oder schrieb ich, und des Nachmittags hielt ich Unterrichtsstunden mit Studenten, und ging mit Hn. Bispink, zu unserer Erholung, nun und dann nach Reideburg, oder zu Hn. Bouvier in Lettin, oder sonst herum im Felde. An rauschende Vergnügung oder Gesellschaft dachte ich fast gar nicht mehr. Ich wäre bey dieser Lebensart sehr wahrscheinlich geblieben, wenn mir ein Posten zu Theil geworden wäre, der mich an mehr Conve- nienz gefesselt hätte.
Aber das alles war nach der Abweisung von Hn. Wöllner dahin! Ich wurde vor innerm Sturm und Drang unausstehlich-unruhig, wollte wieder in die weite Welt, vernachlä[ssi]gte meine Stunden, schmiß meine Arbeiten hin, indem ich einsah, ich arbeitete in den Wind, und verlöre nur Mühe und Zeit. Hr. Bispink suchte mich auf alle mögliche Art zu beruhigen und zu trösten: er wollte einen edlen Stolz in mir anfachen, selbst durch mich, auch ohne Minister- und Professoren- Gunst zu bestehen, und dabey mehr Gutes zu wir- ken, als Mancher von ihnen, auch unbesoldet: kurz, seine Geduld und Mühe mit mir ging ins weite. Aber sie ward mir lästig: ich suchte aller- hand Vorwand, mich ihm zu entziehen, und mir ganz nach meiner Art Luft zu schaffen. Ich that hieran sehr übel: ich habe Thränen darüber in Bis-
oder ſchrieb ich, und des Nachmittags hielt ich Unterrichtsſtunden mit Studenten, und ging mit Hn. Bispink, zu unſerer Erholung, nun und dann nach Reideburg, oder zu Hn. Bouvier in Lettin, oder ſonſt herum im Felde. An rauſchende Vergnuͤgung oder Geſellſchaft dachte ich faſt gar nicht mehr. Ich waͤre bey dieſer Lebensart ſehr wahrſcheinlich geblieben, wenn mir ein Poſten zu Theil geworden waͤre, der mich an mehr Conve- nienz gefeſſelt haͤtte.
Aber das alles war nach der Abweiſung von Hn. Woͤllner dahin! Ich wurde vor innerm Sturm und Drang unausſtehlich-unruhig, wollte wieder in die weite Welt, vernachlaͤ[ſſi]gte meine Stunden, ſchmiß meine Arbeiten hin, indem ich einſah, ich arbeitete in den Wind, und verloͤre nur Muͤhe und Zeit. Hr. Bispink ſuchte mich auf alle moͤgliche Art zu beruhigen und zu troͤſten: er wollte einen edlen Stolz in mir anfachen, ſelbſt durch mich, auch ohne Miniſter- und Profeſſoren- Gunſt zu beſtehen, und dabey mehr Gutes zu wir- ken, als Mancher von ihnen, auch unbeſoldet: kurz, ſeine Geduld und Muͤhe mit mir ging ins weite. Aber ſie ward mir laͤſtig: ich ſuchte aller- hand Vorwand, mich ihm zu entziehen, und mir ganz nach meiner Art Luft zu ſchaffen. Ich that hieran ſehr uͤbel: ich habe Thraͤnen daruͤber in Bis-
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oder ſchrieb ich, und des Nachmittags hielt ich
Unterrichtsſtunden mit Studenten, und ging mit
Hn. Bispink, zu unſerer Erholung, nun und
dann nach Reideburg, oder zu Hn. Bouvier in
Lettin, oder ſonſt herum im Felde. An rauſchende
Vergnuͤgung oder Geſellſchaft dachte ich faſt gar
nicht mehr. Ich waͤre bey dieſer Lebensart ſehr
wahrſcheinlich geblieben, wenn mir ein Poſten zu
Theil geworden waͤre, der mich an mehr Conve-
nienz gefeſſelt haͤtte.
Aber das alles war nach der Abweiſung von
Hn. Woͤllner dahin! Ich wurde vor innerm
Sturm und Drang unausſtehlich-unruhig, wollte
wieder in die weite Welt, vernachlaͤſſigte meine
Stunden, ſchmiß meine Arbeiten hin, indem ich
einſah, ich arbeitete in den Wind, und verloͤre
nur Muͤhe und Zeit. Hr. Bispink ſuchte mich
auf alle moͤgliche Art zu beruhigen und zu troͤſten:
er wollte einen edlen Stolz in mir anfachen, ſelbſt
durch mich, auch ohne Miniſter- und Profeſſoren-
Gunſt zu beſtehen, und dabey mehr Gutes zu wir-
ken, als Mancher von ihnen, auch unbeſoldet:
kurz, ſeine Geduld und Muͤhe mit mir ging ins
weite. Aber ſie ward mir laͤſtig: ich ſuchte aller-
hand Vorwand, mich ihm zu entziehen, und mir
ganz nach meiner Art Luft zu ſchaffen. Ich that
hieran ſehr uͤbel: ich habe Thraͤnen daruͤber in Bis-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/279>, abgerufen am 25.11.2024.
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