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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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theils den Kopf schütteln werden, und mitunter
auch solche, wobey sie nachdenken und nicht sel-
ten in ihren eignen Busen greifen können. Jede
Lebensgeschichte ist ein Gewebe von Begebenhei-
ten, wovon immer eine Ursache und Folge mit der
andern verbunden ist, und wie die Anlage war, so ist
jedesmal das Resultat: wenn dieß in manchen
Selbst-Biographien nicht sichtbar ist, so kommt
das bloß daher, weil der Herr Biograph entwe-
der sich durch Verdrehung und Verstellung der
Begebenheiten vor dem Publikum weißbrennen,
oder Dinge ganz übergehen wollte, deren Publi-
cität ihm unangenehm war. Dieß aber ist mein
Fall nicht: denn ich suche keines Menschen Gunst
und fürchte keines Menschen Abneigung. Wer
nichts mit mir zu thun haben will, mag mich
immerhin gehen lassen, und ich kann mit voller
Ueberzeugung sagen, daß mir nie jemand auf der
Welt wirklich und in der Realität eben viel ge-
nützt habe, so gut und brav es auch meine Freun-
de mit ihrer Freundschaft mögen gemeynt haben.
Daher habe ich auch nicht Ursache, mich irgend
jemanden durch Ausstaffirung meines mir eignen
Charakters zu recommandiren, sondern werde in
Rücksicht meiner selbst in diesem Theile meiner
Historie noch aufrichtiger zu Werke gehen, als
in den vorigen, wo ich zwar nichts verdrehte,

theils den Kopf ſchuͤtteln werden, und mitunter
auch ſolche, wobey ſie nachdenken und nicht ſel-
ten in ihren eignen Buſen greifen koͤnnen. Jede
Lebensgeſchichte iſt ein Gewebe von Begebenhei-
ten, wovon immer eine Urſache und Folge mit der
andern verbunden iſt, und wie die Anlage war, ſo iſt
jedesmal das Reſultat: wenn dieß in manchen
Selbſt-Biographien nicht ſichtbar iſt, ſo kommt
das bloß daher, weil der Herr Biograph entwe-
der ſich durch Verdrehung und Verſtellung der
Begebenheiten vor dem Publikum weißbrennen,
oder Dinge ganz uͤbergehen wollte, deren Publi-
citaͤt ihm unangenehm war. Dieß aber iſt mein
Fall nicht: denn ich ſuche keines Menſchen Gunſt
und fuͤrchte keines Menſchen Abneigung. Wer
nichts mit mir zu thun haben will, mag mich
immerhin gehen laſſen, und ich kann mit voller
Ueberzeugung ſagen, daß mir nie jemand auf der
Welt wirklich und in der Realitaͤt eben viel ge-
nuͤtzt habe, ſo gut und brav es auch meine Freun-
de mit ihrer Freundſchaft moͤgen gemeynt haben.
Daher habe ich auch nicht Urſache, mich irgend
jemanden durch Ausſtaffirung meines mir eignen
Charakters zu recommandiren, ſondern werde in
Ruͤckſicht meiner ſelbſt in dieſem Theile meiner
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[5/0013] theils den Kopf ſchuͤtteln werden, und mitunter auch ſolche, wobey ſie nachdenken und nicht ſel- ten in ihren eignen Buſen greifen koͤnnen. Jede Lebensgeſchichte iſt ein Gewebe von Begebenhei- ten, wovon immer eine Urſache und Folge mit der andern verbunden iſt, und wie die Anlage war, ſo iſt jedesmal das Reſultat: wenn dieß in manchen Selbſt-Biographien nicht ſichtbar iſt, ſo kommt das bloß daher, weil der Herr Biograph entwe- der ſich durch Verdrehung und Verſtellung der Begebenheiten vor dem Publikum weißbrennen, oder Dinge ganz uͤbergehen wollte, deren Publi- citaͤt ihm unangenehm war. Dieß aber iſt mein Fall nicht: denn ich ſuche keines Menſchen Gunſt und fuͤrchte keines Menſchen Abneigung. Wer nichts mit mir zu thun haben will, mag mich immerhin gehen laſſen, und ich kann mit voller Ueberzeugung ſagen, daß mir nie jemand auf der Welt wirklich und in der Realitaͤt eben viel ge- nuͤtzt habe, ſo gut und brav es auch meine Freun- de mit ihrer Freundſchaft moͤgen gemeynt haben. Daher habe ich auch nicht Urſache, mich irgend jemanden durch Ausſtaffirung meines mir eignen Charakters zu recommandiren, ſondern werde in Ruͤckſicht meiner ſelbſt in dieſem Theile meiner Hiſtorie noch aufrichtiger zu Werke gehen, als in den vorigen, wo ich zwar nichts verdrehte,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/13>, abgerufen am 29.03.2024.