Royalismus oder Christenthum schmeckte. Sogar durfte von Gott, dessen Regierung, und von der Unsterblichkeit der Seele nicht ein Wort einfließen: Auch die Begriffe über diese Dinge sollten durch eine Art von Anarchie geläutert werden. Kam so etwas vor, so wurde es gestrichen; und hatte der Verfasser gar Einiges zu Gunsten der Bibel u. s. w. gesagt, so ward er obendrein deshalb noch verant- wortlich.
Den Inhalt dieser Reden können meine Leser schon errathen. Sie rollirten meistens über Frey- heit, Gleichheit und Vaterlandsliebe; über Haß und Vernichtung der Tyranney und der Pfaffen, und mit unter kamen derbe Ausfälle auf den Stif- ter der christlichen Lehre, auf seine Mutter und seine Apostel vor. Der Vater Papst wurde vollends nicht geschont, und die sonst ehrwürdigen Gebräu- che der Religion in Frankreich, die Messe, Sakra- mente, Fegfeuer u. dgl. fertigte man mit derben Sarkasmen ab. Beyher wurden auch die Gesetze erklärt, und das Volk zur Befolgung derselben aufgemuntert.
In Colmar hörte ich die erste Rede im Tem- pel der Vernunft. Der Prokurator Glocsin -- von dem man bald mehr lesen wird -- hielt sie mit allem Pathos über das Recht der Völker, ihre Tyrannen zu richten, wenn sie das Volk drücken,
Royalismus oder Chriſtenthum ſchmeckte. Sogar durfte von Gott, deſſen Regierung, und von der Unſterblichkeit der Seele nicht ein Wort einfließen: Auch die Begriffe uͤber dieſe Dinge ſollten durch eine Art von Anarchie gelaͤutert werden. Kam ſo etwas vor, ſo wurde es geſtrichen; und hatte der Verfaſſer gar Einiges zu Gunſten der Bibel u. ſ. w. geſagt, ſo ward er obendrein deshalb noch verant- wortlich.
Den Inhalt dieſer Reden koͤnnen meine Leſer ſchon errathen. Sie rollirten meiſtens uͤber Frey- heit, Gleichheit und Vaterlandsliebe; uͤber Haß und Vernichtung der Tyranney und der Pfaffen, und mit unter kamen derbe Ausfaͤlle auf den Stif- ter der chriſtlichen Lehre, auf ſeine Mutter und ſeine Apoſtel vor. Der Vater Papſt wurde vollends nicht geſchont, und die ſonſt ehrwuͤrdigen Gebraͤu- che der Religion in Frankreich, die Meſſe, Sakra- mente, Fegfeuer u. dgl. fertigte man mit derben Sarkasmen ab. Beyher wurden auch die Geſetze erklaͤrt, und das Volk zur Befolgung derſelben aufgemuntert.
In Colmar hoͤrte ich die erſte Rede im Tem- pel der Vernunft. Der Prokurator Glocſin — von dem man bald mehr leſen wird — hielt ſie mit allem Pathos uͤber das Recht der Voͤlker, ihre Tyrannen zu richten, wenn ſie das Volk druͤcken,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0289"n="285"/>
Royalismus oder Chriſtenthum ſchmeckte. Sogar<lb/>
durfte von Gott, deſſen Regierung, und von der<lb/>
Unſterblichkeit der Seele nicht ein Wort einfließen:<lb/>
Auch die Begriffe uͤber dieſe Dinge ſollten durch<lb/>
eine Art von Anarchie gelaͤutert werden. Kam ſo<lb/>
etwas vor, ſo wurde es geſtrichen; und hatte der<lb/>
Verfaſſer gar Einiges zu Gunſten der Bibel u. ſ. w.<lb/>
geſagt, ſo ward er obendrein deshalb noch verant-<lb/>
wortlich.</p><lb/><p>Den Inhalt dieſer Reden koͤnnen meine Leſer<lb/>ſchon errathen. Sie rollirten meiſtens uͤber Frey-<lb/>
heit, Gleichheit und Vaterlandsliebe; uͤber Haß<lb/>
und Vernichtung der Tyranney und der Pfaffen,<lb/>
und mit unter kamen derbe Ausfaͤlle auf den Stif-<lb/>
ter der chriſtlichen Lehre, auf ſeine Mutter und<lb/>ſeine Apoſtel vor. Der Vater Papſt wurde vollends<lb/>
nicht geſchont, und die ſonſt ehrwuͤrdigen Gebraͤu-<lb/>
che der Religion in Frankreich, die Meſſe, Sakra-<lb/>
mente, Fegfeuer u. dgl. fertigte man mit derben<lb/>
Sarkasmen ab. Beyher wurden auch die Geſetze<lb/>
erklaͤrt, und das Volk zur Befolgung derſelben<lb/>
aufgemuntert.</p><lb/><p>In Colmar hoͤrte ich die erſte Rede im Tem-<lb/>
pel der Vernunft. Der Prokurator <hirendition="#g">Glocſin</hi>—<lb/>
von dem man bald mehr leſen wird — hielt ſie<lb/>
mit allem Pathos uͤber das Recht der Voͤlker, ihre<lb/>
Tyrannen zu richten, wenn ſie das Volk druͤcken,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[285/0289]
Royalismus oder Chriſtenthum ſchmeckte. Sogar
durfte von Gott, deſſen Regierung, und von der
Unſterblichkeit der Seele nicht ein Wort einfließen:
Auch die Begriffe uͤber dieſe Dinge ſollten durch
eine Art von Anarchie gelaͤutert werden. Kam ſo
etwas vor, ſo wurde es geſtrichen; und hatte der
Verfaſſer gar Einiges zu Gunſten der Bibel u. ſ. w.
geſagt, ſo ward er obendrein deshalb noch verant-
wortlich.
Den Inhalt dieſer Reden koͤnnen meine Leſer
ſchon errathen. Sie rollirten meiſtens uͤber Frey-
heit, Gleichheit und Vaterlandsliebe; uͤber Haß
und Vernichtung der Tyranney und der Pfaffen,
und mit unter kamen derbe Ausfaͤlle auf den Stif-
ter der chriſtlichen Lehre, auf ſeine Mutter und
ſeine Apoſtel vor. Der Vater Papſt wurde vollends
nicht geſchont, und die ſonſt ehrwuͤrdigen Gebraͤu-
che der Religion in Frankreich, die Meſſe, Sakra-
mente, Fegfeuer u. dgl. fertigte man mit derben
Sarkasmen ab. Beyher wurden auch die Geſetze
erklaͤrt, und das Volk zur Befolgung derſelben
aufgemuntert.
In Colmar hoͤrte ich die erſte Rede im Tem-
pel der Vernunft. Der Prokurator Glocſin —
von dem man bald mehr leſen wird — hielt ſie
mit allem Pathos uͤber das Recht der Voͤlker, ihre
Tyrannen zu richten, wenn ſie das Volk druͤcken,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/289>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.