"Lassen wir jetzt, unterbrach ich ihn, die Pfaf- fen Pfaffen seyn: ich bin nur begierig auf die Folge Ihrer Bemerkung".
"Ich sagte, daß, wenn unsre emigrirten Pfaf- fen im Lande geblieben wären, man sie -- wegen ih- res Eides auf die neue Constitution -- als irregu- läre, meineidige und gottlose Pfaffen betrachtet hätte: und nun denken Sie deren Schicksal bey ei- nem Verfall der Constitution, oder auch nur bey ei- ner Herstellung der alten Hierarchie in Frankreich! Es würde ihnen auf jeden Fall kläglich ergangen seyn. Nein, mein Herr, wenn ja jemand mit Recht Frankreich verlassen hat: so waren es die Pfaffen, welche sich auf ihre Pfafferey ernähren mußten. Die, welche den Nationaleid geschworen haben, um unangefochten in ihrem Vaterlande blei- ben zu können, sind dennoch immer in Gefahr, und werden vielleicht noch von ihren eignen Patrioten abgesezt. *)"
"Nun sehen Sie -- fuhr er fort -- daß nicht alle Edelleute, auch nicht alle Priester, ohne Noth und ans bloßem Haß gegen die Constitution, oder aus Stolz auf ihre Prärogativen, oder aus Leicht- sinn fortgelaufen sind. Viele haben wirklich Ursa- che dazu gehabt, und unter diesen verdienen meh-
*) Gegen das Ende des Jahres 1793 ist diese Prophezeihung eingetroffen
„Laſſen wir jetzt, unterbrach ich ihn, die Pfaf- fen Pfaffen ſeyn: ich bin nur begierig auf die Folge Ihrer Bemerkung“.
„Ich ſagte, daß, wenn unſre emigrirten Pfaf- fen im Lande geblieben waͤren, man ſie — wegen ih- res Eides auf die neue Conſtitution — als irregu- laͤre, meineidige und gottloſe Pfaffen betrachtet haͤtte: und nun denken Sie deren Schickſal bey ei- nem Verfall der Conſtitution, oder auch nur bey ei- ner Herſtellung der alten Hierarchie in Frankreich! Es wuͤrde ihnen auf jeden Fall klaͤglich ergangen ſeyn. Nein, mein Herr, wenn ja jemand mit Recht Frankreich verlaſſen hat: ſo waren es die Pfaffen, welche ſich auf ihre Pfafferey ernaͤhren mußten. Die, welche den Nationaleid geſchworen haben, um unangefochten in ihrem Vaterlande blei- ben zu koͤnnen, ſind dennoch immer in Gefahr, und werden vielleicht noch von ihren eignen Patrioten abgeſezt. *)“
„Nun ſehen Sie — fuhr er fort — daß nicht alle Edelleute, auch nicht alle Prieſter, ohne Noth und ans bloßem Haß gegen die Conſtitution, oder aus Stolz auf ihre Praͤrogativen, oder aus Leicht- ſinn fortgelaufen ſind. Viele haben wirklich Urſa- che dazu gehabt, und unter dieſen verdienen meh-
*) Gegen das Ende des Jahres 1793 iſt dieſe Prophezeihung eingetroffen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0056"n="44"/><p>„Laſſen wir jetzt, unterbrach ich ihn, die Pfaf-<lb/>
fen Pfaffen ſeyn: ich bin nur begierig auf die Folge<lb/>
Ihrer Bemerkung“.</p><lb/><p>„Ich ſagte, daß, wenn unſre emigrirten Pfaf-<lb/>
fen im Lande geblieben waͤren, man ſie — wegen ih-<lb/>
res Eides auf die neue Conſtitution — als irregu-<lb/>
laͤre, meineidige und gottloſe Pfaffen betrachtet<lb/>
haͤtte: und nun denken Sie deren Schickſal bey ei-<lb/>
nem Verfall der Conſtitution, oder auch nur bey ei-<lb/>
ner Herſtellung der alten Hierarchie in Frankreich!<lb/>
Es wuͤrde ihnen auf jeden Fall klaͤglich ergangen<lb/>ſeyn. Nein, mein Herr, wenn ja jemand mit<lb/>
Recht Frankreich verlaſſen hat: ſo waren es die<lb/>
Pfaffen, welche ſich auf ihre Pfafferey ernaͤhren<lb/>
mußten. Die, welche den Nationaleid geſchworen<lb/>
haben, um unangefochten in ihrem Vaterlande blei-<lb/>
ben zu koͤnnen, ſind dennoch immer in Gefahr, und<lb/>
werden vielleicht noch von ihren eignen Patrioten<lb/>
abgeſezt. <noteplace="foot"n="*)">Gegen das Ende des Jahres 1793 iſt dieſe Prophezeihung<lb/>
eingetroffen</note>“</p><lb/><p>„Nun ſehen Sie — fuhr er fort — daß nicht<lb/>
alle Edelleute, auch nicht alle Prieſter, ohne Noth<lb/>
und ans bloßem Haß gegen die Conſtitution, oder<lb/>
aus Stolz auf ihre Praͤrogativen, oder aus Leicht-<lb/>ſinn fortgelaufen ſind. Viele haben wirklich Urſa-<lb/>
che dazu gehabt, und unter dieſen verdienen meh-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[44/0056]
„Laſſen wir jetzt, unterbrach ich ihn, die Pfaf-
fen Pfaffen ſeyn: ich bin nur begierig auf die Folge
Ihrer Bemerkung“.
„Ich ſagte, daß, wenn unſre emigrirten Pfaf-
fen im Lande geblieben waͤren, man ſie — wegen ih-
res Eides auf die neue Conſtitution — als irregu-
laͤre, meineidige und gottloſe Pfaffen betrachtet
haͤtte: und nun denken Sie deren Schickſal bey ei-
nem Verfall der Conſtitution, oder auch nur bey ei-
ner Herſtellung der alten Hierarchie in Frankreich!
Es wuͤrde ihnen auf jeden Fall klaͤglich ergangen
ſeyn. Nein, mein Herr, wenn ja jemand mit
Recht Frankreich verlaſſen hat: ſo waren es die
Pfaffen, welche ſich auf ihre Pfafferey ernaͤhren
mußten. Die, welche den Nationaleid geſchworen
haben, um unangefochten in ihrem Vaterlande blei-
ben zu koͤnnen, ſind dennoch immer in Gefahr, und
werden vielleicht noch von ihren eignen Patrioten
abgeſezt. *)“
„Nun ſehen Sie — fuhr er fort — daß nicht
alle Edelleute, auch nicht alle Prieſter, ohne Noth
und ans bloßem Haß gegen die Conſtitution, oder
aus Stolz auf ihre Praͤrogativen, oder aus Leicht-
ſinn fortgelaufen ſind. Viele haben wirklich Urſa-
che dazu gehabt, und unter dieſen verdienen meh-
*) Gegen das Ende des Jahres 1793 iſt dieſe Prophezeihung
eingetroffen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/56>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.