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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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ihm deshalb den andern Tag früh Nachricht zu
geben, indessen aber die Kranken wohl zu pflegen.

Früh weckte mich Landrin, lange vor Ta-
ges-Anbruch: "Geh, sagte er, zu den Gefang-
nen, und sieh, wie's mit den Kranken aussieht."
Ich that dieses gern, denn wen schmeichelt es nicht,
unter solchen Umständen von seinen Vorgesezten sich
mit Zutrauen beehrt zu sehn! Die armen Kranken
hatten schon gehört, was ich Abends vorher für sie
gethan hatte, und baten mich gar sehr, daß ich sie
aufs Hospital befördern mögte. Sie mogten mich,
wer weis, wofür ansehen: denn sie sagten: "Hoben's
Gnod, bey Ihr Gnoden Herr Hoptmann zu bitten,
doß wir holter uf's Losoreth kumen!" Ich ver-
sprachs, und rapportirte meinem braven Landrin,
daß die Bursche schlechterdings nicht fort könnten.
So bleiben sie hier, war seine Antwort, und bald
darauf disputirte er sich so lange mit den Munici-
palitätsbeamten herum, bis diese die Kranken in ihr
Spital bringen ließen.

Schlettstadt war ehedem fest, ist aber nach und
nach verfallen, bis es im Jahre 1793 wieder stark
befestiget wurde. Dieß ist mit mehreren Städten
im Elsaß geschehen, da man von allen Seiten her
einen Einfall der Deutschen befürchtete.

Die angenehme Gegend von Schlettstadt nach
Colmar konnte ich nur wenig beobachten: denn es

ihm deshalb den andern Tag fruͤh Nachricht zu
geben, indeſſen aber die Kranken wohl zu pflegen.

Fruͤh weckte mich Landrin, lange vor Ta-
ges-Anbruch: „Geh, ſagte er, zu den Gefang-
nen, und ſieh, wie's mit den Kranken ausſieht.“
Ich that dieſes gern, denn wen ſchmeichelt es nicht,
unter ſolchen Umſtaͤnden von ſeinen Vorgeſezten ſich
mit Zutrauen beehrt zu ſehn! Die armen Kranken
hatten ſchon gehoͤrt, was ich Abends vorher fuͤr ſie
gethan hatte, und baten mich gar ſehr, daß ich ſie
aufs Hoſpital befoͤrdern moͤgte. Sie mogten mich,
wer weis, wofuͤr anſehen: denn ſie ſagten: „Hoben's
Gnod, bey Ihr Gnoden Herr Hoptmann zu bitten,
doß wir holter uf's Loſoreth kumen!“ Ich ver-
ſprachs, und rapportirte meinem braven Landrin,
daß die Burſche ſchlechterdings nicht fort koͤnnten.
So bleiben ſie hier, war ſeine Antwort, und bald
darauf disputirte er ſich ſo lange mit den Munici-
palitaͤtsbeamten herum, bis dieſe die Kranken in ihr
Spital bringen ließen.

Schlettſtadt war ehedem feſt, iſt aber nach und
nach verfallen, bis es im Jahre 1793 wieder ſtark
befeſtiget wurde. Dieß iſt mit mehreren Staͤdten
im Elſaß geſchehen, da man von allen Seiten her
einen Einfall der Deutſchen befuͤrchtete.

Die angenehme Gegend von Schlettſtadt nach
Colmar konnte ich nur wenig beobachten: denn es

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[307/0311] ihm deshalb den andern Tag fruͤh Nachricht zu geben, indeſſen aber die Kranken wohl zu pflegen. Fruͤh weckte mich Landrin, lange vor Ta- ges-Anbruch: „Geh, ſagte er, zu den Gefang- nen, und ſieh, wie's mit den Kranken ausſieht.“ Ich that dieſes gern, denn wen ſchmeichelt es nicht, unter ſolchen Umſtaͤnden von ſeinen Vorgeſezten ſich mit Zutrauen beehrt zu ſehn! Die armen Kranken hatten ſchon gehoͤrt, was ich Abends vorher fuͤr ſie gethan hatte, und baten mich gar ſehr, daß ich ſie aufs Hoſpital befoͤrdern moͤgte. Sie mogten mich, wer weis, wofuͤr anſehen: denn ſie ſagten: „Hoben's Gnod, bey Ihr Gnoden Herr Hoptmann zu bitten, doß wir holter uf's Loſoreth kumen!“ Ich ver- ſprachs, und rapportirte meinem braven Landrin, daß die Burſche ſchlechterdings nicht fort koͤnnten. So bleiben ſie hier, war ſeine Antwort, und bald darauf disputirte er ſich ſo lange mit den Munici- palitaͤtsbeamten herum, bis dieſe die Kranken in ihr Spital bringen ließen. Schlettſtadt war ehedem feſt, iſt aber nach und nach verfallen, bis es im Jahre 1793 wieder ſtark befeſtiget wurde. Dieß iſt mit mehreren Staͤdten im Elſaß geſchehen, da man von allen Seiten her einen Einfall der Deutſchen befuͤrchtete. Die angenehme Gegend von Schlettſtadt nach Colmar konnte ich nur wenig beobachten: denn es

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/311>, abgerufen am 18.05.2024.