Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

von Spiegel war. Kaum erlaubten die gestrengen
Herren, daß die Leute sich anziehen durften, und
schrieen unaufhörlich: "machen Sie, machen Sie,
wir müssen fort!" gleich als wenn sie sich gefürch-
tet hätten, der Feind mögte ihnen auf den Hals
rücken, und ihnen die gemachte Beute entreissen.

Ehe ich weiter erzähle, muß ich eine Bemer-
kung anbringen, die sich zwar jedem Nachdenken-
den von selbst aufdringt, und dies ist, daß nichts
die Schwäche der akademischen Regierung mehr be-
weist, als die Proceduren, welche eben diese Re-
gierung unternimmt, um sich derer zu versichern,
welche sie strafen will. Warum wurden die jungen
Leute aus ihren Betten geholt? Sie würden sich
entfernt haben, wird man antworten, wenn sie or-
dentlich wären gefordert worden. Gut; gesetzt sie
hätten sich entfernt: so konnte man gegen sie doch
verfahren, wie andre Gerichte auch in solchen Fäl-
len thun. Die Leutchen hatten ja doch keine Capi-
talverbrechen begangen. Aber die Herren fürchte-
ten nicht sowohl die Entfernung der Angeklagten,
als vielmehr die Nothwendigkeit, die angeschuldig-
ten Verbrechen zu beweisen: und bey einer akade-
mischen Inquisition kann so ein Beweis sehr leicht
ausgeführt werden, der oft ganz unmöglich wäre,
wenn man mit seinen Proben öffentlich herausrü-
cken müßte. Der Student wird aufs Carcer gesetzt,

von Spiegel war. Kaum erlaubten die geſtrengen
Herren, daß die Leute ſich anziehen durften, und
ſchrieen unaufhoͤrlich: „machen Sie, machen Sie,
wir muͤſſen fort!“ gleich als wenn ſie ſich gefuͤrch-
tet haͤtten, der Feind moͤgte ihnen auf den Hals
ruͤcken, und ihnen die gemachte Beute entreiſſen.

Ehe ich weiter erzaͤhle, muß ich eine Bemer-
kung anbringen, die ſich zwar jedem Nachdenken-
den von ſelbſt aufdringt, und dies iſt, daß nichts
die Schwaͤche der akademiſchen Regierung mehr be-
weiſt, als die Proceduren, welche eben dieſe Re-
gierung unternimmt, um ſich derer zu verſichern,
welche ſie ſtrafen will. Warum wurden die jungen
Leute aus ihren Betten geholt? Sie wuͤrden ſich
entfernt haben, wird man antworten, wenn ſie or-
dentlich waͤren gefordert worden. Gut; geſetzt ſie
haͤtten ſich entfernt: ſo konnte man gegen ſie doch
verfahren, wie andre Gerichte auch in ſolchen Faͤl-
len thun. Die Leutchen hatten ja doch keine Capi-
talverbrechen begangen. Aber die Herren fuͤrchte-
ten nicht ſowohl die Entfernung der Angeklagten,
als vielmehr die Nothwendigkeit, die angeſchuldig-
ten Verbrechen zu beweiſen: und bey einer akade-
miſchen Inquiſition kann ſo ein Beweis ſehr leicht
ausgefuͤhrt werden, der oft ganz unmoͤglich waͤre,
wenn man mit ſeinen Proben oͤffentlich herausruͤ-
cken muͤßte. Der Student wird aufs Carcer geſetzt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0077" n="69"/>
von Spiegel war. Kaum erlaubten die ge&#x017F;trengen<lb/>
Herren, daß die Leute &#x017F;ich anziehen durften, und<lb/>
&#x017F;chrieen unaufho&#x0364;rlich: &#x201E;machen Sie, machen Sie,<lb/>
wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en fort!&#x201C; gleich als wenn &#x017F;ie &#x017F;ich gefu&#x0364;rch-<lb/>
tet ha&#x0364;tten, der Feind mo&#x0364;gte ihnen auf den Hals<lb/>
ru&#x0364;cken, und ihnen die gemachte Beute entrei&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Ehe ich weiter erza&#x0364;hle, muß ich eine Bemer-<lb/>
kung anbringen, die &#x017F;ich zwar jedem Nachdenken-<lb/>
den von &#x017F;elb&#x017F;t aufdringt, und dies i&#x017F;t, daß nichts<lb/>
die Schwa&#x0364;che der akademi&#x017F;chen Regierung mehr be-<lb/>
wei&#x017F;t, als die Proceduren, welche eben die&#x017F;e Re-<lb/>
gierung unternimmt, um &#x017F;ich derer zu ver&#x017F;ichern,<lb/>
welche &#x017F;ie &#x017F;trafen will. Warum wurden die jungen<lb/>
Leute aus ihren Betten geholt? Sie wu&#x0364;rden &#x017F;ich<lb/>
entfernt haben, wird man antworten, wenn &#x017F;ie or-<lb/>
dentlich wa&#x0364;ren gefordert worden. Gut; ge&#x017F;etzt &#x017F;ie<lb/>
ha&#x0364;tten &#x017F;ich entfernt: &#x017F;o konnte man gegen &#x017F;ie doch<lb/>
verfahren, wie andre Gerichte auch in &#x017F;olchen Fa&#x0364;l-<lb/>
len thun. Die Leutchen hatten ja doch keine Capi-<lb/>
talverbrechen begangen. Aber die Herren fu&#x0364;rchte-<lb/>
ten nicht &#x017F;owohl die Entfernung der Angeklagten,<lb/>
als vielmehr die Nothwendigkeit, die ange&#x017F;chuldig-<lb/>
ten Verbrechen zu bewei&#x017F;en: und bey einer akade-<lb/>
mi&#x017F;chen Inqui&#x017F;ition kann &#x017F;o ein Beweis &#x017F;ehr leicht<lb/>
ausgefu&#x0364;hrt werden, der oft ganz unmo&#x0364;glich wa&#x0364;re,<lb/>
wenn man mit &#x017F;einen Proben o&#x0364;ffentlich herausru&#x0364;-<lb/>
cken mu&#x0364;ßte. Der Student wird aufs Carcer ge&#x017F;etzt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0077] von Spiegel war. Kaum erlaubten die geſtrengen Herren, daß die Leute ſich anziehen durften, und ſchrieen unaufhoͤrlich: „machen Sie, machen Sie, wir muͤſſen fort!“ gleich als wenn ſie ſich gefuͤrch- tet haͤtten, der Feind moͤgte ihnen auf den Hals ruͤcken, und ihnen die gemachte Beute entreiſſen. Ehe ich weiter erzaͤhle, muß ich eine Bemer- kung anbringen, die ſich zwar jedem Nachdenken- den von ſelbſt aufdringt, und dies iſt, daß nichts die Schwaͤche der akademiſchen Regierung mehr be- weiſt, als die Proceduren, welche eben dieſe Re- gierung unternimmt, um ſich derer zu verſichern, welche ſie ſtrafen will. Warum wurden die jungen Leute aus ihren Betten geholt? Sie wuͤrden ſich entfernt haben, wird man antworten, wenn ſie or- dentlich waͤren gefordert worden. Gut; geſetzt ſie haͤtten ſich entfernt: ſo konnte man gegen ſie doch verfahren, wie andre Gerichte auch in ſolchen Faͤl- len thun. Die Leutchen hatten ja doch keine Capi- talverbrechen begangen. Aber die Herren fuͤrchte- ten nicht ſowohl die Entfernung der Angeklagten, als vielmehr die Nothwendigkeit, die angeſchuldig- ten Verbrechen zu beweiſen: und bey einer akade- miſchen Inquiſition kann ſo ein Beweis ſehr leicht ausgefuͤhrt werden, der oft ganz unmoͤglich waͤre, wenn man mit ſeinen Proben oͤffentlich herausruͤ- cken muͤßte. Der Student wird aufs Carcer geſetzt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/77
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/77>, abgerufen am 28.04.2024.