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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Alles, was ihr wollet etc.

Man muß auch gar nicht denken, daß dadurch al-
les Strafen, Tadeln, Zörnen, (ohne welches die
menschliche Gesellschaft einer Speise ohne Salz gleichen
würde), aufgehoben werde. Freylich, eine unangeneh-
me, meinen Wünschen entgegen laufende Empfindung
wird in mir rege, wenn ich bestraft werde; Eine Em-
pfindung -- deren ich gern überhoben seyn mögte; Al-
lein, wenn ich nur dabey fühle: der andere will mir
nicht wehe thun,
um mir wehe zu thun -- Er thut
kein Gran mehr Bitterkeit in seine Arzney, als er zu mei-
ner Correkzion und Verbesseruug nöthig erachtet ----
wenn ich hintennach, ich mag wollen oder nicht, genöthi-
get bin zu erkennen: Das war mir gut, Seit dem und
"durch das, bin ich besser, ruhiger, weiser, glücklicher
"geworden" -- werd ich dann wenigstens nicht gestehen
müssen: Er hat mit mir nach der Vorschrift: Alles,
was ihr wollet,
gehandelt.

Wie mehr wir dieser Regel mit Treu und Einfalt
gehorchen, desto mehr Fälle werden sich uns darstellen
-- wo wir sie mit dem glücklichsten, dem Erstaunens-
würdigsten Erfolg anwenden können. -- Eine zuver-
läßigere Universal-Medizin -- Einen kostbarern Stein
der Weisen
kenn' ich nicht, und wünsch' ich nicht zu
kennen, als diese Vorschrift tief verstanden und redlich
ausgeübt.

50.
Enge Pforte.

Gehet hinein durch die enge Pforte. DennMatth.
VII. 13. 14.

die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur

Ver-
D 5
Alles, was ihr wollet ꝛc.

Man muß auch gar nicht denken, daß dadurch al-
les Strafen, Tadeln, Zörnen, (ohne welches die
menſchliche Geſellſchaft einer Speiſe ohne Salz gleichen
würde), aufgehoben werde. Freylich, eine unangeneh-
me, meinen Wünſchen entgegen laufende Empfindung
wird in mir rege, wenn ich beſtraft werde; Eine Em-
pfindung — deren ich gern überhoben ſeyn mögte; Al-
lein, wenn ich nur dabey fühle: der andere will mir
nicht wehe thun,
um mir wehe zu thun — Er thut
kein Gran mehr Bitterkeit in ſeine Arzney, als er zu mei-
ner Correkzion und Verbeſſeruug nöthig erachtet ——
wenn ich hintennach, ich mag wollen oder nicht, genöthi-
get bin zu erkennen: Das war mir gut, Seit dem und
„durch das, bin ich beſſer, ruhiger, weiſer, glücklicher
„geworden„ — werd ich dann wenigſtens nicht geſtehen
müſſen: Er hat mit mir nach der Vorſchrift: Alles,
was ihr wollet,
gehandelt.

Wie mehr wir dieſer Regel mit Treu und Einfalt
gehorchen, deſto mehr Fälle werden ſich uns darſtellen
— wo wir ſie mit dem glücklichſten, dem Erſtaunens-
würdigſten Erfolg anwenden können. — Eine zuver-
läßigere Univerſal-Medizin — Einen koſtbarern Stein
der Weiſen
kenn’ ich nicht, und wünſch’ ich nicht zu
kennen, als dieſe Vorſchrift tief verſtanden und redlich
ausgeübt.

50.
Enge Pforte.

Gehet hinein durch die enge Pforte. DennMatth.
VII. 13. 14.

die Pforte iſt weit und der Weg iſt breit, der zur

Ver-
D 5
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[57[77]/0085] Alles, was ihr wollet ꝛc. Man muß auch gar nicht denken, daß dadurch al- les Strafen, Tadeln, Zörnen, (ohne welches die menſchliche Geſellſchaft einer Speiſe ohne Salz gleichen würde), aufgehoben werde. Freylich, eine unangeneh- me, meinen Wünſchen entgegen laufende Empfindung wird in mir rege, wenn ich beſtraft werde; Eine Em- pfindung — deren ich gern überhoben ſeyn mögte; Al- lein, wenn ich nur dabey fühle: der andere will mir nicht wehe thun, um mir wehe zu thun — Er thut kein Gran mehr Bitterkeit in ſeine Arzney, als er zu mei- ner Correkzion und Verbeſſeruug nöthig erachtet —— wenn ich hintennach, ich mag wollen oder nicht, genöthi- get bin zu erkennen: Das war mir gut, Seit dem und „durch das, bin ich beſſer, ruhiger, weiſer, glücklicher „geworden„ — werd ich dann wenigſtens nicht geſtehen müſſen: Er hat mit mir nach der Vorſchrift: Alles, was ihr wollet, gehandelt. Wie mehr wir dieſer Regel mit Treu und Einfalt gehorchen, deſto mehr Fälle werden ſich uns darſtellen — wo wir ſie mit dem glücklichſten, dem Erſtaunens- würdigſten Erfolg anwenden können. — Eine zuver- läßigere Univerſal-Medizin — Einen koſtbarern Stein der Weiſen kenn’ ich nicht, und wünſch’ ich nicht zu kennen, als dieſe Vorſchrift tief verſtanden und redlich ausgeübt. 50. Enge Pforte. Gehet hinein durch die enge Pforte. Denn die Pforte iſt weit und der Weg iſt breit, der zur Ver- Matth. VII. 13. 14. D 5

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 57[77]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/85>, abgerufen am 04.09.2024.