will wohl eines Kompliments wegen verdächtig werden!
Bey der Abschaffung des Adels und aller erb- lichen persönlichen Rechte, stand es jedem frey, sich als einen gemeinen Bürger aufzufüh- ren. Man fand aber bald, daß die, welche vor- her adelich gewesen waren, doch nicht gut republi- kanisch gesinnet wären, und so erklärte man in den Jakobinerklubs die ehemaligen Edelleute (les cy- devant nobles, les cy-devant seigneurs) für ver- dächtig, und ermahnte alle Bürger, genau auf das Betragen derselben Acht zu haben. Wenn man aber dem Volkshaufen zu viel Willen läßt, so kann man dessen Ausschweifungen hernach nicht mehr bändigen. Das gemeine Volk, und beson- ders das auf den Dörfern, haßte ohnehin alles, was adelich gewesen war, wegen der Bedrückun- gen, die es ehedem von den Herren hatte leiden müssen, und suchte sich nun um so mehr zu rächen. Die Ex-Adlichen wurden daher meist alle ange- klagt, und, wenigstens als verdächtig, in den Gefängnissen aufbewahrt.
Einer von ihnen, nicht weit von Autun *), hatte den Adel abgelegt, und lebte als gemeiner
*) Herr Leutnant von Brandenstein weiß diesen Vorfall recht gut.
will wohl eines Kompliments wegen verdaͤchtig werden!
Bey der Abſchaffung des Adels und aller erb- lichen perſoͤnlichen Rechte, ſtand es jedem frey, ſich als einen gemeinen Buͤrger aufzufuͤh- ren. Man fand aber bald, daß die, welche vor- her adelich geweſen waren, doch nicht gut republi- kaniſch geſinnet waͤren, und ſo erklaͤrte man in den Jakobinerklubs die ehemaligen Edelleute (les cy- devant nobles, les cy-devant ſeigneurs) fuͤr ver- daͤchtig, und ermahnte alle Buͤrger, genau auf das Betragen derſelben Acht zu haben. Wenn man aber dem Volkshaufen zu viel Willen laͤßt, ſo kann man deſſen Ausſchweifungen hernach nicht mehr baͤndigen. Das gemeine Volk, und beſon- ders das auf den Doͤrfern, haßte ohnehin alles, was adelich geweſen war, wegen der Bedruͤckun- gen, die es ehedem von den Herren hatte leiden muͤſſen, und ſuchte ſich nun um ſo mehr zu raͤchen. Die Ex-Adlichen wurden daher meiſt alle ange- klagt, und, wenigſtens als verdaͤchtig, in den Gefaͤngniſſen aufbewahrt.
Einer von ihnen, nicht weit von Autun *), hatte den Adel abgelegt, und lebte als gemeiner
*) Herr Leutnant von Brandenſtein weiß dieſen Vorfall recht gut.
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will wohl eines Kompliments wegen verdaͤchtig
werden!
Bey der Abſchaffung des Adels und aller erb-
lichen perſoͤnlichen Rechte, ſtand es jedem
frey, ſich als einen gemeinen Buͤrger aufzufuͤh-
ren. Man fand aber bald, daß die, welche vor-
her adelich geweſen waren, doch nicht gut republi-
kaniſch geſinnet waͤren, und ſo erklaͤrte man in den
Jakobinerklubs die ehemaligen Edelleute (les cy-
devant nobles, les cy-devant ſeigneurs) fuͤr ver-
daͤchtig, und ermahnte alle Buͤrger, genau auf das
Betragen derſelben Acht zu haben. Wenn man
aber dem Volkshaufen zu viel Willen laͤßt, ſo
kann man deſſen Ausſchweifungen hernach nicht
mehr baͤndigen. Das gemeine Volk, und beſon-
ders das auf den Doͤrfern, haßte ohnehin alles,
was adelich geweſen war, wegen der Bedruͤckun-
gen, die es ehedem von den Herren hatte leiden
muͤſſen, und ſuchte ſich nun um ſo mehr zu raͤchen.
Die Ex-Adlichen wurden daher meiſt alle ange-
klagt, und, wenigſtens als verdaͤchtig, in den
Gefaͤngniſſen aufbewahrt.
Einer von ihnen, nicht weit von Autun *),
hatte den Adel abgelegt, und lebte als gemeiner
*) Herr Leutnant von Brandenſtein weiß dieſen Vorfall
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/106>, abgerufen am 22.11.2024.
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