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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XVI.
betrachtet und beherziget würde, was Christus bereits
gethan und geleistet hat -- was dürften wir noch
mehr fodern? Ach! daß uns doch die Augen aufgien-
gen über das was vor uns liegt; was wir an Ihm
und seinen Evangelien wirklich haben, und was kein
Unglaube, keine Frechheit uns zweifelhaft oder strei-
tig machen kann.

Zur Hebung alles Mißbrauch, der indessen von dieser
Stelle gemacht werden könnte, rücke ich eine Stelle
aus einer Schrift über die Lehren, Thaten und
Schicksale unsers Herrn
ein: "Man darf das Ver-
&q;langen, seine Thaten zu sehen, nicht so schlecht weg
&q;für jüdische Wundersucht ausgeben. Er verweiset
&q;es so gar einer Ihm nachreisenden Menge, daß sie
&q;nicht um deßwillen komme, weil sie Wunder gese-
&q;hen, sondern, weil sie Brod zu essen bekommen,
&q;und sich wohl gesättiget hatte. Was war auch ver-
&q;nunftmäßiger, als daß man seine gepriesene Thaten
&q;mit Augen sehen wollte? -- Nur dann war es jü-
&q;dische Wundersucht, wenn man entweder Ihm keine
&q;Heilungskraft zutrauen wollte, wofern Er nicht in
&q;Person zum Kranken hingienge, gewisse Worte aus-
&q;spräche, sich gewisser Formeln bediente, u. s. w.
&q;Oder wenn man über die Machtthaten aus, die Er
&q;bereits verrichtet hatte, andere, und von ganz neuer
&q;Art (Zeichen an Himmel) fodern durfte. Nur in
&q;diesen beyden Fällen hat er über Wundersucht geklagt.
&q;In dem ersten Falle spricht er -- " Wenn ihr

&q;nicht

Matthäus XVI.
betrachtet und beherziget würde, was Chriſtus bereits
gethan und geleiſtet hat — was dürften wir noch
mehr fodern? Ach! daß uns doch die Augen aufgien-
gen über das was vor uns liegt; was wir an Ihm
und ſeinen Evangelien wirklich haben, und was kein
Unglaube, keine Frechheit uns zweifelhaft oder ſtrei-
tig machen kann.

Zur Hebung alles Mißbrauch, der indeſſen von dieſer
Stelle gemacht werden könnte, rücke ich eine Stelle
aus einer Schrift über die Lehren, Thaten und
Schickſale unſers Herrn
ein: „Man darf das Ver-
&q;langen, ſeine Thaten zu ſehen, nicht ſo ſchlecht weg
&q;für jüdiſche Wunderſucht ausgeben. Er verweiſet
&q;es ſo gar einer Ihm nachreiſenden Menge, daß ſie
&q;nicht um deßwillen komme, weil ſie Wunder geſe-
&q;hen, ſondern, weil ſie Brod zu eſſen bekommen,
&q;und ſich wohl geſättiget hatte. Was war auch ver-
&q;nunftmäßiger, als daß man ſeine geprieſene Thaten
&q;mit Augen ſehen wollte? — Nur dann war es jü-
&q;diſche Wunderſucht, wenn man entweder Ihm keine
&q;Heilungskraft zutrauen wollte, wofern Er nicht in
&q;Perſon zum Kranken hingienge, gewiſſe Worte aus-
&q;ſpräche, ſich gewiſſer Formeln bediente, u. ſ. w.
&q;Oder wenn man über die Machtthaten aus, die Er
&q;bereits verrichtet hatte, andere, und von ganz neuer
&q;Art (Zeichen an Himmel) fodern durfte. Nur in
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&q;In dem erſten Falle ſpricht er — „ Wenn ihr

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[214[234]/0242] Matthäus XVI. betrachtet und beherziget würde, was Chriſtus bereits gethan und geleiſtet hat — was dürften wir noch mehr fodern? Ach! daß uns doch die Augen aufgien- gen über das was vor uns liegt; was wir an Ihm und ſeinen Evangelien wirklich haben, und was kein Unglaube, keine Frechheit uns zweifelhaft oder ſtrei- tig machen kann. Zur Hebung alles Mißbrauch, der indeſſen von dieſer Stelle gemacht werden könnte, rücke ich eine Stelle aus einer Schrift über die Lehren, Thaten und Schickſale unſers Herrn ein: „Man darf das Ver- &q;langen, ſeine Thaten zu ſehen, nicht ſo ſchlecht weg &q;für jüdiſche Wunderſucht ausgeben. Er verweiſet &q;es ſo gar einer Ihm nachreiſenden Menge, daß ſie &q;nicht um deßwillen komme, weil ſie Wunder geſe- &q;hen, ſondern, weil ſie Brod zu eſſen bekommen, &q;und ſich wohl geſättiget hatte. Was war auch ver- &q;nunftmäßiger, als daß man ſeine geprieſene Thaten &q;mit Augen ſehen wollte? — Nur dann war es jü- &q;diſche Wunderſucht, wenn man entweder Ihm keine &q;Heilungskraft zutrauen wollte, wofern Er nicht in &q;Perſon zum Kranken hingienge, gewiſſe Worte aus- &q;ſpräche, ſich gewiſſer Formeln bediente, u. ſ. w. &q;Oder wenn man über die Machtthaten aus, die Er &q;bereits verrichtet hatte, andere, und von ganz neuer &q;Art (Zeichen an Himmel) fodern durfte. Nur in &q;dieſen beyden Fällen hat er über Wunderſucht geklagt. &q;In dem erſten Falle ſpricht er — „ Wenn ihr &q;nicht

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 214[234]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/242>, abgerufen am 21.11.2024.