es anfänglich noch immer sehr viele gab, als ein widerrechtlicher, unregelmäßiger Priester angese- hen wurde, dessen geistliche Verrichtungen man als gotteslästerliche Handlungen betrachtet, und sie selbst als Gottesschänder gemieden und, je nachdem unser Staats-Looß gefallen wäre, exemplarisch be- straft hätte. Zwar gab es bey uns, wie in Ita- lien, Portugal und Spanien, sehr viel Scheinka- tholiken; und ich selbst war nur dem Namen nach katholisch: meine Voreltern waren nämlich refor- mirt, musten aber zum katholischen Glauben überge- hen, um ihre politische Existenz nicht zu verlieren: indessen blieb die reformirte Lehre in unsrer Fami- lie: wir haßten die Katholiken, und gingen doch in ihre Messe. So haben es viele Familien der Hugenotten gemacht. *) Ich würde jezt, da in Frankreich jeder seine Religion nach Gefallen haben kann, mich, wie viele Andere öffentlich als Refor- mirt erklärt haben, wenn mich Voltaire nicht bekehrt hätte. Nun aber ist mir alles gleich viel: Pabst, Doktor Luther, Calvin, alles ist mir eins! Ich glaube weder dem einen noch dem andern: sie alle treiben Hökerey mit Fratzen, und die Pfaffen aller Religionen sind immer Pfaffen."
*) Daß er [ - 6 Zeichen fehlen] recht hatte, habe ich 1794 zu Frankreich häu- fig erfahren. Wozu also Religionszwang! --
es anfaͤnglich noch immer ſehr viele gab, als ein widerrechtlicher, unregelmaͤßiger Prieſter angeſe- hen wurde, deſſen geiſtliche Verrichtungen man als gotteslaͤſterliche Handlungen betrachtet, und ſie ſelbſt als Gottesſchaͤnder gemieden und, je nachdem unſer Staats-Looß gefallen waͤre, exemplariſch be- ſtraft haͤtte. Zwar gab es bey uns, wie in Ita- lien, Portugal und Spanien, ſehr viel Scheinka- tholiken; und ich ſelbſt war nur dem Namen nach katholiſch: meine Voreltern waren naͤmlich refor- mirt, muſten aber zum katholiſchen Glauben uͤberge- hen, um ihre politiſche Exiſtenz nicht zu verlieren: indeſſen blieb die reformirte Lehre in unſrer Fami- lie: wir haßten die Katholiken, und gingen doch in ihre Meſſe. So haben es viele Familien der Hugenotten gemacht. *) Ich wuͤrde jezt, da in Frankreich jeder ſeine Religion nach Gefallen haben kann, mich, wie viele Andere oͤffentlich als Refor- mirt erklaͤrt haben, wenn mich Voltaire nicht bekehrt haͤtte. Nun aber iſt mir alles gleich viel: Pabſt, Doktor Luther, Calvin, alles iſt mir eins! Ich glaube weder dem einen noch dem andern: ſie alle treiben Hoͤkerey mit Fratzen, und die Pfaffen aller Religionen ſind immer Pfaffen.“
*) Daß er [ – 6 Zeichen fehlen] recht hatte, habe ich 1794 zu Frankreich haͤu- fig erfahren. Wozu alſo Religionszwang! —
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0055"n="43"/>
es anfaͤnglich noch immer ſehr viele gab, als ein<lb/>
widerrechtlicher, unregelmaͤßiger Prieſter angeſe-<lb/>
hen wurde, deſſen geiſtliche Verrichtungen man als<lb/>
gotteslaͤſterliche Handlungen betrachtet, und ſie<lb/>ſelbſt als Gottesſchaͤnder gemieden und, je nachdem<lb/>
unſer Staats-Looß gefallen waͤre, exemplariſch be-<lb/>ſtraft haͤtte. Zwar gab es bey uns, wie in Ita-<lb/>
lien, Portugal und Spanien, ſehr viel Scheinka-<lb/>
tholiken; und ich ſelbſt war nur dem Namen nach<lb/>
katholiſch: meine Voreltern waren naͤmlich refor-<lb/>
mirt, muſten aber zum katholiſchen Glauben uͤberge-<lb/>
hen, um ihre politiſche Exiſtenz nicht zu verlieren:<lb/>
indeſſen blieb die reformirte Lehre in unſrer Fami-<lb/>
lie: wir haßten die Katholiken, und gingen doch<lb/>
in ihre Meſſe. So haben es viele Familien der<lb/>
Hugenotten gemacht. <noteplace="foot"n="*)">Daß er <gapunit="chars"quantity="6"/> recht hatte, habe ich 1794 zu Frankreich haͤu-<lb/>
fig erfahren. Wozu alſo Religionszwang! —</note> Ich wuͤrde jezt, da in<lb/>
Frankreich jeder ſeine Religion nach Gefallen haben<lb/>
kann, mich, wie viele Andere oͤffentlich als Refor-<lb/>
mirt erklaͤrt haben, wenn mich <hirendition="#g">Voltaire</hi> nicht<lb/>
bekehrt haͤtte. Nun aber iſt mir alles gleich viel:<lb/>
Pabſt, Doktor Luther, Calvin, alles iſt mir eins!<lb/>
Ich glaube weder dem einen noch dem andern: ſie<lb/>
alle treiben Hoͤkerey mit Fratzen, und die Pfaffen<lb/>
aller Religionen ſind immer Pfaffen.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[43/0055]
es anfaͤnglich noch immer ſehr viele gab, als ein
widerrechtlicher, unregelmaͤßiger Prieſter angeſe-
hen wurde, deſſen geiſtliche Verrichtungen man als
gotteslaͤſterliche Handlungen betrachtet, und ſie
ſelbſt als Gottesſchaͤnder gemieden und, je nachdem
unſer Staats-Looß gefallen waͤre, exemplariſch be-
ſtraft haͤtte. Zwar gab es bey uns, wie in Ita-
lien, Portugal und Spanien, ſehr viel Scheinka-
tholiken; und ich ſelbſt war nur dem Namen nach
katholiſch: meine Voreltern waren naͤmlich refor-
mirt, muſten aber zum katholiſchen Glauben uͤberge-
hen, um ihre politiſche Exiſtenz nicht zu verlieren:
indeſſen blieb die reformirte Lehre in unſrer Fami-
lie: wir haßten die Katholiken, und gingen doch
in ihre Meſſe. So haben es viele Familien der
Hugenotten gemacht. *) Ich wuͤrde jezt, da in
Frankreich jeder ſeine Religion nach Gefallen haben
kann, mich, wie viele Andere oͤffentlich als Refor-
mirt erklaͤrt haben, wenn mich Voltaire nicht
bekehrt haͤtte. Nun aber iſt mir alles gleich viel:
Pabſt, Doktor Luther, Calvin, alles iſt mir eins!
Ich glaube weder dem einen noch dem andern: ſie
alle treiben Hoͤkerey mit Fratzen, und die Pfaffen
aller Religionen ſind immer Pfaffen.“
*) Daß er ______ recht hatte, habe ich 1794 zu Frankreich haͤu-
fig erfahren. Wozu alſo Religionszwang! —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/55>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.