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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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zur Erläuterung seines Vortrags herbey suchte.
Ich weiß, daß er einst in der Lehre de emtione
venditione
die Frage aufwarf, ob, wenn ein Stu-
dent auf dem Weg nach Bosten sich mit einem
Mädchen im Korn für Geld lustig mache, das
Geschäft ein contractus emtionis venditionis sey?
Es ist übrigens anzumerken, daß die Juristen sich
auf mehrern Universitäten stark aufs Zotenreißen
legen: doch war damals auch ein Herr Mediciner
als ein ächter Cyniker bekannt, und das Beneh-
men der sonst großen und hochverdienten Männer,
Michaelis, Kästners und Lichtenbergs gehörte doch
wohl nicht durchgängig zur feinen Lebensart.

Bey den Studenten war die feine Lebensart
auch nicht durch die Bank zu Hause. Ich sah noch
vor zwey Jahren an einem gewissen Orte einige
Göttinger, welche renommirten trotz dem wildesten
Jenenser vor zwanzig Jahren, nur mit dem Un-
terschiede, daß die Herren Göttinger, sobald je-
mand anfing, ihnen aufs Leder zu reden, gleich
stille wurden, welches der Jenenser aber so leicht
nicht that. Die Herren bilden sich auf ihre Uni-
versität etwas ein, und Einbildung dieser Art,
welche sich auf keine eignen Realitäten gründen, er-
zeugen Stolz, Impertinenz und Grobheit, lauter
Dinge, welche mit der feinen Lebensart gar nicht
bestehen können. Wie weit es die Herren -- ich

zur Erlaͤuterung ſeines Vortrags herbey ſuchte.
Ich weiß, daß er einſt in der Lehre de emtione
venditione
die Frage aufwarf, ob, wenn ein Stu-
dent auf dem Weg nach Boſten ſich mit einem
Maͤdchen im Korn fuͤr Geld luſtig mache, das
Geſchaͤft ein contractus emtionis venditionis ſey?
Es iſt uͤbrigens anzumerken, daß die Juriſten ſich
auf mehrern Univerſitaͤten ſtark aufs Zotenreißen
legen: doch war damals auch ein Herr Mediciner
als ein aͤchter Cyniker bekannt, und das Beneh-
men der ſonſt großen und hochverdienten Maͤnner,
Michaelis, Kaͤſtners und Lichtenbergs gehoͤrte doch
wohl nicht durchgaͤngig zur feinen Lebensart.

Bey den Studenten war die feine Lebensart
auch nicht durch die Bank zu Hauſe. Ich ſah noch
vor zwey Jahren an einem gewiſſen Orte einige
Goͤttinger, welche renommirten trotz dem wildeſten
Jenenſer vor zwanzig Jahren, nur mit dem Un-
terſchiede, daß die Herren Goͤttinger, ſobald je-
mand anfing, ihnen aufs Leder zu reden, gleich
ſtille wurden, welches der Jenenſer aber ſo leicht
nicht that. Die Herren bilden ſich auf ihre Uni-
verſitaͤt etwas ein, und Einbildung dieſer Art,
welche ſich auf keine eignen Realitaͤten gruͤnden, er-
zeugen Stolz, Impertinenz und Grobheit, lauter
Dinge, welche mit der feinen Lebensart gar nicht
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[108/0116] zur Erlaͤuterung ſeines Vortrags herbey ſuchte. Ich weiß, daß er einſt in der Lehre de emtione venditione die Frage aufwarf, ob, wenn ein Stu- dent auf dem Weg nach Boſten ſich mit einem Maͤdchen im Korn fuͤr Geld luſtig mache, das Geſchaͤft ein contractus emtionis venditionis ſey? Es iſt uͤbrigens anzumerken, daß die Juriſten ſich auf mehrern Univerſitaͤten ſtark aufs Zotenreißen legen: doch war damals auch ein Herr Mediciner als ein aͤchter Cyniker bekannt, und das Beneh- men der ſonſt großen und hochverdienten Maͤnner, Michaelis, Kaͤſtners und Lichtenbergs gehoͤrte doch wohl nicht durchgaͤngig zur feinen Lebensart. Bey den Studenten war die feine Lebensart auch nicht durch die Bank zu Hauſe. Ich ſah noch vor zwey Jahren an einem gewiſſen Orte einige Goͤttinger, welche renommirten trotz dem wildeſten Jenenſer vor zwanzig Jahren, nur mit dem Un- terſchiede, daß die Herren Goͤttinger, ſobald je- mand anfing, ihnen aufs Leder zu reden, gleich ſtille wurden, welches der Jenenſer aber ſo leicht nicht that. Die Herren bilden ſich auf ihre Uni- verſitaͤt etwas ein, und Einbildung dieſer Art, welche ſich auf keine eignen Realitaͤten gruͤnden, er- zeugen Stolz, Impertinenz und Grobheit, lauter Dinge, welche mit der feinen Lebensart gar nicht beſtehen koͤnnen. Wie weit es die Herren — ich

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/116>, abgerufen am 28.04.2024.