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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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zusammengerafft hatte, so untergebracht und ver-
theilt wurden, daß die Ruhe des Staats nicht dar-
unter leiden dürfte; und niemand wird die deshalb
genommenen Maßregeln tadeln, der sich nur halb
und halb einen Begriff von einer Sankülotten-Ar-
mee machen kann. *) -- Wir harrten auf die An-
kunft des Generals Laporte in Grenoble, aber wir
harrten vergebens. Endlich befahl der Kommissär,
daß wir abziehen, und unsern Marsch auf dem ch[e]-
min d'etapes
nach Marseille richten sollten:
wahrscheinlich würden wir auf Mont Dragon in
Garnison kommen.

Wir gingen also ab auf den fatalsten Wegen
nach Valence zu. Auf den Bergen war es im-
mer formidabel kalt, und in den Thälern gewaltig
heiß, ob gleich nur erst der Februar anging. Auf
diesem Wege kam ich mit einem einzigen Kamera-
den eines Abends an ein Dorf, und war willens,
nebst ihm in die Dorfschenke einzukehren. Allein
der Sankülotte machte mich aufmerksam, daß es
nicht rathsam seyn würde, indem wir zu schwach

*) Man kann nicht läugnen, daß der Konvent, so viel man ihn
im [A]uslande auch getadelt hat, oft in einem Monate, unter
den gefä[h]rlichsten Stürmen, mehr Regierungsweisheit gezeigt
hat, als ein Victor Amadäus, in einem ganzen ruhigen
Jahrhunderte nie zeigen wird. Und doch meynt der Erzlügne[r]
Pitti in Frankreich sey keine Regierung!

zuſammengerafft hatte, ſo untergebracht und ver-
theilt wurden, daß die Ruhe des Staats nicht dar-
unter leiden duͤrfte; und niemand wird die deshalb
genommenen Maßregeln tadeln, der ſich nur halb
und halb einen Begriff von einer Sankuͤlotten-Ar-
mee machen kann. *) — Wir harrten auf die An-
kunft des Generals Laporte in Grenoble, aber wir
harrten vergebens. Endlich befahl der Kommiſſaͤr,
daß wir abziehen, und unſern Marſch auf dem ch[e]-
min d'étapes
nach Marſeille richten ſollten:
wahrſcheinlich wuͤrden wir auf Mont Dragon in
Garniſon kommen.

Wir gingen alſo ab auf den fatalſten Wegen
nach Valence zu. Auf den Bergen war es im-
mer formidabel kalt, und in den Thaͤlern gewaltig
heiß, ob gleich nur erſt der Februar anging. Auf
dieſem Wege kam ich mit einem einzigen Kamera-
den eines Abends an ein Dorf, und war willens,
nebſt ihm in die Dorfſchenke einzukehren. Allein
der Sankuͤlotte machte mich aufmerkſam, daß es
nicht rathſam ſeyn wuͤrde, indem wir zu ſchwach

*) Man kann nicht läugnen, daß der Konvent, ſo viel man ihn
im [A]uslande auch getadelt hat, oft in einem Monate, unter
den gefä[h]rlichſten Stürmen, mehr Regierungsweisheit gezeigt
hat, als ein Victor Amadäus, in einem ganzen ruhigen
Jahrhunderte nie zeigen wird. Und doch meynt der Erzlügne[r]
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[382/0386] zuſammengerafft hatte, ſo untergebracht und ver- theilt wurden, daß die Ruhe des Staats nicht dar- unter leiden duͤrfte; und niemand wird die deshalb genommenen Maßregeln tadeln, der ſich nur halb und halb einen Begriff von einer Sankuͤlotten-Ar- mee machen kann. *) — Wir harrten auf die An- kunft des Generals Laporte in Grenoble, aber wir harrten vergebens. Endlich befahl der Kommiſſaͤr, daß wir abziehen, und unſern Marſch auf dem che- min d'étapes nach Marſeille richten ſollten: wahrſcheinlich wuͤrden wir auf Mont Dragon in Garniſon kommen. Wir gingen alſo ab auf den fatalſten Wegen nach Valence zu. Auf den Bergen war es im- mer formidabel kalt, und in den Thaͤlern gewaltig heiß, ob gleich nur erſt der Februar anging. Auf dieſem Wege kam ich mit einem einzigen Kamera- den eines Abends an ein Dorf, und war willens, nebſt ihm in die Dorfſchenke einzukehren. Allein der Sankuͤlotte machte mich aufmerkſam, daß es nicht rathſam ſeyn wuͤrde, indem wir zu ſchwach *) Man kann nicht läugnen, daß der Konvent, ſo viel man ihn im Auslande auch getadelt hat, oft in einem Monate, unter den gefährlichſten Stürmen, mehr Regierungsweisheit gezeigt hat, als ein Victor Amadäus, in einem ganzen ruhigen Jahrhunderte nie zeigen wird. Und doch meynt der Erzlügner Pitti in Frankreich ſey keine Regierung!

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/386>, abgerufen am 25.11.2024.