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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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Ich habe, ich weiß nicht recht mehr, wo, gele-
sen, daß die Franzosen seit der Entstehung ihres
neuen Systems schon über 7000 Gesetze gemacht
hätten; und darüber hat sich de[r] E[h]renmann, der
das geschrieben hat, derb aufgehalten, und gefragt,
was doch aus einem Staat werden könne, der 7000
Gesetze hätte! Aber der Mensch wußte wohl nicht,
was er schrieb. Die meisten französischen Gesetze
gehen blos auf die Begebenheiten des Tages, und
gelten gerade nur so lange, als ihr Gegenstand dauert.
Bürgerliche Gesetze betreffen blos den Privatstand,
und ihrer sind äußerst wenig. Ihr Inhalt ist ge-
meinnützig, und ihre Sprache gemeinverständ-
lich.

Doch giebt es in Frankreich, wie in der ganzen
Welt Rechtshändel, welche man aber allemal erst
bey dem Friedensrichter anbringen muß. Denn
kein Collegium darf einen Proceß annehmen, ohne
daß der Friedensrichter den Kläger durch ein Cer-
tifikat dazu autorisirt habe. Einen Friedensrichter
giebt es in jeder Gemeinde und er hat die Pflicht
auf sich, die streitenden Partheyen auf jede Art zu
verständigen, und zum Vergleich zu bewegen. Er
kann von d[en] Partheyen keinen Heller nehmen, ist
aber auch wegen seiner Friedensstiftung niemanden
responsabel; ja, er darf sogar nicht einmal die Pro-
[z]esse bekannt machen, und ist quasi ein juristischer

Ich habe, ich weiß nicht recht mehr, wo, gele-
ſen, daß die Franzoſen ſeit der Entſtehung ihres
neuen Syſtems ſchon uͤber 7000 Geſetze gemacht
haͤtten; und daruͤber hat ſich de[r] E[h]renmann, der
das geſchrieben hat, derb aufgehalten, und gefragt,
was doch aus einem Staat werden koͤnne, der 7000
Geſetze haͤtte! Aber der Menſch wußte wohl nicht,
was er ſchrieb. Die meiſten franzoͤſiſchen Geſetze
gehen blos auf die Begebenheiten des Tages, und
gelten gerade nur ſo lange, als ihr Gegenſtand dauert.
Buͤrgerliche Geſetze betreffen blos den Privatſtand,
und ihrer ſind aͤußerſt wenig. Ihr Inhalt iſt ge-
meinnuͤtzig, und ihre Sprache gemeinverſtaͤnd-
lich.

Doch giebt es in Frankreich, wie in der ganzen
Welt Rechtshaͤndel, welche man aber allemal erſt
bey dem Friedensrichter anbringen muß. Denn
kein Collegium darf einen Proceß annehmen, ohne
daß der Friedensrichter den Klaͤger durch ein Cer-
tifikat dazu autoriſirt habe. Einen Friedensrichter
giebt es in jeder Gemeinde und er hat die Pflicht
auf ſich, die ſtreitenden Partheyen auf jede Art zu
verſtaͤndigen, und zum Vergleich zu bewegen. Er
kann von d[en] Partheyen keinen Heller nehmen, iſt
aber auch wegen ſeiner Friedensſtiftung niemanden
reſponſabel; ja, er darf ſogar nicht einmal die Pro-
[z]eſſe bekannt machen, und iſt quaſi ein juriſtiſcher

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[482/0486] Ich habe, ich weiß nicht recht mehr, wo, gele- ſen, daß die Franzoſen ſeit der Entſtehung ihres neuen Syſtems ſchon uͤber 7000 Geſetze gemacht haͤtten; und daruͤber hat ſich der Ehrenmann, der das geſchrieben hat, derb aufgehalten, und gefragt, was doch aus einem Staat werden koͤnne, der 7000 Geſetze haͤtte! Aber der Menſch wußte wohl nicht, was er ſchrieb. Die meiſten franzoͤſiſchen Geſetze gehen blos auf die Begebenheiten des Tages, und gelten gerade nur ſo lange, als ihr Gegenſtand dauert. Buͤrgerliche Geſetze betreffen blos den Privatſtand, und ihrer ſind aͤußerſt wenig. Ihr Inhalt iſt ge- meinnuͤtzig, und ihre Sprache gemeinverſtaͤnd- lich. Doch giebt es in Frankreich, wie in der ganzen Welt Rechtshaͤndel, welche man aber allemal erſt bey dem Friedensrichter anbringen muß. Denn kein Collegium darf einen Proceß annehmen, ohne daß der Friedensrichter den Klaͤger durch ein Cer- tifikat dazu autoriſirt habe. Einen Friedensrichter giebt es in jeder Gemeinde und er hat die Pflicht auf ſich, die ſtreitenden Partheyen auf jede Art zu verſtaͤndigen, und zum Vergleich zu bewegen. Er kann von den Partheyen keinen Heller nehmen, iſt aber auch wegen ſeiner Friedensſtiftung niemanden reſponſabel; ja, er darf ſogar nicht einmal die Pro- zeſſe bekannt machen, und iſt quaſi ein juriſtiſcher

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 482. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/486>, abgerufen am 21.05.2024.