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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus IX.
Es ist, ich bitte schwachmüthige Leser dies zu beherzigen,
nicht überhaupt von einer Sünde wider den heiligen
Geist die Rede. Denn jedwede Sünde ist eine Sün-
de wider den in unserm Gewissen sich regenden heiligen
Geist -- Sondern von einer Lästerung einer boshaf-
ten geflissentlichen Schmähung, ich möchte sagen, Ver-
teufelung
des göttlichen Geistes die Rede. Dies
erhellet klar aus den Parallelstellen, die wir nun anfüh-
Matth.
XII. 14.
ren werden. -- Die Pharisäer giengen hinaus,
hielten einen Rath über Ihn, daß sie Ihn um-
brächten
-- heißt es am Einen Orte; Und am an-
Luc. VI. 11.dern: Sie wurden ganz unsinnig, und sie bere-
deten sich mit einander, was sie Ihm thun woll-
ten.
Solche Leute waren's, nicht schwachmüthige, from-
me, oder blos von einer körperlichen Leidenschaft hinge-
rissene Herzen, die Jesus der Lästerung des Geistes
Luc. XI.
14-20.
beschuldigt. Die Stelle im Evangelium Lukas setzet
die Sache ausser allen Zweifel: Er trieb einen Teu-
fel aus, der war stumm. Und es geschahe, da
der Teufel ausfuhr, redete der Stumme. Und
das Volk verwunderte sich. Etliche aber unter
ihnen sprachen: Er treibt die Teufel aus durch
den Obersten der Teufel. Die Andern aber ver-
suchten Ihn und begehrten von Ihm ein Zeichen
vom Himmel
-- Alle Zeichen einer allmächtigen, wohl-
thätigen Menschenliebe waren Ihnen nichts! -- Er
aber vernahm Ihre Gedanken, und sprach: Ein
jegliches Reich, das wider sich selbst zertheilet,
mit sich selbst uneins ist, mag nicht bestehen,

wird

Matthäus IX.
Es iſt, ich bitte ſchwachmüthige Leſer dies zu beherzigen,
nicht überhaupt von einer Sünde wider den heiligen
Geiſt die Rede. Denn jedwede Sünde iſt eine Sün-
de wider den in unſerm Gewiſſen ſich regenden heiligen
Geiſt — Sondern von einer Läſterung einer boshaf-
ten gefliſſentlichen Schmähung, ich möchte ſagen, Ver-
teufelung
des göttlichen Geiſtes die Rede. Dies
erhellet klar aus den Parallelſtellen, die wir nun anfüh-
Matth.
XII. 14.
ren werden. — Die Phariſäer giengen hinaus,
hielten einen Rath über Ihn, daß ſie Ihn um-
brächten
— heißt es am Einen Orte; Und am an-
Luc. VI. 11.dern: Sie wurden ganz unſinnig, und ſie bere-
deten ſich mit einander, was ſie Ihm thun woll-
ten.
Solche Leute waren’s, nicht ſchwachmüthige, from-
me, oder blos von einer körperlichen Leidenſchaft hinge-
riſſene Herzen, die Jeſus der Läſterung des Geiſtes
Luc. XI.
14-20.
beſchuldigt. Die Stelle im Evangelium Lukas ſetzet
die Sache auſſer allen Zweifel: Er trieb einen Teu-
fel aus, der war ſtumm. Und es geſchahe, da
der Teufel ausfuhr, redete der Stumme. Und
das Volk verwunderte ſich. Etliche aber unter
ihnen ſprachen: Er treibt die Teufel aus durch
den Oberſten der Teufel. Die Andern aber ver-
ſuchten Ihn und begehrten von Ihm ein Zeichen
vom Himmel
— Alle Zeichen einer allmächtigen, wohl-
thätigen Menſchenliebe waren Ihnen nichts! — Er
aber vernahm Ihre Gedanken, und ſprach: Ein
jegliches Reich, das wider ſich ſelbſt zertheilet,
mit ſich ſelbſt uneins iſt, mag nicht beſtehen,

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[114[134]/0142] Matthäus IX. Es iſt, ich bitte ſchwachmüthige Leſer dies zu beherzigen, nicht überhaupt von einer Sünde wider den heiligen Geiſt die Rede. Denn jedwede Sünde iſt eine Sün- de wider den in unſerm Gewiſſen ſich regenden heiligen Geiſt — Sondern von einer Läſterung einer boshaf- ten gefliſſentlichen Schmähung, ich möchte ſagen, Ver- teufelung des göttlichen Geiſtes die Rede. Dies erhellet klar aus den Parallelſtellen, die wir nun anfüh- ren werden. — Die Phariſäer giengen hinaus, hielten einen Rath über Ihn, daß ſie Ihn um- brächten — heißt es am Einen Orte; Und am an- dern: Sie wurden ganz unſinnig, und ſie bere- deten ſich mit einander, was ſie Ihm thun woll- ten. Solche Leute waren’s, nicht ſchwachmüthige, from- me, oder blos von einer körperlichen Leidenſchaft hinge- riſſene Herzen, die Jeſus der Läſterung des Geiſtes beſchuldigt. Die Stelle im Evangelium Lukas ſetzet die Sache auſſer allen Zweifel: Er trieb einen Teu- fel aus, der war ſtumm. Und es geſchahe, da der Teufel ausfuhr, redete der Stumme. Und das Volk verwunderte ſich. Etliche aber unter ihnen ſprachen: Er treibt die Teufel aus durch den Oberſten der Teufel. Die Andern aber ver- ſuchten Ihn und begehrten von Ihm ein Zeichen vom Himmel — Alle Zeichen einer allmächtigen, wohl- thätigen Menſchenliebe waren Ihnen nichts! — Er aber vernahm Ihre Gedanken, und ſprach: Ein jegliches Reich, das wider ſich ſelbſt zertheilet, mit ſich ſelbſt uneins iſt, mag nicht beſtehen, wird Matth. XII. 14. Luc. VI. 11. Luc. XI. 14-20.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 114[134]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/142>, abgerufen am 13.06.2024.