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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XVI.

Je mehr Jesus seinen Jüngern den Gedanken:
Wer Er sey? nahe legte und entwickelte; Je mehr Ih-
nen über Seine große göttliche Würde ein Licht aufzuge-
hen anfieng; Je mehr sich ihre Gedanken über die von
dem grossen Haufen der Israeliten unterschieden; desto-
mehr ergrif Er alle Gelegenheiten, sie mit den Vorstel-
lungen seines nicht mehr entfernten Leidens bekannt zu
machen. Daß der Meßias durch Leiden in seine
Herrlichkeit eingehen sollte;
Daß die Jünger und
Schüler desselben durch Leiden, Drang, Widerstand,
zur Ehre und Freyheit sich hindurch kämpfen müßten,
dieß suchte Er ihnen so sehr wie möglich einzuprägen. Je
mehr seine Jünger von diesem Gedanken entfernt wa-
ren, desto näher und heller zeigte Er Ihnen diese Seite,
seines und ihres Schicksales. Zum Leiden wollte Je-
sus
seine Jünger bilden und stärken. Es sollte Ihnen
unvergeßliche Wahrheit seyn: Niemand wird ge-
krönet, er kämpfe denn recht. Man kann an-
ders nicht als durch viele Trübsalen in das Reich
Gottes eingehen.
Wer einen andern Weg gehen
oder gehen machen will, hat einen widerchristlichen Sinn.
Christus würd' ihn als einen Satan ansehen! Grosser
erhabener Zug in dem Charakter, ja wohl in dem einzigen,
unvergleichbaren Charakter Christi -- daß er zörnet, und
unwillig wird, wann? Wenn man Ihn leiden macht?
Nein! Wenn man Ihn vom Leiden abhalten will --
Wenn man menschliche Absichten göttlichen vorziehen --
Wenn man um Gottes und der Wahrheit willen nichts
ertragen will!

133. Der
Matthäus XVI.

Je mehr Jeſus ſeinen Jüngern den Gedanken:
Wer Er ſey? nahe legte und entwickelte; Je mehr Ih-
nen über Seine große göttliche Würde ein Licht aufzuge-
hen anfieng; Je mehr ſich ihre Gedanken über die von
dem groſſen Haufen der Iſraeliten unterſchieden; deſto-
mehr ergrif Er alle Gelegenheiten, ſie mit den Vorſtel-
lungen ſeines nicht mehr entfernten Leidens bekannt zu
machen. Daß der Meßias durch Leiden in ſeine
Herrlichkeit eingehen ſollte;
Daß die Jünger und
Schüler deſſelben durch Leiden, Drang, Widerſtand,
zur Ehre und Freyheit ſich hindurch kämpfen müßten,
dieß ſuchte Er ihnen ſo ſehr wie möglich einzuprägen. Je
mehr ſeine Jünger von dieſem Gedanken entfernt wa-
ren, deſto näher und heller zeigte Er Ihnen dieſe Seite,
ſeines und ihres Schickſales. Zum Leiden wollte Je-
ſus
ſeine Jünger bilden und ſtärken. Es ſollte Ihnen
unvergeßliche Wahrheit ſeyn: Niemand wird ge-
krönet, er kämpfe denn recht. Man kann an-
ders nicht als durch viele Trübſalen in das Reich
Gottes eingehen.
Wer einen andern Weg gehen
oder gehen machen will, hat einen widerchriſtlichen Sinn.
Chriſtus würd’ ihn als einen Satan anſehen! Groſſer
erhabener Zug in dem Charakter, ja wohl in dem einzigen,
unvergleichbaren Charakter Chriſti — daß er zörnet, und
unwillig wird, wann? Wenn man Ihn leiden macht?
Nein! Wenn man Ihn vom Leiden abhalten will —
Wenn man menſchliche Abſichten göttlichen vorziehen —
Wenn man um Gottes und der Wahrheit willen nichts
ertragen will!

133. Der
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[226[246]/0254] Matthäus XVI. Je mehr Jeſus ſeinen Jüngern den Gedanken: Wer Er ſey? nahe legte und entwickelte; Je mehr Ih- nen über Seine große göttliche Würde ein Licht aufzuge- hen anfieng; Je mehr ſich ihre Gedanken über die von dem groſſen Haufen der Iſraeliten unterſchieden; deſto- mehr ergrif Er alle Gelegenheiten, ſie mit den Vorſtel- lungen ſeines nicht mehr entfernten Leidens bekannt zu machen. Daß der Meßias durch Leiden in ſeine Herrlichkeit eingehen ſollte; Daß die Jünger und Schüler deſſelben durch Leiden, Drang, Widerſtand, zur Ehre und Freyheit ſich hindurch kämpfen müßten, dieß ſuchte Er ihnen ſo ſehr wie möglich einzuprägen. Je mehr ſeine Jünger von dieſem Gedanken entfernt wa- ren, deſto näher und heller zeigte Er Ihnen dieſe Seite, ſeines und ihres Schickſales. Zum Leiden wollte Je- ſus ſeine Jünger bilden und ſtärken. Es ſollte Ihnen unvergeßliche Wahrheit ſeyn: Niemand wird ge- krönet, er kämpfe denn recht. Man kann an- ders nicht als durch viele Trübſalen in das Reich Gottes eingehen. Wer einen andern Weg gehen oder gehen machen will, hat einen widerchriſtlichen Sinn. Chriſtus würd’ ihn als einen Satan anſehen! Groſſer erhabener Zug in dem Charakter, ja wohl in dem einzigen, unvergleichbaren Charakter Chriſti — daß er zörnet, und unwillig wird, wann? Wenn man Ihn leiden macht? Nein! Wenn man Ihn vom Leiden abhalten will — Wenn man menſchliche Abſichten göttlichen vorziehen — Wenn man um Gottes und der Wahrheit willen nichts ertragen will! 133. Der

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 226[246]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/254>, abgerufen am 29.11.2024.