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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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Der Hauptmann Landrin wollte anfänglich gar
nicht einwilligen. Er könnte, meynte er, in Be-
sancon es nicht recht verantworten, wenn er
Kriegsgefangne zurückließe. Als ich ihm aber
vorstellte, daß Ludwig ja nur Feldscheer sey, wel-
cher niemals Waffen getragen habe, ließ er sich
endlich bereden, und gestattete ihm, im Spital zu
Colmar als Gehülfe der dort angestellten Wundärzte
zu bleiben. Ludwig hätte es hier gut haben kön-
nen, aber Ludwig war ein elender Wicht: durch seine
Grobheit, oder durch sonst etwas, muß er es verdorben
haben: denn einige Monathe hernach fand ich ihn
im Hospital zu Dijon krank, wo er auch gestor-
ben ist. Er hatte in Prenzlau Frau und Kinder.

In Colmar sah ich zum erstenmal eine Exe-
cution mit der Guillotine. Ein Dorfmäre wurde
hingerichtet, weil er einen Geistlichen, der den Eid
nicht schwören wollte, einige Zeit bey sich verborgen
gehalten hatte. Er bestieg das Gerüst mit vieler
Geistesgegenwart, und sagte noch, ehe er niederge-
legt wurde, recht laut: ich bin doch kein Schelm!

Ich muß gestehen, daß die Guillotine damals
einen seltsamen Eindruck auf mich gemacht hat,
den ich den ganzen Tag nicht verwinden konnte.
Der Apparat, und die mir so ganz fremde Art, je-
manden hinzurichten, erschütterten mich gewaltig,
ob ich gleich einsah, daß unter den mir bekannten

Der Hauptmann Landrin wollte anfaͤnglich gar
nicht einwilligen. Er koͤnnte, meynte er, in Be-
ſançon es nicht recht verantworten, wenn er
Kriegsgefangne zuruͤckließe. Als ich ihm aber
vorſtellte, daß Ludwig ja nur Feldſcheer ſey, wel-
cher niemals Waffen getragen habe, ließ er ſich
endlich bereden, und geſtattete ihm, im Spital zu
Colmar als Gehuͤlfe der dort angeſtellten Wundaͤrzte
zu bleiben. Ludwig haͤtte es hier gut haben koͤn-
nen, aber Ludwig war ein elender Wicht: durch ſeine
Grobheit, oder durch ſonſt etwas, muß er es verdorben
haben: denn einige Monathe hernach fand ich ihn
im Hoſpital zu Dijon krank, wo er auch geſtor-
ben iſt. Er hatte in Prenzlau Frau und Kinder.

In Colmar ſah ich zum erſtenmal eine Exe-
cution mit der Guillotine. Ein Dorfmaͤre wurde
hingerichtet, weil er einen Geiſtlichen, der den Eid
nicht ſchwoͤren wollte, einige Zeit bey ſich verborgen
gehalten hatte. Er beſtieg das Geruͤſt mit vieler
Geiſtesgegenwart, und ſagte noch, ehe er niederge-
legt wurde, recht laut: ich bin doch kein Schelm!

Ich muß geſtehen, daß die Guillotine damals
einen ſeltſamen Eindruck auf mich gemacht hat,
den ich den ganzen Tag nicht verwinden konnte.
Der Apparat, und die mir ſo ganz fremde Art, je-
manden hinzurichten, erſchuͤtterten mich gewaltig,
ob ich gleich einſah, daß unter den mir bekannten

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[309/0313] Der Hauptmann Landrin wollte anfaͤnglich gar nicht einwilligen. Er koͤnnte, meynte er, in Be- ſançon es nicht recht verantworten, wenn er Kriegsgefangne zuruͤckließe. Als ich ihm aber vorſtellte, daß Ludwig ja nur Feldſcheer ſey, wel- cher niemals Waffen getragen habe, ließ er ſich endlich bereden, und geſtattete ihm, im Spital zu Colmar als Gehuͤlfe der dort angeſtellten Wundaͤrzte zu bleiben. Ludwig haͤtte es hier gut haben koͤn- nen, aber Ludwig war ein elender Wicht: durch ſeine Grobheit, oder durch ſonſt etwas, muß er es verdorben haben: denn einige Monathe hernach fand ich ihn im Hoſpital zu Dijon krank, wo er auch geſtor- ben iſt. Er hatte in Prenzlau Frau und Kinder. In Colmar ſah ich zum erſtenmal eine Exe- cution mit der Guillotine. Ein Dorfmaͤre wurde hingerichtet, weil er einen Geiſtlichen, der den Eid nicht ſchwoͤren wollte, einige Zeit bey ſich verborgen gehalten hatte. Er beſtieg das Geruͤſt mit vieler Geiſtesgegenwart, und ſagte noch, ehe er niederge- legt wurde, recht laut: ich bin doch kein Schelm! Ich muß geſtehen, daß die Guillotine damals einen ſeltſamen Eindruck auf mich gemacht hat, den ich den ganzen Tag nicht verwinden konnte. Der Apparat, und die mir ſo ganz fremde Art, je- manden hinzurichten, erſchuͤtterten mich gewaltig, ob ich gleich einſah, daß unter den mir bekannten

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/313>, abgerufen am 22.05.2024.