen Eid. Um Jeſu meines Verſöhners willen, tilge alle meine Sünde, gedenke meiner Miſſethaten nicht mehr. Ja! ja! er wird es thun, mein Gott! er iſt nicht ein Menſch, daß er lüge; noch daß ihn etwas gereue. Das Blut Jeſu Chriſti, des Sohnes Gottes, das machet mich rein, von allen, von allen Sünden. Siehe! das iſt Gottes Lamm, das der ganzen Welt, das auch meine Sünden getragen hat. Befeſtige dieſen Glauben in mir, o du Geiſt der Gnaden! der du allein das Herz änderſt. Stille meine Seele: erwecke die erloſchene Liebe zu Gott: daß dieſe Gewiſſensangſt fernerhin mich nicht quäle; daß der Friede Gottes, welcher höher iſt, denn alle Vernunft, meinen Geiſt und meine Sinnen bewah- re, daß ich mit erneuerten Kräften als dein Kind, o Gott! in reinem Gewiſſen dir diene. Mein Le- benlang will ich gedenken an dieſe Angſt meiner Seele; ſtets ſoll dieſer quälende Vorſchmack der Höllen mich von allen Sünden zurück ſchrecken. Durch deinen Geiſt geſtärkt, will ich das, was mein Exempel in andern verderbt hat, ſo viel ich nur E 5

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/75>, abgerufen am 13.06.2024.