Ueber diese Geschichte machen wir folgende An- merkungen:
1) Es ist die schaamloseste Frechheit, gewisse Men- schen zu fragen: Warum sie dieß oder jenes thun? Wenn die Sache, die sie thun, offenbar gut, nützlich, ihren Geisteskräften, ihrem Charakter, ihrem Beruf angemessen ist; Wenn das, was sie thun, in sich selbst das Gepräge der Wahrheit, Nützlichkeit, Schicklich- keit hat. Es war von den Pharisäern die frechste Fra- ge, die gethan werden könnte. -- Obgleich für ihre Denkungsart die Natürlichste -- (traurig, wenn das Frechste für einen Menschen das Natürlichste ist!) Aus was Macht thust du dieß? Warum durften sie Ihn nicht fragen: Aus welcher Macht, mit wel- chem Rechte erwecktest du Lazarus vom Tode? Alle solche Schalcksfragen böser Menschen, worauf Tha- ten antworten -- und vor der Frage laut geantwortet haben, fliessen aus dem schlimmsten Herzen.
2. Jesus antwortet den listigen Fragen durch eine weise Gegenfrage -- die von seiner tiefen Kenntniß ihres Herzens zeugt: "War die Taufe des Johan- &q;nes aus dem Himmel? oder aus den Menschen? &q;Göttlichen oder menschlichen Ursprungs? War Johan- &q;nes der Täufer von Gott bevollmächtigt? Oder von euch? &q;Oder hatte Er sich selbst bevollmächtigt?" -- In dieser Frage liegt viel Belehrendes und Beschämendes. Der Sinn derselben ist dieser. "Vergleichet Johannes und &q;Mich! Ihn, der keine Wunderthaten verrichtete, &q;waret ihr anfangs geneigt für den Meßias anzusehen
-- und
Macht Chriſti. Taufe Johannes.
Ueber dieſe Geſchichte machen wir folgende An- merkungen:
1) Es iſt die ſchaamloſeſte Frechheit, gewiſſe Men- ſchen zu fragen: Warum ſie dieß oder jenes thun? Wenn die Sache, die ſie thun, offenbar gut, nützlich, ihren Geiſteskräften, ihrem Charakter, ihrem Beruf angemeſſen iſt; Wenn das, was ſie thun, in ſich ſelbſt das Gepräge der Wahrheit, Nützlichkeit, Schicklich- keit hat. Es war von den Phariſäern die frechſte Fra- ge, die gethan werden könnte. — Obgleich für ihre Denkungsart die Natürlichſte — (traurig, wenn das Frechſte für einen Menſchen das Natürlichſte iſt!) Aus was Macht thuſt du dieß? Warum durften ſie Ihn nicht fragen: Aus welcher Macht, mit wel- chem Rechte erweckteſt du Lazarus vom Tode? Alle ſolche Schalcksfragen böſer Menſchen, worauf Tha- ten antworten — und vor der Frage laut geantwortet haben, flieſſen aus dem ſchlimmſten Herzen.
2. Jeſus antwortet den liſtigen Fragen durch eine weiſe Gegenfrage — die von ſeiner tiefen Kenntniß ihres Herzens zeugt: „War die Taufe des Johan- &q;nes aus dem Himmel? oder aus den Menſchen? &q;Göttlichen oder menſchlichen Urſprungs? War Johan- &q;nes der Täufer von Gott bevollmächtigt? Oder von euch? &q;Oder hatte Er ſich ſelbſt bevollmächtigt?„ — In dieſer Frage liegt viel Belehrendes und Beſchämendes. Der Sinn derſelben iſt dieſer. „Vergleichet Johannes und &q;Mich! Ihn, der keine Wunderthaten verrichtete, &q;waret ihr anfangs geneigt für den Meßias anzuſehen
— und
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[319[339]/0347]
Macht Chriſti. Taufe Johannes.
Ueber dieſe Geſchichte machen wir folgende An-
merkungen:
1) Es iſt die ſchaamloſeſte Frechheit, gewiſſe Men-
ſchen zu fragen: Warum ſie dieß oder jenes thun?
Wenn die Sache, die ſie thun, offenbar gut, nützlich,
ihren Geiſteskräften, ihrem Charakter, ihrem Beruf
angemeſſen iſt; Wenn das, was ſie thun, in ſich ſelbſt
das Gepräge der Wahrheit, Nützlichkeit, Schicklich-
keit hat. Es war von den Phariſäern die frechſte Fra-
ge, die gethan werden könnte. — Obgleich für ihre
Denkungsart die Natürlichſte — (traurig, wenn das
Frechſte für einen Menſchen das Natürlichſte iſt!)
Aus was Macht thuſt du dieß? Warum durften ſie
Ihn nicht fragen: Aus welcher Macht, mit wel-
chem Rechte erweckteſt du Lazarus vom Tode?
Alle ſolche Schalcksfragen böſer Menſchen, worauf Tha-
ten antworten — und vor der Frage laut geantwortet
haben, flieſſen aus dem ſchlimmſten Herzen.
2. Jeſus antwortet den liſtigen Fragen durch eine
weiſe Gegenfrage — die von ſeiner tiefen Kenntniß
ihres Herzens zeugt: „War die Taufe des Johan-
&q;nes aus dem Himmel? oder aus den Menſchen?
&q;Göttlichen oder menſchlichen Urſprungs? War Johan-
&q;nes der Täufer von Gott bevollmächtigt? Oder von euch?
&q;Oder hatte Er ſich ſelbſt bevollmächtigt?„ — In dieſer
Frage liegt viel Belehrendes und Beſchämendes. Der
Sinn derſelben iſt dieſer. „Vergleichet Johannes und
&q;Mich! Ihn, der keine Wunderthaten verrichtete,
&q;waret ihr anfangs geneigt für den Meßias anzuſehen
— und
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 319[339]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/347>, abgerufen am 24.11.2024.
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