mich Seiner und Meiner unwürdig, ich fühlte ei- nen Drang zum Selbstmorde, ich verstummte, ich ergriff seine Hand, drückte sie und ihn mit weg- gewandtem Gesicht an meine Brust, entließ ihn plötzlich und wollte fort. Er mogte das Toben in mir merken, er ergriff mich, fragte: "Nun wo- hin denn so eilig? -- In die Sale, oder eine Ku- gel durch den Kopf! -- In die Sale? -- Eine Kugel? -- Und so feige könnte Laukhard seyn? Denken Sie denn nicht an den Spruch des Owe- nus: Rebus in adversis facile est, contemnere vitam: Fortius ille facit, qui miser esse potest? Hem! ista virtus est, sagt Plautus in seiner Asinaria, quando usui est, qui malum fert fortiter. Nein, Laukhard, das war eine Aufwallung, die Sie nur näh[er]r zergliedern müssen, um einzusehen, daß der Entschluß das Mittel nicht ist, Sie von Ihren Leiden, Fesseln, und Feinden zu befreyen. Das Gespenst, wie Sie einmal von Sich selbst sagen, war sonst in Ihrer Seele, und ist es jezt wieder sehr arg: aber der Exorcismus, wodurch Sie, als vernünftiger Mensch, als Mann, Sich davon befreyen können, ist weder die Sale, noch eine Kugel: es ist die goldne Sentenz des Cicero, worin er sagt: Solus Sapiens liber est, und dann fragt und antwortet: Quit est libertas? Potestas
mich Seiner und Meiner unwuͤrdig, ich fuͤhlte ei- nen Drang zum Selbſtmorde, ich verſtummte, ich ergriff ſeine Hand, druͤckte ſie und ihn mit weg- gewandtem Geſicht an meine Bruſt, entließ ihn ploͤtzlich und wollte fort. Er mogte das Toben in mir merken, er ergriff mich, fragte: „Nun wo- hin denn ſo eilig? — In die Sale, oder eine Ku- gel durch den Kopf! — In die Sale? — Eine Kugel? — Und ſo feige koͤnnte Laukhard ſeyn? Denken Sie denn nicht an den Spruch des Owe- nus: Rebus in adverſis facile eſt, contemnere vitam: Fortius ille facit, qui miſer eſſe poteſt? Hem! iſta virtus eſt, ſagt Plautus in ſeiner Aſinaria, quando uſui eſt, qui malum fert fortiter. Nein, Laukhard, das war eine Aufwallung, die Sie nur naͤh[er]r zergliedern muͤſſen, um einzuſehen, daß der Entſchluß das Mittel nicht iſt, Sie von Ihren Leiden, Feſſeln, und Feinden zu befreyen. Das Geſpenſt, wie Sie einmal von Sich ſelbſt ſagen, war ſonſt in Ihrer Seele, und iſt es jezt wieder ſehr arg: aber der Exorcismus, wodurch Sie, als vernuͤnftiger Menſch, als Mann, Sich davon befreyen koͤnnen, iſt weder die Sale, noch eine Kugel: es iſt die goldne Sentenz des Cicero, worin er ſagt: Solus Sapiens liber eſt, und dann fragt und antwortet: Quit eſt libertas? Poteſtas
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mich Seiner und Meiner unwuͤrdig, ich fuͤhlte ei-
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ploͤtzlich und wollte fort. Er mogte das Toben in
mir merken, er ergriff mich, fragte: „Nun wo-
hin denn ſo eilig? — In die Sale, oder eine Ku-
gel durch den Kopf! — In die Sale? — Eine
Kugel? — Und ſo feige koͤnnte Laukhard ſeyn?
Denken Sie denn nicht an den Spruch des Owe-
nus:
Rebus in adverſis facile eſt, contemnere vitam:
Fortius ille facit, qui miſer eſſe poteſt?
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Aſinaria, quando uſui eſt, qui malum fert fortiter.
Nein, Laukhard, das war eine Aufwallung, die
Sie nur naͤherr zergliedern muͤſſen, um einzuſehen,
daß der Entſchluß das Mittel nicht iſt, Sie von
Ihren Leiden, Feſſeln, und Feinden zu befreyen.
Das Geſpenſt, wie Sie einmal von Sich ſelbſt
ſagen, war ſonſt in Ihrer Seele, und iſt es jezt
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Sie, als vernuͤnftiger Menſch, als Mann, Sich
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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