leichtes ist, da uns unsre von Jugend auf beyge- brachten Begriffe von Herrschaft, Adel, Vorrech- ten, Religion u. s. w. zu gar schiefen Urtheilen verleiten können, wenn wir die französischen Be- gebenheiten nur so obenhin anschauen, zumal nach der einseitigen oder ganz verschraubten Darstellung so vieler benebelter Schriftsteller. Deswegen muß man auch Geduld mit denen haben, welche diese große Revolution von der unrechten Seite ansehen. Die Leute sind nicht unterrichtet, oder unbeschnitten an Herz und Kopf. Wenn daher der Wanderer in seinen Wanderungen einen kleinen Trupp fran- zösischer Gefangenen einen peuple souverain nennt, und sich dann über sein eignes Hirngespinnst etwas zu gute thut: wer zuckt nicht die Achseln über den abgeschmackten, faden Gespenster-Vogt!
Fleißig habe ich auch die Gerichtsplätze besucht, wohin jeder gehen und alles mit anhören darf, was da verhandelt wird. Es giebt in Frank- reich keine Rechts- oder Justiz-Geheimnisse mehr: blos der Friedensrichter handelt bei verschloßnen Thüren, und das ist auch schon recht. Denn der Friedensrichter ist eigentlich kein Richter, sondern eine von dem Distrikt autorisirte Person, die Pri- vathändel der Bürger in der Güte beyzulegen; und dazu dedarf es keiner Publicität.
Vierter Theil. H h
leichtes iſt, da uns unſre von Jugend auf beyge- brachten Begriffe von Herrſchaft, Adel, Vorrech- ten, Religion u. ſ. w. zu gar ſchiefen Urtheilen verleiten koͤnnen, wenn wir die franzoͤſiſchen Be- gebenheiten nur ſo obenhin anſchauen, zumal nach der einſeitigen oder ganz verſchraubten Darſtellung ſo vieler benebelter Schriftſteller. Deswegen muß man auch Geduld mit denen haben, welche dieſe große Revolution von der unrechten Seite anſehen. Die Leute ſind nicht unterrichtet, oder unbeſchnitten an Herz und Kopf. Wenn daher der Wanderer in ſeinen Wanderungen einen kleinen Trupp fran- zoͤſiſcher Gefangenen einen peuple ſouverain nennt, und ſich dann uͤber ſein eignes Hirngeſpinnſt etwas zu gute thut: wer zuckt nicht die Achſeln uͤber den abgeſchmackten, faden Geſpenſter-Vogt!
Fleißig habe ich auch die Gerichtsplaͤtze beſucht, wohin jeder gehen und alles mit anhoͤren darf, was da verhandelt wird. Es giebt in Frank- reich keine Rechts- oder Juſtiz-Geheimniſſe mehr: blos der Friedensrichter handelt bei verſchloßnen Thuͤren, und das iſt auch ſchon recht. Denn der Friedensrichter iſt eigentlich kein Richter, ſondern eine von dem Diſtrikt autoriſirte Perſon, die Pri- vathaͤndel der Buͤrger in der Guͤte beyzulegen; und dazu dedarf es keiner Publicitaͤt.
Vierter Theil. H h
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leichtes iſt, da uns unſre von Jugend auf beyge-
brachten Begriffe von Herrſchaft, Adel, Vorrech-
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verleiten koͤnnen, wenn wir die franzoͤſiſchen Be-
gebenheiten nur ſo obenhin anſchauen, zumal nach
der einſeitigen oder ganz verſchraubten Darſtellung
ſo vieler benebelter Schriftſteller. Deswegen muß
man auch Geduld mit denen haben, welche dieſe
große Revolution von der unrechten Seite anſehen.
Die Leute ſind nicht unterrichtet, oder unbeſchnitten
an Herz und Kopf. Wenn daher der Wanderer
in ſeinen Wanderungen einen kleinen Trupp fran-
zoͤſiſcher Gefangenen einen peuple ſouverain nennt,
und ſich dann uͤber ſein eignes Hirngeſpinnſt etwas
zu gute thut: wer zuckt nicht die Achſeln uͤber den
abgeſchmackten, faden Geſpenſter-Vogt!
Fleißig habe ich auch die Gerichtsplaͤtze
beſucht, wohin jeder gehen und alles mit anhoͤren
darf, was da verhandelt wird. Es giebt in Frank-
reich keine Rechts- oder Juſtiz-Geheimniſſe mehr:
blos der Friedensrichter handelt bei verſchloßnen
Thuͤren, und das iſt auch ſchon recht. Denn der
Friedensrichter iſt eigentlich kein Richter, ſondern
eine von dem Diſtrikt autoriſirte Perſon, die Pri-
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und dazu dedarf es keiner Publicitaͤt.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/485>, abgerufen am 25.11.2024.
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