Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

Bild:
<< vorherige Seite

Vermischte Nationalgesichter.
"Geräthe, ihre Hütten und Boote sind äußerst schlecht und elend, und verrathen gerade nur Erfin-
"dungskraft genug, sich des Aussterbens zu erwehren. Sie wissen ihre Speisen nicht zuzubereiten,
"sondern verschlucken alles roh und mit der größten Begierde. Vielleicht wären sie sinnreicher, wenn
"sie noch andere Feinde kennten, als Hunger und Frost; aber es giebt keine Thiere da, die ihnen
"furchtbar wären; wiewohl Herr Banks auf einem hohen Berge den Fußstapfen eines großen
"Thieres sah, dessen Geschlecht er nicht errathen konnte. Sie stinken zum Theil unerträglich, und
"sind so dumm, daß sie, wie mir Herr Forster erzählt hat, kaum die verständlichsten Zeichen ver-
"stehen konnten, durch die er mit ihnen sprechen wollte." -- Jch thue nichts hinzu, als: Wie lautet
wohl die Sentenz unten an diese Gesichter geschrieben --

Talente und Anlagen drücken sich in den festen Theilen und ruhenden Gesichts-
zügen nicht aus!

Zum Kontraste setze ich hier noch eine Silhouette eines der weisesten, gelehrtesten, feinsten,
edelsten Denker!

[Abbildung]
Hier

Vermiſchte Nationalgeſichter.
„Geraͤthe, ihre Huͤtten und Boote ſind aͤußerſt ſchlecht und elend, und verrathen gerade nur Erfin-
„dungskraft genug, ſich des Ausſterbens zu erwehren. Sie wiſſen ihre Speiſen nicht zuzubereiten,
„ſondern verſchlucken alles roh und mit der groͤßten Begierde. Vielleicht waͤren ſie ſinnreicher, wenn
„ſie noch andere Feinde kennten, als Hunger und Froſt; aber es giebt keine Thiere da, die ihnen
„furchtbar waͤren; wiewohl Herr Banks auf einem hohen Berge den Fußſtapfen eines großen
„Thieres ſah, deſſen Geſchlecht er nicht errathen konnte. Sie ſtinken zum Theil unertraͤglich, und
„ſind ſo dumm, daß ſie, wie mir Herr Forſter erzaͤhlt hat, kaum die verſtaͤndlichſten Zeichen ver-
„ſtehen konnten, durch die er mit ihnen ſprechen wollte.“ — Jch thue nichts hinzu, als: Wie lautet
wohl die Sentenz unten an dieſe Geſichter geſchrieben —

Talente und Anlagen druͤcken ſich in den feſten Theilen und ruhenden Geſichts-
zuͤgen nicht aus!

Zum Kontraſte ſetze ich hier noch eine Silhouette eines der weiſeſten, gelehrteſten, feinſten,
edelſten Denker!

[Abbildung]
Hier
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0375" n="319"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Nationalge&#x017F;ichter.</hi></fw><lb/>
&#x201E;Gera&#x0364;the, ihre Hu&#x0364;tten und Boote &#x017F;ind a&#x0364;ußer&#x017F;t &#x017F;chlecht und elend, und verrathen gerade nur Erfin-<lb/>
&#x201E;dungskraft genug, &#x017F;ich des Aus&#x017F;terbens zu erwehren. Sie wi&#x017F;&#x017F;en ihre Spei&#x017F;en nicht zuzubereiten,<lb/>
&#x201E;&#x017F;ondern ver&#x017F;chlucken alles roh und mit der gro&#x0364;ßten Begierde. Vielleicht wa&#x0364;ren &#x017F;ie &#x017F;innreicher, wenn<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie noch andere Feinde kennten, als Hunger und Fro&#x017F;t; aber es giebt keine Thiere da, die ihnen<lb/>
&#x201E;furchtbar wa&#x0364;ren; wiewohl Herr <hi rendition="#fr">Banks</hi> auf einem hohen Berge den Fuß&#x017F;tapfen eines großen<lb/>
&#x201E;Thieres &#x017F;ah, de&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;chlecht er nicht errathen konnte. Sie &#x017F;tinken zum Theil unertra&#x0364;glich, und<lb/>
&#x201E;&#x017F;ind &#x017F;o dumm, daß &#x017F;ie, wie mir Herr <hi rendition="#fr">For&#x017F;ter</hi> erza&#x0364;hlt hat, kaum die ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich&#x017F;ten Zeichen ver-<lb/>
&#x201E;&#x017F;tehen konnten, durch die er mit ihnen &#x017F;prechen wollte.&#x201C; &#x2014; Jch thue nichts hinzu, als: Wie lautet<lb/>
wohl die Sentenz unten an die&#x017F;e Ge&#x017F;ichter ge&#x017F;chrieben &#x2014;</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Talente und Anlagen dru&#x0364;cken &#x017F;ich in den fe&#x017F;ten Theilen und ruhenden Ge&#x017F;ichts-<lb/>
zu&#x0364;gen nicht aus!</hi> </p><lb/>
            <p>Zum Kontra&#x017F;te &#x017F;etze ich hier noch eine Silhouette eines der wei&#x017F;e&#x017F;ten, gelehrte&#x017F;ten, fein&#x017F;ten,<lb/>
edel&#x017F;ten Denker!</p><lb/>
            <figure/>
            <fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[319/0375] Vermiſchte Nationalgeſichter. „Geraͤthe, ihre Huͤtten und Boote ſind aͤußerſt ſchlecht und elend, und verrathen gerade nur Erfin- „dungskraft genug, ſich des Ausſterbens zu erwehren. Sie wiſſen ihre Speiſen nicht zuzubereiten, „ſondern verſchlucken alles roh und mit der groͤßten Begierde. Vielleicht waͤren ſie ſinnreicher, wenn „ſie noch andere Feinde kennten, als Hunger und Froſt; aber es giebt keine Thiere da, die ihnen „furchtbar waͤren; wiewohl Herr Banks auf einem hohen Berge den Fußſtapfen eines großen „Thieres ſah, deſſen Geſchlecht er nicht errathen konnte. Sie ſtinken zum Theil unertraͤglich, und „ſind ſo dumm, daß ſie, wie mir Herr Forſter erzaͤhlt hat, kaum die verſtaͤndlichſten Zeichen ver- „ſtehen konnten, durch die er mit ihnen ſprechen wollte.“ — Jch thue nichts hinzu, als: Wie lautet wohl die Sentenz unten an dieſe Geſichter geſchrieben — Talente und Anlagen druͤcken ſich in den feſten Theilen und ruhenden Geſichts- zuͤgen nicht aus! Zum Kontraſte ſetze ich hier noch eine Silhouette eines der weiſeſten, gelehrteſten, feinſten, edelſten Denker! [Abbildung] Hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/375
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/375>, abgerufen am 11.05.2024.