Es wäre blos vom Nutzen der Physiognomik ein ganzes großes Buch zu schreiben; eine Menge Bücher -- der gewisseste aber geringste Nutzen ist für die Mahler, deren ganze Kunst nichts ist, wenn sie nicht Physiognomik ist -- und der grösseste ist -- die Bildung, Leitung und Besserung der menschlichen Herzen. Jch werde häufige Gelegenheit haben, einzelne Anmerkungen anzubringen, die diesen Nutzen fühlbar genug machen werden. So viel will ich nur noch zum Beschluß dieses -- ach! wie unvollkommenen Fragmentes sagen -- was ich zum Theil auch schon habe sagen müssen -- "das Bischen physiognomische Kenntniß, das ich mir "erworben -- und die Erweiterung meines physiognomischen Gefühls -- ist mir nicht nur täglich "unbeschreiblich nützlich, sondern -- ich darf sagen, beynahe unentbehrlich, und ich darf, aus "Furcht vor dem Vorwurfe des Enthusiasmus, den man jedem Liebhaber einer Sache sogleich zu "machen pflegt, nicht den zehenten Theil von dem Nutzen bekannt machen, den ich für meine Per- "son, theils daraus geschöpft habe, theils für mich und andere Menschen daraus zu schöpfen mir "noch versprechen darf -- und dessen Ueberdenkung allein mich nicht nur unter der Last dieser "gleichsam verstohlener Weise erfochtenen Arbeit unterstützt, sondern auch oft Freudenthränen "entlockt."
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Vierzehntes
XIII.Fragment. Vom Nutzen der Phyſiognomik.
Es waͤre blos vom Nutzen der Phyſiognomik ein ganzes großes Buch zu ſchreiben; eine Menge Buͤcher — der gewiſſeſte aber geringſte Nutzen iſt fuͤr die Mahler, deren ganze Kunſt nichts iſt, wenn ſie nicht Phyſiognomik iſt — und der groͤſſeſte iſt — die Bildung, Leitung und Beſſerung der menſchlichen Herzen. Jch werde haͤufige Gelegenheit haben, einzelne Anmerkungen anzubringen, die dieſen Nutzen fuͤhlbar genug machen werden. So viel will ich nur noch zum Beſchluß dieſes — ach! wie unvollkommenen Fragmentes ſagen — was ich zum Theil auch ſchon habe ſagen muͤſſen — „das Bischen phyſiognomiſche Kenntniß, das ich mir „erworben — und die Erweiterung meines phyſiognomiſchen Gefuͤhls — iſt mir nicht nur taͤglich „unbeſchreiblich nuͤtzlich, ſondern — ich darf ſagen, beynahe unentbehrlich, und ich darf, aus „Furcht vor dem Vorwurfe des Enthuſiasmus, den man jedem Liebhaber einer Sache ſogleich zu „machen pflegt, nicht den zehenten Theil von dem Nutzen bekannt machen, den ich fuͤr meine Per- „ſon, theils daraus geſchoͤpft habe, theils fuͤr mich und andere Menſchen daraus zu ſchoͤpfen mir „noch verſprechen darf — und deſſen Ueberdenkung allein mich nicht nur unter der Laſt dieſer „gleichſam verſtohlener Weiſe erfochtenen Arbeit unterſtuͤtzt, ſondern auch oft Freudenthraͤnen „entlockt.“
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Vierzehntes
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XIII. Fragment. Vom Nutzen der Phyſiognomik.
Es waͤre blos vom Nutzen der Phyſiognomik ein ganzes großes Buch zu ſchreiben; eine
Menge Buͤcher — der gewiſſeſte aber geringſte Nutzen iſt fuͤr die Mahler, deren ganze
Kunſt nichts iſt, wenn ſie nicht Phyſiognomik iſt — und der groͤſſeſte iſt — die Bildung,
Leitung und Beſſerung der menſchlichen Herzen. Jch werde haͤufige Gelegenheit
haben, einzelne Anmerkungen anzubringen, die dieſen Nutzen fuͤhlbar genug machen werden. So
viel will ich nur noch zum Beſchluß dieſes — ach! wie unvollkommenen Fragmentes ſagen — was
ich zum Theil auch ſchon habe ſagen muͤſſen — „das Bischen phyſiognomiſche Kenntniß, das ich mir
„erworben — und die Erweiterung meines phyſiognomiſchen Gefuͤhls — iſt mir nicht nur taͤglich
„unbeſchreiblich nuͤtzlich, ſondern — ich darf ſagen, beynahe unentbehrlich, und ich darf, aus
„Furcht vor dem Vorwurfe des Enthuſiasmus, den man jedem Liebhaber einer Sache ſogleich zu
„machen pflegt, nicht den zehenten Theil von dem Nutzen bekannt machen, den ich fuͤr meine Per-
„ſon, theils daraus geſchoͤpft habe, theils fuͤr mich und andere Menſchen daraus zu ſchoͤpfen mir
„noch verſprechen darf — und deſſen Ueberdenkung allein mich nicht nur unter der Laſt dieſer
„gleichſam verſtohlener Weiſe erfochtenen Arbeit unterſtuͤtzt, ſondern auch oft Freudenthraͤnen
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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/230>, abgerufen am 16.02.2025.
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