Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

jezt ließ ich meinen Namen aus dem Lektionskata-
logus wegstreichen. Was die Philologie anbetrifft,
so hatte ich da zwar von Hn. Professor Wolff
nichts zu fürchten: denn dieser Mann übersieht ein
so kleines Lichtgen, als ich bin, und kann es gar
wohl leiden, daß ein Anderer auch ein paar Worte
Latein oder Griechisch wisse; aber in den übrigen
Fächern der philosophischen Facultät glauben ge-
wisse Herren das Monopol zu haben. Die erbau-
lichen Debatten darüber, welche auf dem goldnen
Löwen, in Rücksicht auf mich, geführt sind, weiß
ich lange und verachte sie. Es war auch obendrein
die Frage, ob ich Zuhörer und Beyfall würde ge-
habt haben, oder nicht; und da hat es mich auch
weiter nicht gereut, vom Katheder weggeblieben zu
seyn.

Mensch indeß bin und bleibe ich, und zwar ein
sehr verwöhnter Mensch, mit sehr regem Blut und
sehr raschen Nerven. Ich empfand es demnach in-
nigst tief, daß alle meine Hoffnung auf einen Lohn
in der Zukunft für alle überstandne Gefahren und
Leiden so mit einem Male schändlich zernichtet war.
Die ersten neun Wochen, die ich bey Hn. Bis-
pink zubrachte, ehe mein Schicksal für die Zu-
kunft entschieden war, lebte ich so ordentlich, nüch-
tern und vergnügt, daß selbst ein Eberhard es
schwerlich besser gekonnt hätte. Des Morgens las

jezt ließ ich meinen Namen aus dem Lektionskata-
logus wegſtreichen. Was die Philologie anbetrifft,
ſo hatte ich da zwar von Hn. Profeſſor Wolff
nichts zu fuͤrchten: denn dieſer Mann uͤberſieht ein
ſo kleines Lichtgen, als ich bin, und kann es gar
wohl leiden, daß ein Anderer auch ein paar Worte
Latein oder Griechiſch wiſſe; aber in den uͤbrigen
Faͤchern der philoſophiſchen Facultaͤt glauben ge-
wiſſe Herren das Monopol zu haben. Die erbau-
lichen Debatten daruͤber, welche auf dem goldnen
Loͤwen, in Ruͤckſicht auf mich, gefuͤhrt ſind, weiß
ich lange und verachte ſie. Es war auch obendrein
die Frage, ob ich Zuhoͤrer und Beyfall wuͤrde ge-
habt haben, oder nicht; und da hat es mich auch
weiter nicht gereut, vom Katheder weggeblieben zu
ſeyn.

Menſch indeß bin und bleibe ich, und zwar ein
ſehr verwoͤhnter Menſch, mit ſehr regem Blut und
ſehr raſchen Nerven. Ich empfand es demnach in-
nigſt tief, daß alle meine Hoffnung auf einen Lohn
in der Zukunft fuͤr alle uͤberſtandne Gefahren und
Leiden ſo mit einem Male ſchaͤndlich zernichtet war.
Die erſten neun Wochen, die ich bey Hn. Bis-
pink zubrachte, ehe mein Schickſal fuͤr die Zu-
kunft entſchieden war, lebte ich ſo ordentlich, nuͤch-
tern und vergnuͤgt, daß ſelbſt ein Eberhard es
ſchwerlich beſſer gekonnt haͤtte. Des Morgens las

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0278" n="274"/>
jezt ließ ich meinen Namen aus dem Lektionskata-<lb/>
logus weg&#x017F;treichen. Was die Philologie anbetrifft,<lb/>
&#x017F;o hatte ich da zwar von Hn. Profe&#x017F;&#x017F;or <hi rendition="#g">Wolff</hi><lb/>
nichts zu fu&#x0364;rchten: denn die&#x017F;er Mann u&#x0364;ber&#x017F;ieht ein<lb/>
&#x017F;o kleines Lichtgen, als ich bin, und kann es gar<lb/>
wohl leiden, daß ein Anderer auch ein paar Worte<lb/>
Latein oder Griechi&#x017F;ch wi&#x017F;&#x017F;e; aber in den u&#x0364;brigen<lb/>
Fa&#x0364;chern der philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Faculta&#x0364;t glauben ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e Herren das Monopol zu haben. Die erbau-<lb/>
lichen Debatten daru&#x0364;ber, welche auf dem goldnen<lb/>
Lo&#x0364;wen, in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf mich, gefu&#x0364;hrt &#x017F;ind, weiß<lb/>
ich lange und verachte &#x017F;ie. Es war auch obendrein<lb/>
die Frage, ob ich Zuho&#x0364;rer und Beyfall wu&#x0364;rde ge-<lb/>
habt haben, oder nicht; und da hat es mich auch<lb/>
weiter nicht gereut, vom Katheder weggeblieben zu<lb/>
&#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Men&#x017F;ch indeß bin und bleibe ich, und zwar ein<lb/>
&#x017F;ehr verwo&#x0364;hnter Men&#x017F;ch, mit &#x017F;ehr regem Blut und<lb/>
&#x017F;ehr ra&#x017F;chen Nerven. Ich empfand es demnach in-<lb/>
nig&#x017F;t tief, daß alle meine Hoffnung auf einen Lohn<lb/>
in der Zukunft fu&#x0364;r alle u&#x0364;ber&#x017F;tandne Gefahren und<lb/>
Leiden &#x017F;o mit einem Male &#x017F;cha&#x0364;ndlich zernichtet war.<lb/>
Die er&#x017F;ten neun Wochen, die ich bey Hn. <hi rendition="#g">Bis</hi>-<lb/><hi rendition="#g">pink</hi> zubrachte, ehe mein Schick&#x017F;al fu&#x0364;r die Zu-<lb/>
kunft ent&#x017F;chieden war, lebte ich &#x017F;o ordentlich, nu&#x0364;ch-<lb/>
tern und vergnu&#x0364;gt, daß &#x017F;elb&#x017F;t ein <hi rendition="#g">Eberhard</hi> es<lb/>
&#x017F;chwerlich be&#x017F;&#x017F;er gekonnt ha&#x0364;tte. Des Morgens las<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0278] jezt ließ ich meinen Namen aus dem Lektionskata- logus wegſtreichen. Was die Philologie anbetrifft, ſo hatte ich da zwar von Hn. Profeſſor Wolff nichts zu fuͤrchten: denn dieſer Mann uͤberſieht ein ſo kleines Lichtgen, als ich bin, und kann es gar wohl leiden, daß ein Anderer auch ein paar Worte Latein oder Griechiſch wiſſe; aber in den uͤbrigen Faͤchern der philoſophiſchen Facultaͤt glauben ge- wiſſe Herren das Monopol zu haben. Die erbau- lichen Debatten daruͤber, welche auf dem goldnen Loͤwen, in Ruͤckſicht auf mich, gefuͤhrt ſind, weiß ich lange und verachte ſie. Es war auch obendrein die Frage, ob ich Zuhoͤrer und Beyfall wuͤrde ge- habt haben, oder nicht; und da hat es mich auch weiter nicht gereut, vom Katheder weggeblieben zu ſeyn. Menſch indeß bin und bleibe ich, und zwar ein ſehr verwoͤhnter Menſch, mit ſehr regem Blut und ſehr raſchen Nerven. Ich empfand es demnach in- nigſt tief, daß alle meine Hoffnung auf einen Lohn in der Zukunft fuͤr alle uͤberſtandne Gefahren und Leiden ſo mit einem Male ſchaͤndlich zernichtet war. Die erſten neun Wochen, die ich bey Hn. Bis- pink zubrachte, ehe mein Schickſal fuͤr die Zu- kunft entſchieden war, lebte ich ſo ordentlich, nuͤch- tern und vergnuͤgt, daß ſelbſt ein Eberhard es ſchwerlich beſſer gekonnt haͤtte. Des Morgens las

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/278
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/278>, abgerufen am 01.06.2024.