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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Letzter Auftrag und Verheissungen Jesu.

Der Glaube ist's, was Christus in jedem Herzen
so hochschätzt, so sehr wie möglich, anfacht, zu stärken,
zu gründen sucht; Der Unglaube, was Ihm und sei-
ner wohlthätig freyen Wirksamkeit am unmittelbarsten
im Wege steht. Wer glauben kann, kann alles. Wer
Sinn, offnen Sinn hat für die Wahrheit, der ist auf
dem sichern Wege zur Glückseeligkeit. Unglaube oder
Mangel an Sinn, an Aufmerksamkeit für die Wahrheit,
ist das allgemeinste und schrecklichste Hinderniß der Glück-
seeligkeit. Unglaube ist Härtigkeit des Herzens.
Glaube
ist die wahreste Empfindsamkeit. Wer einem
ehrlichen, gegenwärtigen umständlich erzählenden Zeugen,
der mit Ernst und Empfindung spricht, nicht glauben will,
dessen Sinn für die Wahrheit ist schon wie gelähmt. Wer
kein Gefühl mehr hat für lebendig vor Ihm stehende
Ehrlichkeit -- der verdient Vorwürfe von dem Gerech-
testen und Sanftmüthigsten. Wer das Evangelium,
wer die naiven natürlichen künstlosen Erzählungen
der vier Evangelisten, von Christus, seinen Lehren, Tha-
ten, Schicksalen lieset, und nicht fühlt, daß Ehrlich-
keit die Feder geführt, und Wahrheit alles diktirt und
angegeben hat, dem fürcht' ich, wird Christus einst
Vorwürfe machen wegen seines Unglaubens und der
Härtigkeit seines Herzens.

30.
Letzter Auftrag und Verheissungen Jesu.

Und Er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt,Mark.
XVI. 15-18.

und prediget das Evangelium aller Creatur. Wer

da
Letzter Auftrag und Verheiſſungen Jeſu.

Der Glaube iſt’s, was Chriſtus in jedem Herzen
ſo hochſchätzt, ſo ſehr wie möglich, anfacht, zu ſtärken,
zu gründen ſucht; Der Unglaube, was Ihm und ſei-
ner wohlthätig freyen Wirkſamkeit am unmittelbarſten
im Wege ſteht. Wer glauben kann, kann alles. Wer
Sinn, offnen Sinn hat für die Wahrheit, der iſt auf
dem ſichern Wege zur Glückſeeligkeit. Unglaube oder
Mangel an Sinn, an Aufmerkſamkeit für die Wahrheit,
iſt das allgemeinſte und ſchrecklichſte Hinderniß der Glück-
ſeeligkeit. Unglaube iſt Härtigkeit des Herzens.
Glaube
iſt die wahreſte Empfindſamkeit. Wer einem
ehrlichen, gegenwärtigen umſtändlich erzählenden Zeugen,
der mit Ernſt und Empfindung ſpricht, nicht glauben will,
deſſen Sinn für die Wahrheit iſt ſchon wie gelähmt. Wer
kein Gefühl mehr hat für lebendig vor Ihm ſtehende
Ehrlichkeit — der verdient Vorwürfe von dem Gerech-
teſten und Sanftmüthigſten. Wer das Evangelium,
wer die naiven natürlichen künſtloſen Erzählungen
der vier Evangeliſten, von Chriſtus, ſeinen Lehren, Tha-
ten, Schickſalen lieſet, und nicht fühlt, daß Ehrlich-
keit die Feder geführt, und Wahrheit alles diktirt und
angegeben hat, dem fürcht’ ich, wird Chriſtus einſt
Vorwürfe machen wegen ſeines Unglaubens und der
Härtigkeit ſeines Herzens.

30.
Letzter Auftrag und Verheiſſungen Jeſu.

Und Er ſprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt,Mark.
XVI. 15-18.

und prediget das Evangelium aller Creatur. Wer

da
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[589[609]/0617] Letzter Auftrag und Verheiſſungen Jeſu. Der Glaube iſt’s, was Chriſtus in jedem Herzen ſo hochſchätzt, ſo ſehr wie möglich, anfacht, zu ſtärken, zu gründen ſucht; Der Unglaube, was Ihm und ſei- ner wohlthätig freyen Wirkſamkeit am unmittelbarſten im Wege ſteht. Wer glauben kann, kann alles. Wer Sinn, offnen Sinn hat für die Wahrheit, der iſt auf dem ſichern Wege zur Glückſeeligkeit. Unglaube oder Mangel an Sinn, an Aufmerkſamkeit für die Wahrheit, iſt das allgemeinſte und ſchrecklichſte Hinderniß der Glück- ſeeligkeit. Unglaube iſt Härtigkeit des Herzens. Glaube iſt die wahreſte Empfindſamkeit. Wer einem ehrlichen, gegenwärtigen umſtändlich erzählenden Zeugen, der mit Ernſt und Empfindung ſpricht, nicht glauben will, deſſen Sinn für die Wahrheit iſt ſchon wie gelähmt. Wer kein Gefühl mehr hat für lebendig vor Ihm ſtehende Ehrlichkeit — der verdient Vorwürfe von dem Gerech- teſten und Sanftmüthigſten. Wer das Evangelium, wer die naiven natürlichen künſtloſen Erzählungen der vier Evangeliſten, von Chriſtus, ſeinen Lehren, Tha- ten, Schickſalen lieſet, und nicht fühlt, daß Ehrlich- keit die Feder geführt, und Wahrheit alles diktirt und angegeben hat, dem fürcht’ ich, wird Chriſtus einſt Vorwürfe machen wegen ſeines Unglaubens und der Härtigkeit ſeines Herzens. 30. Letzter Auftrag und Verheiſſungen Jeſu. Und Er ſprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Creatur. Wer da Mark. XVI. 15-18.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 589[609]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/617>, abgerufen am 23.11.2024.