mer durch Juden und andre Helfershelfer fleißig einwechseln lassen, und dabey ansehnlich gewon- nen. Man hat das Unwesen wohl bemerkt, aber nicht gesteuert. Als daher im folgenden Winter bey Frankfurt am Mayn einem gewissen Herren Quartiermeister eine sehr ansehnliche Summe ge- stohlen ward, sagte selbst ein General: "er kann das schon verschmerzen: hat er uns doch, wer weiß um wie viel, besch--en!"
Frauenzimmer kamen sehr häufig aus Koblenz, und besuchten ihre Bekanntschaften im Lager: vor- nehmere die Offiziere und gemeine die Soldaten. Da ist es denn manchmal hergegangen, wie es konnte.
Einstens kam auch ein Koblenzer Kanonikus zum Herrn Major von Wernsdorff, welcher mich kommen ließ, um da bey einem Glase Wein mit dem Hn. Kanonikus latein zu reden. Dieser Hr. Kanonikus war ein wahrer Bon-vivant, der blos für seinen Bauch sorgte, und auch nicht das geringste auf Wissenschaften oder Litteratur hielt. Si semel habemus praebendas, sagte er, tunc non magis cogitamus de libri: quid enim bonum Cano- nico est, studere? sumus semel provisi, et studia sinimus pendere in elavo. Sehr erbaulich! Doch wußte der Herr Kanonikus, daß Doktor Bahrdt ein Erzketzer und Atheist gewesen sey, und machte große Augen, als ich ihm sagte, daß Bahrdt,
mer durch Juden und andre Helfershelfer fleißig einwechſeln laſſen, und dabey anſehnlich gewon- nen. Man hat das Unweſen wohl bemerkt, aber nicht geſteuert. Als daher im folgenden Winter bey Frankfurt am Mayn einem gewiſſen Herren Quartiermeiſter eine ſehr anſehnliche Summe ge- ſtohlen ward, ſagte ſelbſt ein General: „er kann das ſchon verſchmerzen: hat er uns doch, wer weiß um wie viel, beſch—en!“
Frauenzimmer kamen ſehr haͤufig aus Koblenz, und beſuchten ihre Bekanntſchaften im Lager: vor- nehmere die Offiziere und gemeine die Soldaten. Da iſt es denn manchmal hergegangen, wie es konnte.
Einſtens kam auch ein Koblenzer Kanonikus zum Herrn Major von Wernsdorff, welcher mich kommen ließ, um da bey einem Glaſe Wein mit dem Hn. Kanonikus latein zu reden. Dieſer Hr. Kanonikus war ein wahrer Bon-vivant, der blos fuͤr ſeinen Bauch ſorgte, und auch nicht das geringſte auf Wiſſenſchaften oder Litteratur hielt. Si ſemel habemus praebendas, ſagte er, tunc non magis cogitamus de libri: quid enim bonum Cano- nico eſt, ſtudere? ſumus ſemel proviſi, et ſtudia ſinimus pendere in elavo. Sehr erbaulich! Doch wußte der Herr Kanonikus, daß Doktor Bahrdt ein Erzketzer und Atheiſt geweſen ſey, und machte große Augen, als ich ihm ſagte, daß Bahrdt,
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mer durch Juden und andre Helfershelfer fleißig
einwechſeln laſſen, und dabey anſehnlich gewon-
nen. Man hat das Unweſen wohl bemerkt, aber
nicht geſteuert. Als daher im folgenden Winter
bey Frankfurt am Mayn einem gewiſſen Herren
Quartiermeiſter eine ſehr anſehnliche Summe ge-
ſtohlen ward, ſagte ſelbſt ein General: „er kann
das ſchon verſchmerzen: hat er uns doch, wer
weiß um wie viel, beſch—en!“
Frauenzimmer kamen ſehr haͤufig aus Koblenz,
und beſuchten ihre Bekanntſchaften im Lager: vor-
nehmere die Offiziere und gemeine die Soldaten. Da
iſt es denn manchmal hergegangen, wie es konnte.
Einſtens kam auch ein Koblenzer Kanonikus
zum Herrn Major von Wernsdorff, welcher
mich kommen ließ, um da bey einem Glaſe Wein
mit dem Hn. Kanonikus latein zu reden. Dieſer
Hr. Kanonikus war ein wahrer Bon-vivant, der
blos fuͤr ſeinen Bauch ſorgte, und auch nicht das
geringſte auf Wiſſenſchaften oder Litteratur hielt.
Si ſemel habemus praebendas, ſagte er, tunc non
magis cogitamus de libri: quid enim bonum Cano-
nico eſt, ſtudere? ſumus ſemel proviſi, et ſtudia
ſinimus pendere in elavo. Sehr erbaulich! Doch
wußte der Herr Kanonikus, daß Doktor Bahrdt
ein Erzketzer und Atheiſt geweſen ſey, und machte
große Augen, als ich ihm ſagte, daß Bahrdt,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/85>, abgerufen am 24.11.2024.
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