ganze Welt kennt den poetischen Schnickschnack, und weis, warum die Dichterlinge loben. Von Horatius, dem größten und feinsten aller Parasi- ten an, bis auf die Herren N. N. hat keiner seinen Held unsterblich gemacht. Die Namen, welche über den Oden z. B. des Horatius stehen, thun schon lange gar nichts mehr zur Sache: wir be- wundern die Schönheit des Gedichtes, und küm- mern uns wenig um den, auf welchen es gemacht ist. Blos die Geschichte kann loben oder tadeln: denn ob wir gleich sehr elende Wichte in der Welt sind, so haben wir doch noch das Gute an uns, daß allgemeine Sätze keinen Eindruck auf uns ma- chen: wenigstens keinen bleibenden; und daß wir nicht eher gerührt werden, oder glauben, bis wir den Beweis irgend einer allgemeinen Behauptung aus einzelnen Thatsachen selbst sammeln und fassen. Ein Fürst thut darum sehr klug, wenn er sich nie bedichten oder besingen läßt, und noch klüger, wenn er seine Lobhänse nicht belohnt: denn sonst stürmt dieses Sillben-Gesindel auf ihn zu, und belobt ihn dergestalt, daß er sich endlich für untadelhaft hält, und für wahres Verdienst Augen und Empfindung verliehrt.
Ich für meine Person befand mich im Lager so ziemlich wohl. Ich hatte beynahe täglich Besuch von Bekannten aus der der dasigen weiten und brei-
ganze Welt kennt den poetiſchen Schnickſchnack, und weis, warum die Dichterlinge loben. Von Horatius, dem groͤßten und feinſten aller Paraſi- ten an, bis auf die Herren N. N. hat keiner ſeinen Held unſterblich gemacht. Die Namen, welche uͤber den Oden z. B. des Horatius ſtehen, thun ſchon lange gar nichts mehr zur Sache: wir be- wundern die Schoͤnheit des Gedichtes, und kuͤm- mern uns wenig um den, auf welchen es gemacht iſt. Blos die Geſchichte kann loben oder tadeln: denn ob wir gleich ſehr elende Wichte in der Welt ſind, ſo haben wir doch noch das Gute an uns, daß allgemeine Saͤtze keinen Eindruck auf uns ma- chen: wenigſtens keinen bleibenden; und daß wir nicht eher geruͤhrt werden, oder glauben, bis wir den Beweis irgend einer allgemeinen Behauptung aus einzelnen Thatſachen ſelbſt ſammeln und faſſen. Ein Fuͤrſt thut darum ſehr klug, wenn er ſich nie bedichten oder beſingen laͤßt, und noch kluͤger, wenn er ſeine Lobhaͤnſe nicht belohnt: denn ſonſt ſtuͤrmt dieſes Sillben-Geſindel auf ihn zu, und belobt ihn dergeſtalt, daß er ſich endlich fuͤr untadelhaft haͤlt, und fuͤr wahres Verdienſt Augen und Empfindung verliehrt.
Ich fuͤr meine Perſon befand mich im Lager ſo ziemlich wohl. Ich hatte beynahe taͤglich Beſuch von Bekannten aus der der daſigen weiten und brei-
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ganze Welt kennt den poetiſchen Schnickſchnack,
und weis, warum die Dichterlinge loben. Von
Horatius, dem groͤßten und feinſten aller Paraſi-
ten an, bis auf die Herren N. N. hat keiner ſeinen
Held unſterblich gemacht. Die Namen, welche
uͤber den Oden z. B. des Horatius ſtehen, thun
ſchon lange gar nichts mehr zur Sache: wir be-
wundern die Schoͤnheit des Gedichtes, und kuͤm-
mern uns wenig um den, auf welchen es gemacht
iſt. Blos die Geſchichte kann loben oder tadeln:
denn ob wir gleich ſehr elende Wichte in der Welt
ſind, ſo haben wir doch noch das Gute an uns,
daß allgemeine Saͤtze keinen Eindruck auf uns ma-
chen: wenigſtens keinen bleibenden; und daß wir
nicht eher geruͤhrt werden, oder glauben, bis wir
den Beweis irgend einer allgemeinen Behauptung
aus einzelnen Thatſachen ſelbſt ſammeln und faſſen.
Ein Fuͤrſt thut darum ſehr klug, wenn er ſich nie
bedichten oder beſingen laͤßt, und noch kluͤger, wenn
er ſeine Lobhaͤnſe nicht belohnt: denn ſonſt ſtuͤrmt
dieſes Sillben-Geſindel auf ihn zu, und belobt ihn
dergeſtalt, daß er ſich endlich fuͤr untadelhaft haͤlt,
und fuͤr wahres Verdienſt Augen und Empfindung
verliehrt.
Ich fuͤr meine Perſon befand mich im Lager ſo
ziemlich wohl. Ich hatte beynahe taͤglich Beſuch
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/498>, abgerufen am 22.11.2024.
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