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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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Anekdotenkrämer habe ich noch nicht gesehen, als
diesen Bessel: hier war er ganz unerschöpflich;
und da ich selbst an der Anekdotenjagd von jeher viel
Geschmack gefunden habe, so hatte ich in seinem
Umgang sehr viel Vergnügen. Es verging auch
kein Tag, daß wir nicht mehrere Stunden mitein-
ander verplaudert hätten. Er holte aus der Dijo-
ner Lesebibliothek immer Bücher, welche ich dann
auch las: und so verstrichen mir die Tage im Ho-
spital wie Stunden, indeß die Zeit den andern
Kranken unendlich lange vorkam.

Bey dem Hospitaldirektor Duboy, dessen Kin-
der ich unterrichtete, und dessen Frau, nebst ihm,
gar gute, brave Leute waren, hatte ich auch man-
che frohe Stunde. Mit Vergnügen denke ich stäts
an jene Tage zurück, die ich noch zu guter Lezt zu
Dijon im Hospital verlebt habe. Täglich ging
ich Abends mit Bessel und einem andern Kran-
kenwärter, Deschamps, zur Mutter Gui-
gner zu Weine, wo wir oft bis 10 Uhr und noch
länger sitzen blieben. Dann schlief ich bis 7 oder
8 Uhr, stand sofort auf, ließ mich verbinden, und
aß hernach zu Mittage. Nach dem Essen ging ich
zum Direktor, las weiter in Büchern, oder schrieb
Briefe für Andere, oder wechselte Anekdoten mit
Bessel, aß zu Nacht, rauchte eine Pfeife Taback
draußen -- im Innern war das Tabackrauchen

Anekdotenkraͤmer habe ich noch nicht geſehen, als
dieſen Beſſel: hier war er ganz unerſchoͤpflich;
und da ich ſelbſt an der Anekdotenjagd von jeher viel
Geſchmack gefunden habe, ſo hatte ich in ſeinem
Umgang ſehr viel Vergnuͤgen. Es verging auch
kein Tag, daß wir nicht mehrere Stunden mitein-
ander verplaudert haͤtten. Er holte aus der Dijo-
ner Leſebibliothek immer Buͤcher, welche ich dann
auch las: und ſo verſtrichen mir die Tage im Ho-
ſpital wie Stunden, indeß die Zeit den andern
Kranken unendlich lange vorkam.

Bey dem Hoſpitaldirektor Duboy, deſſen Kin-
der ich unterrichtete, und deſſen Frau, nebſt ihm,
gar gute, brave Leute waren, hatte ich auch man-
che frohe Stunde. Mit Vergnuͤgen denke ich ſtaͤts
an jene Tage zuruͤck, die ich noch zu guter Lezt zu
Dijon im Hoſpital verlebt habe. Taͤglich ging
ich Abends mit Beſſel und einem andern Kran-
kenwaͤrter, Deschamps, zur Mutter Gui-
gner zu Weine, wo wir oft bis 10 Uhr und noch
laͤnger ſitzen blieben. Dann ſchlief ich bis 7 oder
8 Uhr, ſtand ſofort auf, ließ mich verbinden, und
aß hernach zu Mittage. Nach dem Eſſen ging ich
zum Direktor, las weiter in Buͤchern, oder ſchrieb
Briefe fuͤr Andere, oder wechſelte Anekdoten mit
Beſſel, aß zu Nacht, rauchte eine Pfeife Taback
draußen — im Innern war das Tabackrauchen

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[131/0135] Anekdotenkraͤmer habe ich noch nicht geſehen, als dieſen Beſſel: hier war er ganz unerſchoͤpflich; und da ich ſelbſt an der Anekdotenjagd von jeher viel Geſchmack gefunden habe, ſo hatte ich in ſeinem Umgang ſehr viel Vergnuͤgen. Es verging auch kein Tag, daß wir nicht mehrere Stunden mitein- ander verplaudert haͤtten. Er holte aus der Dijo- ner Leſebibliothek immer Buͤcher, welche ich dann auch las: und ſo verſtrichen mir die Tage im Ho- ſpital wie Stunden, indeß die Zeit den andern Kranken unendlich lange vorkam. Bey dem Hoſpitaldirektor Duboy, deſſen Kin- der ich unterrichtete, und deſſen Frau, nebſt ihm, gar gute, brave Leute waren, hatte ich auch man- che frohe Stunde. Mit Vergnuͤgen denke ich ſtaͤts an jene Tage zuruͤck, die ich noch zu guter Lezt zu Dijon im Hoſpital verlebt habe. Taͤglich ging ich Abends mit Beſſel und einem andern Kran- kenwaͤrter, Deschamps, zur Mutter Gui- gner zu Weine, wo wir oft bis 10 Uhr und noch laͤnger ſitzen blieben. Dann ſchlief ich bis 7 oder 8 Uhr, ſtand ſofort auf, ließ mich verbinden, und aß hernach zu Mittage. Nach dem Eſſen ging ich zum Direktor, las weiter in Buͤchern, oder ſchrieb Briefe fuͤr Andere, oder wechſelte Anekdoten mit Beſſel, aß zu Nacht, rauchte eine Pfeife Taback draußen — im Innern war das Tabackrauchen

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/135>, abgerufen am 17.05.2024.