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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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Müller fortmußte, und daß sich ganz Halle freute,
als dieser gestrenge Häscherkapitän seinen Abschied
nahm.

Einige Zeit über war es ruhig in Halle, und
schon glaubten die Studenten, es sey alles verges-
sen. Ich demonstrirte meinen Freunden, daß die-
ser Ruhe nicht zu trauen sey, anguem latere in her-
ba,
stille Wässer gründeten tief, und den Herren
von der Universität sey vollends nicht zu trauen,
wenn sie stille schwiegen, und freundlich lächelten;
das Hauptstudium der Gelehrten sey Klugheit, und
Klugheit erfordere, daß man seinen Feind, ehe er
sichs versieht, überfalle, und ihm die Kehle zu-
schnüre, ehe er um Succurs rufen kann. Meine
Freunde hielten mich für einen falschen Propheten,
aber ich hatte doch wahr prophezeyhet.

Ich blieb eine Nacht über bey meinem Freund
und Gevatter Leffler, welcher Hofmeister bey ei-
nem gewissen studierenden Adelichen von Spiegel
war: Hr. Leffler war krank, und ich wachte bey
ihm. Ich saß am Tisch, und las in Mosheims
Servetus, als auf einmal -- es mogte etwan
zwey Uhr nach Mitternacht seyn -- das ganze
Haus in Alarm gerieth. Die Häscher waren näm-
lich unter dem Commando des Universitätspedel-
len eingedrungen, und holten einige Studenten aus
den Betten aufs Carcer, unter welchen auch Hr.

Muͤller fortmußte, und daß ſich ganz Halle freute,
als dieſer geſtrenge Haͤſcherkapitaͤn ſeinen Abſchied
nahm.

Einige Zeit uͤber war es ruhig in Halle, und
ſchon glaubten die Studenten, es ſey alles vergeſ-
ſen. Ich demonſtrirte meinen Freunden, daß die-
ſer Ruhe nicht zu trauen ſey, anguem latere in her-
ba,
ſtille Waͤſſer gruͤndeten tief, und den Herren
von der Univerſitaͤt ſey vollends nicht zu trauen,
wenn ſie ſtille ſchwiegen, und freundlich laͤchelten;
das Hauptſtudium der Gelehrten ſey Klugheit, und
Klugheit erfordere, daß man ſeinen Feind, ehe er
ſichs verſieht, uͤberfalle, und ihm die Kehle zu-
ſchnuͤre, ehe er um Succurs rufen kann. Meine
Freunde hielten mich fuͤr einen falſchen Propheten,
aber ich hatte doch wahr prophezeyhet.

Ich blieb eine Nacht uͤber bey meinem Freund
und Gevatter Leffler, welcher Hofmeiſter bey ei-
nem gewiſſen ſtudierenden Adelichen von Spiegel
war: Hr. Leffler war krank, und ich wachte bey
ihm. Ich ſaß am Tiſch, und las in Mosheims
Servetus, als auf einmal — es mogte etwan
zwey Uhr nach Mitternacht ſeyn — das ganze
Haus in Alarm gerieth. Die Haͤſcher waren naͤm-
lich unter dem Commando des Univerſitaͤtspedel-
len eingedrungen, und holten einige Studenten aus
den Betten aufs Carcer, unter welchen auch Hr.

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[68/0076] Muͤller fortmußte, und daß ſich ganz Halle freute, als dieſer geſtrenge Haͤſcherkapitaͤn ſeinen Abſchied nahm. Einige Zeit uͤber war es ruhig in Halle, und ſchon glaubten die Studenten, es ſey alles vergeſ- ſen. Ich demonſtrirte meinen Freunden, daß die- ſer Ruhe nicht zu trauen ſey, anguem latere in her- ba, ſtille Waͤſſer gruͤndeten tief, und den Herren von der Univerſitaͤt ſey vollends nicht zu trauen, wenn ſie ſtille ſchwiegen, und freundlich laͤchelten; das Hauptſtudium der Gelehrten ſey Klugheit, und Klugheit erfordere, daß man ſeinen Feind, ehe er ſichs verſieht, uͤberfalle, und ihm die Kehle zu- ſchnuͤre, ehe er um Succurs rufen kann. Meine Freunde hielten mich fuͤr einen falſchen Propheten, aber ich hatte doch wahr prophezeyhet. Ich blieb eine Nacht uͤber bey meinem Freund und Gevatter Leffler, welcher Hofmeiſter bey ei- nem gewiſſen ſtudierenden Adelichen von Spiegel war: Hr. Leffler war krank, und ich wachte bey ihm. Ich ſaß am Tiſch, und las in Mosheims Servetus, als auf einmal — es mogte etwan zwey Uhr nach Mitternacht ſeyn — das ganze Haus in Alarm gerieth. Die Haͤſcher waren naͤm- lich unter dem Commando des Univerſitaͤtspedel- len eingedrungen, und holten einige Studenten aus den Betten aufs Carcer, unter welchen auch Hr.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/76>, abgerufen am 28.04.2024.